Als pünktlich um 20 Uhr Berry und Zula vor meiner Tür stehen, habe ich mich einigermaßen beruhigt. Ich war kalt duschen, bis ich das Gefühl hatte, wieder klar denken zu können und habe mir ein Outfit rausgesucht.
Es ist nichts besonderes geworden, einfach nur eine enge blaue High Waist Jeans mit zerissenen Knien und ein weißes Croptop mit Schnürung. Dazu trage ich ein paar Plateau-Sandalen mit Holzabsatz und eine farblich passende kleine Tasche.
Zula und Berry kommen kurz rein und mustern mich aufmerksam. "Wie geht's dir?", fragt Zula und sieht mich kritisch aus zusammengekniffenen Augen an. Ihr schöner brauner Körper steckt in einem aufregenden gelben Minikleid, in dem jede andere Frau vermutlich scheiße aussehen würde, und ihren hellen Afro trägt sie offen. Ich liebe ihren wilden Locken, sie machen sie zu etwas ganz besonderem.
"Gut", gebe ich zögerlich zurück.
"Und wie geht's dir wirklich?", fragt nun Berivan mit Nachdruck.
"Es geht so", gebe ich zu. "Hast du Zula davon erzählt?"
Berivan nickt. "Ich dachte aber, dass du vor Talea nicht darüber reden willst und wollte deshalb einmal kurz mit dir alleine sprechen."
"Ja, Talea ist zwar unsere Freundin, aber nicht gerade der einfühlsamste Mensch", bekräftigt Zula ihre Entscheidung.
"Ne, ihr habt Recht. Sie konnte Fero ja eh nie leiden. Ich weiß euer Engagement echt zu schätzen, aber seid mir nicht böse, Mädels, ich will jetzt gerade nicht darüber reden. Ich will mich lieber betrinken und mich von all dem Scheiß ablenken."
Drei Stunden später habe ich zumindest einen meiner Pläne erfolgreich in die Tat umgesetzt: ich bin besoffen. Ich weiß nicht mal mehr, was ich in den letzten Stunden alles in mich reingekippt habe und schon gar nicht wie viel, aber die Konturen fangen langsam an, vor meinen Augen zu verschwinden und mir ist richtig übel.
Nichtsdestotrotz spukt Fero immer noch in meinem Kopf rum. Was er wohl gerade macht?
Ich laufe gerade vorsichtig Richtung Toilette, immer darauf bedacht, mich mit meinen hohen Hacken nicht lang zu legen, als mich plötzlich ein anderes Mädchen anrempelt, sodass ich ins Straucheln gerate. Ich verliere das Gleichgewicht und sehe mich schon zu Boden fallen, als sich plötzlich zwei starke Arme um meine Taille legen, mich festhalten und mich so vor einem Sturz bewahren.
Benommen drehe ich mich zu meinem Retter um und sehe in zwei hellbraune Augen. "Danke", sage ich noch immer erschrocken von meinem Beinahe-Sturz.
"Gerne, Schönheit", gibt der junge Mann zurück und entblößt grinsend eine Reihe schneeweißer Zähne. Er hält mich noch immer fest und es sieht nicht so aus, als ob er vor hat, mich loszulassen
"Bist du alleine hier?", fragt er und lässt seine Hand langsam über meinen nackten Bauch gleiten.
Ich mache mich grob von ihm los und antworte genervt: "Nein."
"Mit deinem Freund?", hakt er nach.
Plötzlich bin ich wieder stocknüchtern. Die Frage ist wie ein Schlag in meine Magengrube.
"Das geht dich gar nichts an", fauche ich.
"Aber ich habe dich gerade gerettet", gibt er überzeugt zurück.
"Und ich habe mich bedankt, also was willst du noch? Soll ich dir jetzt einen blasen dafür?"
Dann lasse ich ihn stehen und laufe aufgebracht zurück zu meinen Freundinnen. Ich will nicht mehr aufs Klo, ich will nachhause.
Ich spüre die gierigen Blicke auf mir und jetzt, wo ich sie endlich mal ungeniert genießen könnte und mich in der männlichen Aufmerksamkeit suhlen könnte, gibt es mir nichts.
Das Einzige, was ich im Kopf habe, ist Ferat und das macht mich langsam wütend - wütend auf mich selbst.
"Ich hau ab", teile ich meinen Freundinnen mit. "WAS?", geben sie ungläubig zurück. "Ich fühle mich nicht gut. Ich glaube, ich habe mir den Magen verdorben oder so", schwindel ich.
Berivan sieht mich wissend an. "Soll ich dich eben nachhause fahren, Süße? Nicht dass du noch in die Bahn kotzt." Sie zwinkert mir verschwörerisch zu. Aus religiösen und kulturellen Gründen ist Berry die einzige von uns, die nie trinkt und die deshalb meistens so lieb ist, uns zu chauffieren.
"Danke Berry, aber es ist ja noch früh und ich habs nicht weit. Ich komme schon klar." Ich drücke meinen Mädels noch Küsschen auf die Wangen und mache mich dann aus dem Staub.
Es ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich vor Mitternacht aus einem Club komme.
Als ich in der Bahn sitze, mache ich ein Foto von meinem Körper und lade es mit der Caption "Ab nachhause 😴" in meine Story.
Ich weiß, dass er das Bild sieht. Ich will sogar, dass er es sieht. Aber vor allem will ich, dass er auf diese kleine Provokation einsteigt. Ich will eine Reaktion von ihm. Bestenfalls eine, die mir zeigt, dass ich ihm nicht egal bin.
Ich aktualisiere im Sekundentakt die Anzeige, wer meine Story angeklickt hat. Nach und nach tauchen immer mehr Nicknamen und kleine runde Profilbilder in der Übersicht auf, und als dann endlich Feros Name dort steht, setzt mein Herz einen Schlag aus.
Ich warte und warte, schließe Instagram und öffne es wieder, doch Fero schreibt mir nicht. Ich bin so in mein Handy vertieft, dass ich fast die Haltestelle verpasse, aber auch als ich zuhause in meinem Bett liege hat er mir noch nicht geschrieben.
Ich klicke auf sein Profil und stalke seine Bilder. Neben Selfies und Bildern mit seinen Freunden hat er auch eine Hand voll Bilder mit mir drin. Immer noch. Er hat sie nicht gelöscht.
Auf einem dieser Bilder stehen wir in Amsterdam vor einer Gracht. Es war Herbst, relativ kühl und düster. Wir haben einen Wochenendtrip mit Feros altem 3er BMW in die Hauptstadt der Niederlande gemacht, weil das alles war, was wir uns zu dieser Zeit leisten konnten. Ich war nie materialistisch, auch wenn man das auf den ersten Blick nicht denken würde.
Ich weiß, dass Fero oft mit sich gehadert hat, weil er mir keine teuren Geschenke machen konnte, aber das war mir nie wichtig. Ich hätte auch mit ihm zusammen unter einer Brücke gesessen und das letzte Stück trockenes Brot geteilt.
Auf dem Bild trägt er eine dunkle Jeans mit einem schwarzen Hoodie und legt seine Arme um mich. Ich habe meine Haare zu einem hohen Pferdeschwanz gebunden, trage eine zerissene Jeans, schwarze Stiefeletten mit zahlreichen Schnallen, eine schwarze Lederjacke und einen dieser riesigen karierten Schals, von denen man nicht weiß ob sie Schal oder Decke sind.
Ich habe meinen Kopf leicht in den Nacken gelegt und sehe Fero verliebt grinsend an.
"Liebe heißt Loyalität und Zusammenhalt - das bedeutet, wir beide werden zusammen alt", hat er unter das Bild geschrieben und mich verlinkt.
Der erste Kommentar, der mir angezeigt wird, ist mein eigener.
"Für immer 🤞"
67 Wo.
67 Wochen ist es her, dass wir dachten, das mit uns hält für immer.
67 Wochen, in denen wir immer loyal zusammen gehalten haben, wie er damals geschrieben hat.
Und jetzt liege ich alleine hier und traue mich nicht, ihm zu schreiben.
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Vier Worte
أدب نسائي"Wir müssen dringend reden." Diese vier Worte bedeuten nie was Gutes. "Ich brauche mehr Freiheit." Vier Worte, tausend Gedanken. Das Ende der Beziehung von Luana und Fero - aber erst der Beginn dieser Geschichte. _________________________________ ...