TEIL II

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TEIL II

Dort stand ein junger Mann auf der Lichtung, umringt von uralten Eichen und Tannen, unter deren Blätterdächern sich lebhafte Erinnerungen zugetragen hatten. Das jedenfalls waren seine Gedanken in diesem Moment, als er seinen Blick ein letztes Mal über die nun leerstehenden Baumhäuser warf. Sämtliche Fenster waren witterungssicher verhängt, die Türen fest verriegelt und die Treppen zu den Baumhäusern hatten sie hochgezogen, um ungebetenen Gästen den Zutritt zu erschweren.

Je länger er in seinen Gedanken und Erinnerungen um diesen Ort verweilte, desto klarer wurde seine Erkenntnis: Auch dieses Zuhause war keines von Dauer gewesen. Mal wieder...

Seine Freunde und er waren es gewohnt durch die Welt zu reisen und sich an Niemandes Regeln zu halten, außer den eigenen. Es war für die letzten Jahre schön gewesen, einen festen Standort zu haben, eine neue Heimat zu gründen, wo sie doch ihre Geburtsstadt Grünewald vor Jahren hinter sich gelassen hatten. Doch selbst hier hatte es sich für ihn nicht vollkommen angefühlt. Es kam ihm beinahe so vor, als würde er noch auf etwas warten, ein größeres Abenteuer, eine weitere Herausforderung. Er war zwar zufrieden, dass er mit seinen Freunden gemeinsam lebte, doch dieses Gefühl einer Vorahnung wich nie von seiner Seite. Und insgeheim machte es ihn innerlich verrückt.

Sobald die Dinge dann ihren Lauf nahmen und Sie plötzlich auftauchte, wusste er instinktiv, dass er die ganzen letzten Jahre auf diese Begegnung gewartet hatte. Sie stellte seine Welt in Sekunden auf den Kopf und brachte eine Herausforderung mit sich, die das Schicksal von sich und seinen Freunden bedeuten würde. Sie war so viel mehr für ihn, als nur der Anfang einer neuen Lebensphase. Sie war seine Seelenbindung. Ein Phänomen, dass sie beide gemeinsam noch entschlüsseln mussten.

Er bemerkte wie sich bei dem Gedanken an Sie ein Lächeln auf seinen Lippen bildete und das Verlangen aufkam, zu ihr zurück zu kehren.

Der junge Mann seufzte und setzte zum Rückweg an. Es half ja alles nichts! Er ging zwischen zwei Eichen hindurch, die aus der Ferne betrachtet, ein Tor bildeten. Je verzweifelter er auch versuchte es sich nicht einzugestehen, jagte ihm die Vorstellung auf die kommenden Tage Angst ein. Die Ungewissheit, wohin diese Fahrt sie bringen würde, nagte an seinem Gemüt.

Seine Beine trugen ihn voran, den schallenden Stimmen entgegen, die sich selbst um diese gottverdammte frühe Uhrzeit, angeregt unterhielten. Währwnd er geradewegs auf sie zulief, entspannte sich sein steifer Körper, bei dem wohlbekannten Geräuschpegel seiner Familie. Denn dieser Haufen voller durchtriebener, halb Erwachsener, ausgelassener, liebenswerter, aber vor allem loyaler Menschen, war zu seiner wahren Familie geworden.

Mit den meisten von Ihnen war er aufgewachsen. Er hatte mit ihnen Siege gefeiert, sich gemeinsam Herausforderungen gestellt, Verluste eingesteckt und hat durch sie neue Freundschaften geknüpft. Jeder einzelne von Ihnen hatte sich durch die gemeinsamen Abenteuer und Erlebnisse weiterentwickelt, doch trotzdem waren sie sich ähnlich geblieben. Er war dankbar um die tiefe Freundschaft zu jedem einzelnen von ihnen.

Der braunhaarige Mann erreichte die Gruppe und trat zu seinem dunklen Motorbike. Es war voll beladen mit den wichtigsten Dingen die Sie für die lange Reise brauchen würden. Trotz der allmählich einsetztenden Dämmerung konnte er seine Freunde um sich herum deutlich ausmachen. Sie sahen alle bereit aus aufzubrechen, wenn auch etwas müde. Er selbst konnte sich in diesem Moment ein Gähnen nicht unterdrücken.

Im nächsten Moment spürte er, wie sich ein Blick auf ihm niederlies. Das Gefühl von aufkommender Zuversicht verbreitete sich in seinem Körper, gepaart mit einem sanften Kribbeln unter seiner Haut. Er hielt inne, als er den Auslöser dafür mit seinen Augen entdeckte.

Sie sah ihn nur an, mit ihren warmen, tiefgrünen Augen. Ihr Blick tat ihm gut. Es war als würde er durch ihn neue Kraft schöpfen. Sie teilte ihre positive Energie mit ihm, ihre Hoffnung. Er fragte sich still, wieviel Sie von seinem innerlichen Zustand mitbekam, denn scheinbar wusste sie genaustens, was er in diesem Moment brauchte. Er wollte sich gerade von seinem Bike lösen, um dem aufkommenden Verlangen nachzukommen, sie zu berühren.

Doch Sie schien zeitgleich anderes im Sinn zu haben. In einer für Sie sehr lasziven Bewegung lies Sie sich auf ihr Crossbike sinken und zog sich in einer eleganten und geübten Bewegung den Helm über ihre zusammengebundenen Locken. Erst ein Zwinkern schien ihn zurück in die Gegenwart zu holen, die er Dank ihres aufreizenden Schauspiels verlassen hatte.

Der Gedanke schlich sich in seinen Kopf, dass die nächsten Tage wohl doch besser enden würden, als er angenommen hatte. Vielleicht verbarg sich hinter der vermeidlichen Ungewissheit, ein wunderschönes Leben mit ihr. Und vielleicht gab es ja dann für Maxi und Shaunee endlich einmal die Gelegenheit, dem Verlangen, welches sich die letzten Tage imposant angestaut hatte, nachzugehen.

Er startete mit einem kräftigen Tritt des Starters den Motor seines Bikes. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht zog er sich den Motorradhelm über. Das Aufbrüllen sämtlicher Motoren hallte durch den Wald und läutete ein neues Abenteuer ein. Mittendrin wieherte ein aufgeregtes Pferd, welches den Startschuss für ihr Aufbrechen bedeutete.

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