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Die letzten Stunden waren die reinste Qual für mich. Ich bin seit jeher ein ungeduldiger Mensch, ich hasse warten, aber heute war es ganz besonders schlimm.

Ich konnte mich nicht auf die Arbeit konzentrieren, meine Gedanken haben mich zerfressen.

Und jetzt, wo sie endlich hier auf meiner Couch sitzt und mich aus ihren großen rehbraunen Augen ansieht, wird es nicht besser.

Wenn sie mich wirklich verlassen will, dann soll sie es schnell hinter sich bringen. Wie ein Pflaster, das man abreißt. Kurz und schmerzlos.

Sie trägt heute wieder eines dieser nuttigen bauchfreien Tops und auch wenn sie heiß darin aussieht, kriege ich die Krise, wenn ich darüber nachdenke, dass irgendwelche anderen notgeilen Hurensöhne auf ihren nackten Bauch geiern. Ich würde am liebsten jeden einzelnen von denen erschlagen. Ich darf gar nicht darüber nachdenken, dass ich dazu in Zukunft kein Recht mehr habe, sollte sie mich jetzt verlassen.

Allein, wie sie mir zur Begrüßung nur einen schnellen Kuss auf die Wange gedrückt hat, war Bestätigung genug.

"Also, du wolltest mit mir reden?", frage ich sie und bemühe mich, dabei möglichst gefasst zu klingen, obwohl meine Nerven zum zerreißen gespannt sind.

Ich will es jetzt einfach nur hinter mich bringen.

"Ja", antwortet sie und ich habe das Gefühl, dass sie zögert. Was soll das jetzt? Will sie Zeit schinden?

"Dann rede, Luana", erwidere ich harscher als beabsichtigt.

Ich hasse es, das Gefühl zu haben, dass sie mit mir spielt. Ich habe es schon immer irgendwie gehasst, dass sie so eine krasse Wirkung auf mich hat. Niemand sonst hat es je geschafft, mich so zu verletzen wie sie.

"Ferat", beginnt sie.

Ferat.

Okay, es ist ernst.

"Ich habe mir Gedanken gemacht und irgendwie war ich in der letzten Zeit nicht mehr so glücklich in unserer Beziehung. Ich habe mich oft eingeengt gefühlt und irgendwie brauche ich wieder mehr Freiheit."

Sie braucht mehr Freiheit?

Das kann sie doch wohl nicht ernst meinen?

Ich lache heiser auf und balle wütend meine Hände zu Fäusten. Am liebsten würde ich gleich was dazu sagen, aber ich lasse sie erst mal ausreden.

"Weißt du, du bist immer so eifersüchtig und das schränkt mich so oft ein. Ich habe einfach das Gefühl, dass wir zwei vielleicht eine Weile getrennte Wege gehen sollten."

Ich reagiere nicht.

Ihre Worte hallen immer und immer wieder durch meinen Kopf wie ein Echo und wiederholen sich in Endlosschleife.

"Fero?"

Ich sehe sie an, fixiere sie mit meinen vor Wut schwarz funkelnden Augen. Wenn Blicke töten könnten, würde ihr schöner Körper wohl gleich leblos von der Couch kippen.

"Ist das dein Ernst, Luana?", zische ich durch zusammen gebissene Zähne.

Sie sieht mich so unsicher an, dass ich das Gefühl bekomme, sie weiß selbst nicht so ganz, ob das ihr Ernst ist.

"Mädchen, du gehst jedes Wochenende mit deinen Freundinnen feiern, genau so, wie es auch vor mir war, nur dass ich manchmal dabei bin. Glaub mir, es wäre mir lieber, wenn du mit deinem Arsch ganz zu Hause bleibst, aber ich habe dir nie etwas verboten. Ich habe dich nie eingeengt oder dir Vorschriften gemacht, ich habe alle deine Eskapaden ertragen, obwohl es mich jedes Mal angekotzt hat, wenn dein Rock zu kurz oder dein Ausschnitt viel zu tief war, wenn du dich wieder völlig abgeschossen hast oder wenn ich irgendeinem Typen auf die Fressse hauen musste, weil er dir am Arsch geklebt hat. Eigentlich solltest du selber wissen, was sich gehört und was nicht, Lu. Du bist doch kein kleines Kind mehr! Und jetzt setzt du dich hierhin nach fast zwei Jahren und sagst mir, dir fehlt deine Freiheit? Ne, du hast genug Freiheit. Das Einzige was dir fehlt sind andere Schwänze, nachdem du früher jede Woche einen neuen stecken hattest!"

Luana sieht mich aus großen Augen an. Mit so einer Reaktion hat sie wohl nicht gerechnet.

"Du bist ja wohl selbst kein Kind von Traurigkeit gewesen", schießt sie zurück. "Du hast doch selbst alles gefickt, was bei drei nicht auf dem Baum war."

Heiser lache ich auf. "Ja. Vor dir. Und? Wo ist das Problem? Ich habe dich nie betrogen und ich bin nicht derjenige, der jetzt hier sitzt und sagt, er brauche mehr Freiheit. Aber weißt du was? Kannst du haben, deine Freiheit. Nur erwarte nicht, dass du jetzt ein paar Wochen rumhuren kannst und ich dich danach wieder zurück nehme, wenn du merkst, was du an mir hattest. Erwarte nicht, dass ich hier sitze und darauf warte, dass du zurück kommst. Und untersteh' dich, rumzuheulen, wenn ich dann auch andere Weiber bumse."

Ich rede mich in Rage, die Wörter sprudeln nur so aus mir raus, ohne dass ich darüber nachdenke. Ich bin wütend, ich bin verletzt und ich bin fassungslos, dass sie mich jetzt verlässt - und ich will ihr genau so weh tun, wie sie mir weh tut.

Sie will mehr Freiheit. Sowas bescheuertes habe ich ja noch nie gehört.

"Ich hätte gedacht, dass du wenigstens versuchst, mich aufzuhalten", erwidert sie mit brüchiger Stimme und wendet sich von mir ab.

"Reisende soll man nicht aufhalten", gebe ich trocken zurück.

"Ich wollte nicht, dass wir uns streiten. Ich wollte nicht, dass das mit uns so endet", sagt sie traurig.

"Ich wollte nicht, dass das mit uns überhaupt jemals endet", denke ich, aber ich spreche es nicht aus.

Stattdessen frage ich zynisch: "Ach nein, wie hast du dir das Ende unserer Beziehung denn gewünscht?"

Luana kaut auf ihrer Unterlippe herum und denkt einen Moment nach.

"Können wir wenigstens Freunde bleiben?"

Fassungslos starre ich sie an. Das Ganze ist an absurder Situationskomik nicht mehr zu überbieten. Ich suche in ihrem Gesicht nach einem Zeichen. Einem Hinweis, dass das ganze hier ein Scherz ist, aber ich entdecke nicht mal den Hauch eines Lächelns, kein verdächtiges Zucken.

Sie scheint das echt Ernst zu meinen.

"Klar Luana. Ruf mich einfach an, wenn du irgendwas brauchst. Wenn ich dir die Haare halten soll beim Kotzen, wenn ich dann doch mal einen deiner Verehrer wegschaffen soll, weil er dir lästig geworden ist oder wenn du zu lange auf dem Trockenen sitzt, kann ich dich auch mal ausnahmsweise ganz freundschaftlich ficken."

Luana starrt mich schockiert an. Auch wenn sie mich kennt wie sonst niemand anderes und weiß, wie ich manchmal rede, so habe ich ihr gegenüber noch nie zuvor einen solchen Ton angeschlagen.

In ihren Augen liegt pure Enttäuschung und als sie plötzlich verdächtig zu glänzen beginnen, steht sie ruckartig auf. "Du kannst echt so ein Arsch sein", schimpft sie, schnappt ihre Jacke und durchquert das Wohnzimmer.

Sie geht.

Sie geht wirklich und es zerreißt mir das Herz.

Ich will nicht, dass sie geht.

Mit einigen schnellen Schritten gehe ich ihr nach und greife nach ihrer Hand, als sie gerade dabei ist die Wohnungstür aufzureißen.

Sie verharrt in ihrer Bewegung und sieht mich verwundert an.

Ich lasse meinen Blick über ihr schönes Gesicht schweifen, betrachte die vollen rosenholzfarbenen Lippen und bemerke eine kleine Träne, die über ihre Wange rollt.

Lautlos seufze ich.

Ich bin so sauer auf sie, aber trotzdem kann ich sie so nicht gehen lassen.

Ich nehme ihr Gesicht sanft in meine großen Hände, wische ihr mit meinem Daumen die Träne von der Wange und sage leise: "Wir bleiben Freunde, okay?"

Vier WorteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt