Luana liegt auf meinem Schoß, eingewickelt in eine Decke und ihr Atem geht ruhig und gleichmäßig. Ein prüfender Blick nach einigen Minuten verrät mir, dass sie eingeschlafen ist. Ihr Gesicht ist friedlich wie das eines Engels und ihr zarter Körper wirkt plötzlich so verwundbar.
Wenn ich mir vorstelle, dass diesen Körper schon bald ein anderer berühren könnte, drehe ich durch.
Sie ist mein Mädchen und niemand darf ihr zu nah kommen, geschweige denn ihr auch nur ein Haar krümmen. Ich würde sie immer verteidigen wie ein Löwe, auch wenn wir nicht mehr zusammen sind. Unser Beziehungsstatus ändert schließlich nichts an meinen Gefühlen zu ihr.
Vorsichtig hebe ich meine Hand über ihr Gesicht und lasse meine Fingerspitzen federleicht über ihre Wange gleiten.
"Was machst du nur mit mir", flüstere ich leise.
Ihre weiche Haut glänzt leicht im schummrigen Licht des Fernsehers und ich wäre cool damit, den restlichen Tag hier zu liegen und sie einfach nur beim Schlafen zu beobachten.
"Ich liebe dich wie am ersten Tag" ist eine oft benutzte Floskel, aber ich liebe sie nicht wie am ersten Tag, ich liebe sie mit jedem Tag mehr, selbst mit jedem schlechten Tag.
Ich habe es ihr nie gesagt, weil ich immer dachte, dass es für solche großen Worte zu früh ist und dass wir zu jung sind, aber ich konnte mir von Anfang an vorstellen, dass sie die Mutter meiner Kinder wird, irgendwann meinen Nachnamen trägt und wir bis an unser Lebensende zusammen bleiben.
Ich weiß, dass meine Eltern sich für mich eine anständige kurdische religiöse Frau wünschen, am besten noch eine mit Kopftuch, aber ich will nur Luana.
Mein vibrierendes Handy reißt mich aus den Gedanken. Bilal ruft an. Ich überlege kurz, drücke seinen Anruf dann jedoch weg. Der Moment ist zu schön, um ihn durch ein Telefonat zu zerstören und Luana wohlmöglich zu wecken und außerdem habe ich keine Lust, mich vor meinem Freund rechtfertigen zu müssen.
"Was ist mit heute Abend?", schreibt er mir kurz darauf bei WhatsApp. "Keine Ahnung, hab irgendwie keine Lust", antworte ich ehrlich. Dass ich lieber bei Luana bleiben will als auf eine überfüllte Geburtstagsparty von jemandem zu gehen, den ich eh maximal zu meinen entfernten Bekannten zählen würde, verschweige ich.
"Bruder, mach mal keinen Miesen 🙄", kommt prompt zurück. "Da sind bestimmt auch hübsche Mädchen", kommt hinterher.
Wow. Das Totschlagargument. Als ob mich irgendwelche anderen Mädchen interessieren würden. Ich wünschte mir fast, es wäre so, dann könnte ich Luana wenigstens versuchen dadurch aus dem Kopf zu bekommen.
"Sei doch froh, dann bleibt mehr Auswahl für dich. Du sagst doch eh immer, ich bin ein schlechter Wingman", antworte ich leicht genervt.
"Ich würde brüderlich mit dir teilen", schreibt Bilal zurück.
"Ich verzichte dankend 🤙", lehne ich sein großzügiges Angebot ab. "Ich sage dir noch Bescheid ob ich mitkomme." Dann packe ich mein Handy wieder weg und lege meinen Kopf auf eines der Kissen. Gestern Abend konnte ich nicht einschlafen, weil sie nicht bei mir war, und jetzt wo ich ihren warmen Körper auf meinem spüre, kann ich mich gleich viel besser entspannen. Ich schließe die Augen. Nur mal kurz ausruhen..
Irgendwann werde ich wach, weil Luana plötzlich anfängt wild um sich zu schlagen. Alarmiert schrecke ich hoch.
"Luana, hey", spreche ich sie an und rüttele sanft an ihr, um sie zu wecken. Sie scheint schlecht zu träumen.
Ich fasse ihr vorsichtig an die Wange. "Luana, wach auf", spreche ich sie erneut an. Jetzt reißt sie die Augen auf, atemlos, und so bleich im Gesicht, als hätte sie einen Geist gesehen.
"Fero?", fragt sie ungläubig. "Ja", gebe ich leise zurück. "Hab keine Angst, ich bin bei dir."
Sie drückt sich schutzsuchend an mich und es dauert einige Minuten, bis sie sich wieder beruhigt hat.
Ohne drüber nachzudenken streichle ich über ihr Haar und halte sie in meinen Armen.
"Wie spät haben wir?", fragt sie irgendwann, noch immer ein wenig orientierungslos.
"Gleich 18 Uhr", verrate ich ihr mit Blick auf mein Handy.
"Oh man, dann muss ich mich langsam mal fertig machen."
Sie scheint genau so wenig Lust auf ihre anstehende Verabredung zu haben wie ich. Es brennt mir unter den Fingern sie zu fragen, was sie vor hat, ich will wissen wo sie sich rumtreibt und mit wem, doch ich weiß, dass ich dazu kein Recht mehr habe.
"Okay, verstanden", sage ich und erhebe mich von der Couch. "Ich hau ab."
"Das habe ich damit gar nicht gemeint", erwidert sie beschwichtigend und steht ebenfalls auf. "Ich habe einfach nur laut gedacht."
"Lass das mit dem Denken, das führt zu nix", necke ich sie. Luana verdreht ihre Augen und boxt mir gegen den Oberarm.
"Nicht dass du dir weh tust", warne ich sie mit Blick auf meinen Bizeps.
"Ferat, du bist schrecklich", stöhnt sie und zieht ihr schwarzes Shirt zurecht.
Ich weiß, dass es sie es nicht so meint und trotzdem erwische ich mich bei dem Gedanken, ob sie mich manchmal wirklich schrecklich findet, schließlich hat sie mich ja verlassen.
Nachdenklich trinke ich den letzten Schluck Cola aus meinem Glas und bringe es wohlerzogen in die Küche. "Ich bin doch selbst noch verabredet und habe auch noch meine Einkäufe im Auto. So lange wollte ich eigentlich gar nicht bleiben", erkläre ich ihr und schlüpfe im Flur in meine Turnschuhe.
"Sorry, dass ich dich aufgehalten habe", stellt sie fest, schaut mich unsicher an und beobachtet mich vom Türrahmen aus.
"Das habe ich damit gar nicht gemeint. Ich habe einfach nur laut gedacht", wiederhole ich ihre Worte und bringe sie damit zum Lachen.
"Spaß beiseite, alles gut. Ich hätte ja auch gehen können, du hast ja eh geschlafen wie ein Murmeltier."
Ich gehe einen Schritt auf sie zu und kneife ihr leicht in die Wange.
"Tut mir leid, ich war total ko", gibt sie zu und senkt beschämt ihren Blick.
Ich drücke ihr einen schnellen Kuss auf die Stirn. "Pass auf dich auf", ist das letzte, was ich zu ihr sage, bevor ich die Wohnung verlasse.
Pass auf dich auf.
Vier Worte, hinter denen so viel mehr steckt.Pass auf dich auf, denn ich liebe dich und ich könnte es nicht ertragen, wenn dir was passiert.
Aber das sage ich nicht, denn wir sind nur noch Freunde.
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Vier Worte
ChickLit"Wir müssen dringend reden." Diese vier Worte bedeuten nie was Gutes. "Ich brauche mehr Freiheit." Vier Worte, tausend Gedanken. Das Ende der Beziehung von Luana und Fero - aber erst der Beginn dieser Geschichte. _________________________________ ...