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Die kühlen Schatten der Nacht umhüllten Shaunee und beruhigten ihren aufgeheizten Körper. Sobald sie vom Lagerfeuer weggetreten war, breitete sich eine plötzliche Leere in ihrem Kopf aus.

Maxi war davongestürmt und sie hatte keinen blassen Schimmer, ob er diese Nacht zu ihr zurückkehren würde. Diese Erkenntnis traf sie härter, als sie erwartet hatte. Warum war sie so schnell in die Konfrontation gegangen? Sie hatte ihn vor den Augen der anderen herunter gemacht. Was sollte das? Wie dumm von dir!
Es war nicht fair von ihr gewesen, ihm diese Wörter an den Kopf zu schlagen. Sie würde Maxi niemals so einfach aufgeben können, wie sie es gerade aussehen hatte lassen. Es würde eine Qual werden getrennt von ihm zu sein, geschweige denn in einen Krieg ohne ihn zu ziehen! Ja, ihr Schicksal war es, Nirvana den Frieden zu bringen. Das war ihre von den Göttern und Geistern der Vergangenheit auferlegte Mission. Doch sie könnte niemals dafür die Seelenbindung zu Maxi aufgeben, die eben jene höheren Mächte eingefädelt hatten. So stark war sie nicht. Und Shaunee zweifelte auch daran, dass es jemals eine Person gegeben hat, die aus Pflichtbewusstsein so viel persönliche Aufopferung für die Götter und Geister erbracht hatte. Du musst aufhören zwischen Maxi und den Anginen zu trennen, das bringt doch nicht weiter.

Shaunee erinnerte sich plötzlich an eine Unterrichtsstunde am See von Diem. Ihr geduldiger Lehrer Lee hatte sie den während des Vormittags durch die Unterstadt geführt, vorbei an den bunten Märkten, den Ställen der Pferde der Königsgarde und schließlich dem ältesten Stadtteil Diems, in dem die Nymphen lebten. Sie war ganz ungeduldig geworden, als Lee das Elternhaus von Julie und Erin passierten, ohne auf einen kurzen Tee einzutreten. Die ganze Zeit erzählte er ihr Geschichten über längst vergessene Helden, deren Namen sie nur aus Geschichtsbüchern kannte.
Sobald sie die Stadt hinter sich gelassen hatten, verstummte Lee und ließ die Schultern sinken. Er seufzte frustriert.
„Du hörst mir ja heute gar nicht zu Shaunee." Sein wissender Blick traf sie ertappt, doch das Zucken seiner Mundwinkel verriet ihr, dass er es ihr nicht übel nahm.

Entschuldigend blickte sie zu ihrem Lehrer hinauf.

„Was beschäftigt dich denn?" fragte er einfühlsam. Gemeinsam schlenderten sie zum Seeufer und ließen sich im feuchten Gras nieder, wie sie es schon so oft getan hatten, seitdem Lee vor einem Jahr ihre Ausbildung begonnen hatte.

Das kleine rothaarige Mädchen seufzte theatralisch, als hätte sie nur auf diese Nachfrage gewartet. Doch ihrem Lehrer entging nicht, das Aufblitzen von Neugierde in ihren Augen.
Großmama hat mir gestern Abend von den Seelenbindungen erzählt. Lee simmt es, dass sich jeder Bändiger unsterblich in eine Person verliebt?"

„So hat sie dir das erklärt?" Er musste über diese Wortwahl schmunzeln. Die junge Shaunee nickte eifrig, sodass ihre Locken auf und ab sprangen.

„Sie hat Recht, wir Bändigen können uns auf unseren Seelenverwandten prägen, wenn wir ihn gefunden haben. Das Schicksal führt uns zusammen, wie alles andere auch. Aber eine Seelenbindung ist so viel mehr, als Jugendliche Verliebtheit. Wenn du etwas älter bist, werde ich es dir richtig erklären." Sobald er diesen Satz ausgesprochen hatte, wusste er, dass das junge Mädchen neben ihm Protest einlegen würde.

„Ich möchte es aber jetzt wissen!" antwortete sie leise, da ihre Mutter ihr früh beigebracht hatte, trotzige Widerrede zu unterlassen. Doch sie konnte sich nicht gänzlich beherrschen. „Warum entscheidet das Schicksal in wen ich mich verlieben werde und nicht ich selbst? Das ist doch bescheuert..."

„Soll ich dir verraten, was ich davon halte?" Lee beugte sich etwas zu Shaunee hinunter. Es wunderte ihn nicht wirklich, dass Shaunee mit ihren fünf Jahren solche tiefgründigen Fragen stellte, die er sich selbst schon tausend Mal gestellt hatte.
„Ich denke, es ist eine Mischung aus beidem. Unser Schicksal ist nicht in Stein gemeißelt, wir können die Zukunft immer noch formen. Warum bin ich der Angin geworden und nicht der Bauernjunge aus dem Nachbardorf? Was ist der größere Sinn dahinter, wieso gerade ich?"

DWK - Zwischen Zwei WeltenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt