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Sie fuhren bereits seit Stunden durch die weiten, vertrockneten Steppen des Nordstaates. Das Donnern der Motoren schallte über die Ebenen, als würde es das einzige Geräusch sein, welches in dieser trostlosen Gegend existierte.

Die Gruppe der Biker hatte sich zu einer langen Karawane gelöst. Jeweils zu zweit fuhren sie mit ausreichendem Abstand hintereinander her. Angeführt wurde sie von den Zwillingen und dem gleichmäßigen Hufschlag ihrer Stute.

Julie war erstaunt darüber, wie lange Zarah bisher im gestreckten Galopp, ohne Pause, durchzuhalten schien. Gleichzeitig versuchte sie ihr eigenes schlechtes Gewissen zu beruhigen, denn sie wollte die tapfere Wegbegleiterin nicht direkt am ersten Tag total erschöpfen.

Übernim' dich nicht Zarah! Sag mir Bescheid, wenn du eine Pause brauchst... rief sie ihrer Stute in Gedanken zu.

Julie fiel es schwer, eine Antwort aus den Gedanken die Zarah ihr zukommen lies zu ziehen. Sie fühlte den Ehrgeiz und die Kraft der Muskeln unter ihrem eigenen Körper, während Zarahs hoher Puls durch ihren Geist rauschte. Das regelmäßige Schnauben während den Galopp-Sprüngen war wie ein Beruhigungsmantra für sie beide. Doch scheinbar wollte die Stute sich nicht dazu äußern.

Du Dickschädel! Antwortete Julie daraufhin frustriert und stellte sich leicht im Sattel auf, um ihr Gewicht mehr auf Zarahs Schulterblatt zu richten. Das entlockte dieser ein selbstgefälliges Wiehern und spornte sie an, noch schneller zu rennen.

Die Reiterin warf einen Blick auf ihre Schwester hinab, die auf der linken Seite der beiden fuhr. Erin hielt sich an das Tempo, dass Zarah ihr vorgab. Ihr Blick war unter dem durchsichtigen Visier ihres Helmes stur geradeaus gerichtet, fixierend. Julie fühlte, dass Erin mit den Gedanken ganz woanders war.

Zarah warf plötzlich den Kopf in den Nacken und schnaubte bestätigend, um Julies Feststellung zu bekräftigen.

„Was ist los?" rief Julie gegen den ihr uns Gesicht peitschenden Wind.

Erin hob augenblicklich ihren Kopf und sah verwirrt zu Julie auf.

„Was geht dir durch den Kopf?"

Nach kurzem Zögern setzte Erin zu einer Antwort an, bemerkte aber schnell, dass ihre Schwester wegen des Windes und der Tatsache, dass sie einen Helm trug, kein Wort verstand.

Wie bitte?" schrie diese auch schon mit gerunzelter Stirn.

Erin verdrehte die Augen genervt und bedeutete ihrer Schwester mit einer Geste, ihr Vidya für sie zu öffnen. Sie spürte sofort, dass Julie ihrer Anweisung folgte, als sich ein warmes, wohlvertrautes Summen an ihren Geist presste.

„Über was hast du nachgedacht? Du wirkst ganz weit weg..." hörte Erin die Gedanken ihrer eigenen Schwester in ihrem Kopf hallen.

„Erwischt!" antwortete sie genervt, um den wahren Grund noch etwas hinauszuzögern. Auch wenn sie wusste, dass es sinnlos war, etwas vor ihrem Zwilling zu verheimlichen.

„Na komm, spuck's schon aus!" Julie konnte sogar Erins erschlagenes Seufzen in ihren Gedanken hören und musste grinsen. „Geht es schon wieder um das alte Thema?" riet sie weiter.

„Ja..."

„Wir haben das doch schon oft genug durchgekaut."

„Du hast selbst zugegeben, dass es dir auch merkwürdig vorkommt. Wie kann es sein, dass wir überhaupt keine Erinnerung mehr an diese Tage haben?"

„Psychologisch gesehen viele! Wir haben ein schreckliches Trauma erlitten, unsere Eltern verloren, die anderen Stammesmitglieder sterben sehen und unsere Heimat in Schutt und Asche zurück gelassen. Unser Körper hat als Schutzmechanismus alle Erinnerungen daran gelöscht, statt uns dem schrecklichen Schmerz und der Trauer auszusetzten, die uns die Verarbeitung genau dieser Umstände zugefügt hätte..."

DWK - Zwischen Zwei WeltenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt