13dreizehn

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Fero fährt mich nachhause und noch immer kann ich nicht ganz verstehen, wieso er das tut, aber ich will das auch gar nicht hinterfragen. Es ist viel zu schön, Zeit mit ihm zu verbringen und es fühlt sich an, als hätte es diesen Streit und die Trennung nie gegeben.

Er dreht die Musik laut auf und lässt die Fenster weit herunter. Die warme Sommerluft kitzelt meine Haut und lässt meine Haare um meinen Kopf tanzen. Ohne dass ich es bewusst wahrnehme schleicht sich ein sanftes Lächeln auf meine Lippen. Ich würde mir wünschen, dass Fero einfach weiter fährt, auf die nächste Autobahn und ab ans Meer.

Salzige Luft, sanfte Wellen und nur Fero und ich. Meeresrauschen in den Ohren, Sand unter den nackten Füßen. Seine weichen Lippen auf meinen und seine starken Arme schützend um mich gelegt.

"Woran denkst du?", hakt er plötzlich nach.

Ertappt drehe ich meinen Kopf zu ihm herum. "Was meinst du?", frage ich.

"Na weil du so grinst, meine ich. Woran hast du gerade gedacht?"

"Ans Meer", erzähle ich ihm nur die halbe Wahrheit. "Ich habe mir gerade vorgestellt am Strand zu sein und auf das weite türkise Meer zu schauen."

"Wie im Sommer, hm? Wo wir in der Türkei waren", wirft er in den Raum und hängt für einen Moment ebenfalls seinen Gedanken nach.

Wir haben das ganze Jahr lang jeden Cent gespart und konnten uns dann im Juli eine Reise nach Bodrum leisten. Es war nur eine Woche und es war nur ein kleines billiges Hotel, aber es war mein erster Urlaub und die Zeit mit Fero fernab vom Alltag und allen Sorgen war Balsam für meine Seele.

Wir haben jeden Tag ausgeschlafen, uns die Bäuche mit dem guten Essen vollgeschlagen, sind im klaren Meer geschwommen und haben uns danach wieder von der Sonne trocknen lassen. Wir sind in der kleinen Altstadt bummeln gegangen, haben auf dem Basar Gewürze und Klamotten gekauft und sind an einem Abend zusammen in einer der berühmten Open Air Discos feiern gegangen. Es war ein rundum gelungener Urlaub.

"Das war echt schön", gebe ich zu und mustere ihn von der Seite. Auch auf seinem Gesicht bildet sich ein zartes Lächeln und er streicht sich gedankenverloren durch den dichten Bart.

"Ja, das war es", stimmt er zu und bremst den Wagen an einer roten Ampel ab. Er dreht sich zu mir und sieht mir tief in die Augen. Sein Blick ist so intensiv, dass er mich erschaudern lässt. Er sagt nichts, er regt sich nicht, er sieht mich eine ganze Weile einfach nur an.

Als er dann gerade etwas sagen will, hupt der Wagen hinter uns plötzlich laut.

Fero drückt aufs Gaspedal und fährt schweigend weiter.

Was war das?

Ich würde zu gerne wissen, was er sagen wollte, traue mich aber auch nicht zu fragen.

Als er vor unserem Wohnhaus anhält bin ich fast schon traurig, dass unsere gemeinsame Zeit nun wieder ein jähes Ende findet.

Ich gebe mir einen Ruck und stammele vor mich hin: "Also, ich weiß ja nicht, was du noch vor hast und ich bin schon ziemlich müde, aber wenn du Lust hast könntest du ja noch mit hoch kommen?"

Fero sieht mich prüfend an und denkt kurz nach. "Ich weiß nicht, Luana", zögert er.

"Einfach nur ein bisschen zusammen sein", setze ich hoffnungsvoll nach.

Ruckartig zieht er den Schlüssel ab. "Okay. Aber ich kann nicht so lange bleiben, ich hab später noch was vor."

Mein Herz schlägt ein bisschen schneller und ich lächele ihn glücklich an. "Dann komm."

Fero folgt mir nach oben und betritt hinter mir die Wohnung. Im Flur streift er seine weißen Sneakers von den Füßen und steht einen Moment etwas ratlos da. Er scheint genau wie ich nicht so richtig zu wissen, wie er sich in dieser Situation verhalten soll.

Ich schiebe die Wohnzimmertür auf und lasse mich auf dem Sofa nieder, Fero lässt sich mit etwas Abstand neben mich fallen.

"Hast du "Haus des Geldes" schon weiter geguckt?", frage ich ihn und schalte den Flachbildschirm mit einem Knopfdruck auf die Fernbedienung an.

"Das musst du doch wissen, du schnorrst schließlich Netflix bei mir", gibt er grinsend zurück.

"Ja, aber ich schau mir doch nicht an, was du so guckst", protestiere ich und klicke mich in sein Profil.

"Ich habe nicht ohne dich weiter geschaut", gesteht er. "Ohne deine penetranten Zwischenfragen macht das nur halb so viel Spaß." Auch wenn es ein zynischer Kommentar ist um mich zu ärgern spüre ich, dass ein Hauch Wahrheit in seiner Aussage steckt.

"Ich auch nicht", gebe ich zu und wähle eine Folge aus. Während das Intro über den Fernseher flackert hole ich uns zwei Gläser, eine Flasche Cola und eine Tüte Chips aus der Küche.

Die Situation ist fast normal, schon tausend mal so passiert, doch die angespannte und distanzierte Stimmung zwischen uns ist neu.

Ich setze mich etwas näher zu ihm und lasse mich in die weichen Zierkissen sinken. Fero nimmt eine der dunklen Kuscheldecken von der Sofalehne und breitet sie fürsorglich über uns aus.

Ich werfe ihm einen verstohlenen Blick zu, während er auf die Serie konzentriert zu sein scheint. Ich würde mich so gerne auf seinen Schoß legen, mich an ihn kuscheln und seine Nähe genießen. Fero hat die schlechte Angewohnheit immer in meinen Haaren rumzufummeln und auch wenn es mich normalerweise immer zur Weißglut treibt, da er mir damit jede Frisur ruiniert, fehlt mir gerade sogar das.

"Was ist los?", hakt er irgendwann nach und dreht sich zu mir. "Hm?", erwidere ich fragend. "Wieso sitzt du da so steif?"

"Keine Ahnung, ich will mich am liebsten hinlegen", murmel ich.

Ferat greift nach meinem Arm und zieht mich an sich. Sanft drückt er meinen Kopf auf seine Oberschenkel und legt seinen Arm schützend über mich.

Ich atme seinen vertrauten Geruch ein und genieße die Wärme, die er ausstrahlt. Je länger ich so bei ihm liege, desto ruhiger werde ich. Ich denke noch darüber nach, was für eine angenehme Wirkung seine bloße Anwesenheit auf mich hat, als meine Augen immer schwerer werden.

Vier WorteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt