21einundzwanzig

582 64 20
                                    

Wütend reiße ich den großen weißen Bilderrahmen von der Wand und knalle ihn mit voller Wucht auf den Boden. Das Glas zerspringt scheppernd in mehrere Einzelteile und Fero und Luana von dem Bild zieren tiefe Risse.

Fero und Luana von dem Bild. Das Paar, das wir nicht mehr sind. Wir sind nicht mal mehr Freunde.

Ich fege hasserfüllt einen rosanen Parfumflakon von dem weißen Tisch. Miss Dior. Ein Geschenk von Fero zum Jahrestag. Das Fläschchen knallt vom Tisch, der Deckel löst sich und rollt unter mein Bett.

Wütend schreie ich auf.

Wieso ist er in jeder gottverdammten Ecke dieses Raumes?

Auch die Sneakers, die ich unbedingt haben wollte, aber mir von meinem spärlichen Ausbildungsgehalt nicht leisten konnte, und mit denen Fero irgendwann vor der Tür stand, fliegen durch den Raum.

"Luana!", ertönt die Stimme meiner Mutter plötzlich lautstark. Ich habe in meinem Wahn überhaupt nicht mitbekommen, dass sie nachhause gekommen ist.

Schwungvoll geht die Tür auf und meine Mutter sieht zorning auf mich herab. Ich knie auf dem Boden, noch immer im Pyjama und mein Zimmer sieht aus, als sei eine Bombe eingeschlagen.

"Was machst du hier?", fährt sie mich verständnislos an und sieht sich verstört in meinem Chaos um. Als sie den zersplitterten Bilderrahmen sieht, scheint sie zu verstehen.

Die Wut aus ihren Augen verschwindet und ihr liebliches Gesicht wird plötzlich ganz weich. Sie steigt vorsichtig über die Klamotten und Briefe, die auf dem Boden verteilt sind, und hockt sich neben mich.

"Habt ihr euch gestritten?", fragt sie mich einfühlsam und streichelt über meine Wange.

Bestimmt schüttele ich den Kopf und beiße auf meine Unterlippe.

"Sondern?", fragt sie hartnäckig nach und beginnt, ein paar der Shirts aufzuheben und sie sorgfältig auf mein Bett zu legen. Als sie eins von Feros Shirts erwischt, keife ich sie an: "Lass das! Das kann in den Müll." Ich reiße ihr das schwarze Stück Stoff aus der Hand und pfeffere es in die Ecke.

"Habt ihr euch getrennt?", schlussfolgert sie.

Tränen füllen meine Augen.

"Hat er mit dir Schluss gemacht?"

Ich schüttele erneut den Kopf. "Ich habe Schluss gemacht", erkläre ich leise. Meine Mutter wird stutzig. "Wieso? Hat er dich betrogen?"

Ich fahre mir durch meine langen schwarzen Haare. "Weil ich dumm bin, Mama", schreie ich aufgebracht. "Weil ich einfach nur dumm bin, deshalb."

Meine Mutter greift nach meiner Hand und zieht mich hoch, um mich gleich danach auf mein Bett zu schieben. Beruhigend streichelt sie mit ihrer schlanken Hand über meinen Arm.

"Tu mir den Gefallen und fang von vorne an. Ich will das gerne verstehen, aber das kann ich nur, wenn ich dir nicht jeden Wurm einzeln aus der Nase ziehen muss."

"Ich habe Schluss mit Fero gemacht", wiederhole ich und eine Träne rollt mir über die Wange.

"Okay, das habe ich verstanden. Und wieso?"

"Ich habe mich von ihm eingeengt gefühlt, manchmal bevormundet er mich so und ich hatte das Gefühl, ich brauche mehr Freiheit."

Meine Mama zieht die Augenbrauen zusammen und beäugt mich kritisch. "Was genau hat dir denn gefehlt?"

"Keine Ahnung, er ist immer so eifersüchtig und manchmal hab ich das Gefühl, ich verpasse was. Talea lebt immer ihr Leben, hat Spaß und jeden Abend einen anderen Typen und ich bin nur an seiner langen Leine", versuche ich mich zu erklären.

"Na und? Es ist doch schön, immer zu wissen, dass es da jemanden gibt, der auf einen wartet und sich um einen sorgt, viel schöner, als jeden Abend einen anderen im Bett zu haben, der nur seinen Spaß will und dem du als Mensch egal bist. Du weißt, ich war damals auch skeptisch und hatte Vorurteile Ferat gegenüber. Er war auf den ersten Blick einfach nicht der Mann, den ich mir für dich gewünscht habe und ich hatte Angst, dass dir dasselbe mit ihm passiert, wie mir damals mit Ibrahim, aber du weißt auch, dass er mich von sich überzeugt hat und dass ich voll und ganz hinter eurer Beziehung stehe. Wenn ihr euch nicht mehr liebt oder du nicht mehr glücklich bist, dann ist das so, Gefühle kann man nicht beeinflussen, aber entschuldige wenn ich das jetzt so deutlich sage: die Gründe, die du da nennst, sind absoluter Quatsch. Der Junge liebt dich aufrichtig, er ist fast schon verrückt nach dir. Fero ist immer für dich da und hat dir nie auch nur ein Haar gekrümmt, egal was du getan hast. Er trägt dich auf Händen und lässt dir mehr durchgehen, als gut für dich ist und wenn du ehrlich zu dir selbst bist, weißt du das auch. Überleg doch nur mal, er würde ständig feiern gehen, so viel trinken wie du und dann auch noch ständig von anderen Frauen angemacht werden? Du würdest noch mehr durchdrehen als er. Du kriegst doch schon zu viel, wenn ein anderes Mädchen seine Bilder bei Instagram kommentiert."

Dicke Tränen laufen über mein Gesicht. "Das weiß ich jetzt auch", schluchze ich laut. "Ich sag ja ich bin dumm."

"Also bereust du es schon, dass du Schluss gemacht hast?", hakt sie nach.

Ich nicke und greife nach einem der Taschentücher auf meinem Nachttisch.

"Ihr seid beide noch sehr jung, Schatz. Da ist es normal, dass man falsche Entscheidungen trifft, dass man sich mal verrennt und Fehler macht.
Aber dann muss man sich das eingestehen und sich entschuldigen. Rede mit ihm, bevor es zu spät ist. "

"Es ist schon zu spät, Mama", wimmere ich.

"So ein Schwachsinn, wie kommst du darauf?"

"Nachdem ich mich getrennt habe, war ich feiern und ein Typ hat mich einfach geküsst. Feros Freunde haben das mitbekommen und ihm das natürlich direkt gesteckt. Es war nicht irgendjemand, sondern der Typ, der ihn damals bei den Bullen verpfiffen hat, sein Erzfeind sozusagen. Fero ist daraufhin mitten in der Nacht hier aufgetaucht. Seine Freunde haben ihm erzählt, ich hätte mit dem Typen rumgeknutscht, aber das stimmt nicht. Er hat mir das zum Glück irgendwann geglaubt. Am Samstag hat er mich von der Arbeit mit nachhause genommen und wir haben den Nachmittag miteinander verbracht. Es war richtig schön, so als hätte es die Trennung nie gegeben. Abends sind wir uns dann auf einer Party begegnet. Ich hatte zu viel getrunken und .. na ja. Mir ging es halt nicht so gut. Er hat sich um mich gekümmert und mich nachhause gebracht. Er ist dann auch über Nacht hier geblieben, aber heute Morgen hat er mir den Kopf gewaschen und das ganze ist total eskaliert."

"Was hat er denn gesagt?", erkundigt sie sich und legt ihren Kopf schief. Ausmerksam mustert sie mich aus ihren klaren blauen Augen.

"Er hat gesagt, dass es ihn fertig macht, dass ich mit ihm Schluss mache aber ihn nicht gehen lasse und er mit ansehen muss, wie ich mich immer wieder in Gefahr begebe. Dass da miese Leute auf der Party waren, die meinen Zustand mit Sicherheit ausgenutzt hätten, wenn er nicht da gewesen wäre. Er wollte eine endgültige Entscheidung von mir und dass ich das dann auch durchziehe. Also wenn ich dabei bleibe, dass ich Schluss machen will, dann will er auch einen klaren Cut machen und keinen Kontakt mehr zu mir haben, obwohl wir anfangs vereinbart hatten, Freunde zu bleiben."

"Und wieso hast du ihm dann nicht gesagt, dass du es bereust, Schluss gemacht zu haben?"

"Weil ich sauer war! Er hat mich in die Ecke gedrängt, hat mich total zusammengeschissen und so", jammere ich.

"Ja aber Luana, er hat doch Recht!", weist sie mich zurecht und zuckt mit den Schultern. "Kannst du ihn denn gar nicht verstehen? Ich habe dir schon tausendmal gesagt, dass Taleas und dein Alkoholkonsum bedenklich ist. Ich war immer froh, wenn er dabei war, um auf dich aufzupassen. Die Welt ist einfach nicht mehr sicher für junge Mädchen, erstrecht nicht, wenn ihr euch so volllaufen lasst."

Ich senke traurig den Kopf. Ich weiß, dass sowohl Fero als auch meine Mama Recht haben, aber ich war in der Situation einfach überfordert. Übermüdet, verkatert, verunsichert. Als Fero mir die Pistole auf die Brust gesetzt hat, war das einfach eine Kurzschlussreaktion, die ich schon längst wieder bereue.

"Luana, wenn dir noch was an ihm liegt, solltest du ihm das schleunigst sagen, bevor es wirklich kein zurück mehr gibt."

Vier WorteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt