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Drei Tage waren Marlon und Shaunee nun bereits unterwegs. Ihr Plan war es, die Grenze zum Feuerimperium weit im Westen zu übertreten, damit sie anschließend auf kürzester Distanz nach Tamborini reiten konnten. Die schützenden Wälder des Luftimperiums gewährten ihnen mehr Sicherheit, als die offenen Ebenen des Feuerstaates. Aus diesem Grund entschied sich Shaunee dazu, so lange wie möglich auf der nördlichen Seite der Grenze zu reisen.

Sie hatten Airson schnell hinter sich gelassen. Um zügig voran zu kommen ritten sie bis zum ersten Nachtlager auf den Waldwegen und ausgetretenen Pfaden, die sich von der Landeshauptstadt aus verbreiteten. Doch schon am zweiten Tag hielten sie es für sicherer, sich von den meist genutzten Routen zu entfernen, um unerwünschte Begegnungen zu vermeiden und das Risiko von Jasons Soldaten entdeckt zu werden zu minimieren. Das hatte zur Folge, dass sie nicht mehr ganz so schnell vorwärtskamen. Ihre beiden Pferde waren das unebene Gelände zwar gewohnt, doch ein schneller Galopp war nur selten möglich.

Wie Shaunee vorhergesehen hatte, wurde Marlon mit jeder verstreichenden Stunde im Sattel sicherer. Schnell hatte er sich an den Umgang mit seiner Stute gewöhnt. Die meiste Zeit ritten sie schweigend nebeneinander, jeder in seine Gedanken vertieft. Shaunee war trotzdem dankbar, dass Marlon eingewilligt hatte, sie zu begleiten. Es tat gut, nicht alleine zu sein.

Erst Abends, wenn sie ihr Nachtlager aufschlugen und ihre Handgriffe geübt ineinander übergingen, hatte entweder Marlon oder Shaunee das Bedürfnis ein Gespräch zu beginnen. Denn wenn es dunkel wurde und die Nacht über ihnen hereinbrach, kreisten ihre Gedanken wie selbstverständlich zu ihren Seelenpartnern. Die beide hatten schnell festgestellt, dass die Bindung in ihnen abends am stärksten aufpeitschte. Shaunees Kopf begann dabei zu pochen, ihre Muskeln schmerzten und sie war schon mehrmals zitternd aus dem Schlaf geschreckt, weil das dringende Bedürfnis nach Maxis Nähe ihre Träume erobert hatte.

So auch in dieser Nacht. Panisch richtete sich Shaunee auf und blickte durch ihre wild abstehenden Locken. Das heruntergebrannte Feuer strahlte nur noch spärlich Wärme aus. Sie fuhr mit ihre Hand über die Stelle auf ihrer Brust, die immer schmerzte, wenn sie an Maxi dachte. Nur langsam beruhigte sich ihr Atem.

„Maxi?" ertönte es wissend aus der Dunkelheit.

Marlon lag mit dem Rücken zu ihr gekehrt auf der anderen Seite des Feuers. Sie konnte nur die Umrisse seiner schlafenden Form ausmachen.

Seufzend rutschte sie gegen den umgefallenen Baumstamm, hinter dem sie ihr Matte ausgerollt hatte. Sobald ihr Rücken sich an das vermeintlich tote Holz lehnte, spürte sie das leichte Summen der langsam fließenden Energie darin. Der Baum war längst tot, doch er diente als Lebensraum für abertausend Insekten und kleine Lebewesen, deren Energie sie fühlte. Sie breitete sich quälend langsam unter ihrer Haut aus, bis sie in den Fußspitzen angelangt war. Wie eine schwere Decke legte sich das Summen über ihre aufgebrachten Nerven.

„Ja..." gestand sie, nach einem langen Moment der Stille.

Sie hatte es aufgegeben, ihre Gefühle vor Marlon zu verheimlichen. Er erlebte dasselbe wie sie und erkannte mittlerweile durch einen Blick, wenn ihre Gedanken abwanderten und sie stillschweigend unter den Schmerzen der Trennung litt.

Shaunee rieb sich das Gesicht. An Schlaf war für sie nach diesem realistischen Traum nicht mehr zu denken.

„Was hat dich diesmal geweckt?"

Es raschelte leise, während sich Marlon zu ihr umdrehte.

Dunkle Schatten zeichneten sich unter seinen Augen ab. Er hatte höchst wahrscheinlich keine Sekunde geschlafen.

„Ich war mir nicht mehr sicher, ob ich träume, oder wach bin."

Shaunee spähte zu Marlon hinüber.

DWK - Zwischen Zwei WeltenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt