8acht

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"Alter, bist du dumm?", knurre ich verschlafen ins Telefon. Khaled hat mich so penetrant mit Anrufen bombardiert, dass ich trotz meines festen Schlafes dadurch wach geworden bin.

"Sorry, Bruder, aber es ist echt ernst", sagt er verbissen.

Ich bin augenblicklich hellwach und richte mich alarmiert im Bett auf.

"Was ist los?", frage ich beunruhigt.

Bestimmt hatten die Jungs Stress in der Disco. Sie hatten schon einen guten Pegel, als wir zusammen in der Shishabar saßen, und werden seitdem bestimmt noch ordentlich weiter getrunken haben - und der Alkohol macht die meisten von uns aufbrausend und aggressiv, sodass es nicht das erste Mal wäre, dass es zu einer handfesten Auseinandersetzung kommt.

"Wir haben gerade Luana getroffen", eröffnet mein Freund mir.

"Hast du schon Halluzinationen?", verspotte ich ihn. "Die ist schon längst im Bett."

"Ne, Bro, die ist im Velvet und hat sich gerade Nader an den Hals geschmissen", erwidert Khaled wütend.

"Verarsch mich nicht", fahre ich ihn an. "Sowas ist nicht lustig."

Luana lag doch schon im Bett, ich habe es mit meinen eigenen Augen gesehen.

"Bruder, wallah, mit sowas würde ich dich nie verarschen. Die saßen zusammen im Velvet in der Raucher-Lounge und haben rumgemacht."

Meine Ohren beginnen zu rauschen. Das Blut in meinen Adern kocht. Keine vierundzwanzig Stunden und Luana macht mit nem andern Typen rum - und dann auch noch ausgerechnet mit meinem Erzfeind? Das kann doch nicht wahr sein.

Wieso tut sie mir das an?

"Fero?", holt mich Khaleds Stimme aus den Gedanken.

Nader weiß genau, dass Luana meine Freundin ist. Er hatte damals schon ein Auge auf sie geworfen, aber ich bin ihm zuvor gekommen.

"Ist der Hurensohn noch da?", knurre ich in mein iPhone.

"Luana ist auf jeden Fall abgehauen, nachdem wir die beiden erwischt haben, aber ich glaube Nader ist wieder in den Club gegangen."

"Okay", antworte ich entschlossen, schlage die Bettdecke nach hinten und steige aus dem Bett.

"Was hast du vor?", erkundigt sich Khaled beunruhigt.

"Bis gleich", antworte ich nur und lege auf.

Ich schlüpfe in meinen schwarz-roten Jogginganzug von Nike, die Sweatshirtjacke offen über meinem weißen Shirt und setze mir eine Snapback auf die verwuschelten schwarzen Haare.

Dann schnappe ich mir meinen Schlüsselbund und jogge schnell die Treppen runter. Ich habe keine Nerven, jetzt auf den Aufzug zu warten, obwohl ich normalerweise viel zu faul bin um zu laufen.

Der Motor meines schwarzen 3er BMWs heult leise auf, bevor ich angespannt aufs Gaspedal trete.

Am Velvet angekommen hole ich einmal tief Luft und probiere, mich wenigstens ein bisschen runter zu fahren. Dann laufe ich zielstrebig auf einen der schwarz gekleideten Türsteher zu und begrüße ihn mit einem Handschlag. Der groß gewachsene, breit gebaute Mann mustert mein Outfit kritisch und fragt: "Cappy kann ich gerade noch verzeihen, aber Jogginghose? Geht nicht, Bruder, weißt du doch."

Ich lege meine Hand beschwichtigend auf seine Schulter und sehe ihm eindringlich in die Augen. "Ich muss nur kurz rein, gib mir zehn Minuten okay? Dann hau ich ab."

Der Securitymann beäugt mich skeptisch und hakt nach: "Was willst du denn so dringend da drinnen? Du willst doch wohl keinen Stress machen, oder?"

"Ne man, ich muss nur meinem Kumpel eben seinen Schlüssel bringen", lüge ich ihn an und klopfe ihm schnell auf die Schulter. "Danke Bro", rufe ich und drücke mich an ihm vorbei in das Innere des Clubs, ehe er mich davon abhalten kann.

Mein Herz beginnt zu rasen und ich sehe mich hektisch um. Ich entdecke Luanas verhurte Freundin Talea in den Armen eines wildfremden Typen und auch Berry, die gelangweilt ihre Cola am Rand der Tanzfläche trinkt, bis meine Augen Khaled und Bilal erblicken.

Ich bahne mir einen Weg durch die verschwitzte Menge zu den beiden und begrüße sie mit Handschlag.

"Wo ist er?", falle ich atemlos mit der Tür ins Haus.

"Draußen", antwortet Bilal, woraufhin Khaled ihm einen vernichtenden Blick zuwirft.

Perfekt. Dort ist es leerer, ergo weniger Augen sind auf uns gerichtet.

"Bruder, lass das lieber, du weißt der singt wie ein Vögelchen bei den Bullen und du bist doch auf Bewährung", versucht Khaled mich zu beschwichtigen, aber seine Worte prallen an mir ab wie Kugeln an einer schusssicheren Weste.

Ohne ein weiteres Wort laufe ich nach draußen und entdecke Nader zusammen mit seinem besten Freund Recan auf einem der dunklen Außensofas.

Zielstrebig laufe ich auf ihn zu und packe ihn wortlos am Kragen seines weißen Hemdes.

"Du weißt genau, dass sie mein Mädchen ist", knurre ich bedrohlich und reiße an dem verstärkten Stoff.

"Hat sich nicht so angefühlt, als sie mir ihre Zunge in den Hals gesteckt hat. Ich bin mir sicher, ich hätte sie auch heute noch ficken können, wenn deine beiden Schoßhündchen uns nicht unterbrochen hätten", gibt er grinsend zurück.

Und dann sehe ich rot.

Das Adrenalin schießt durch meinen Körper, mein Hirn setzt aus und mein Herz schlägt rasend schnell gegen meine Brust.

Ich hole aus und schlage ihm mit der geballten Faust ins Gesicht, wieder und wieder.

Ich will ihm sein ekelerregendes Lächeln von den Lippen schlagen.

Jenen Lippen, die Luanas berührt haben.

Meine Luana.

Die Wut in mir wächst ins Unermessliche.

Blut tropft auf sein weißes Hemd, beschmiert meine Hand und seine Brust.

Seine Nase knackt, im Hintergrund dringt weit entferntes Geschrei in mein Ohr, doch ich schlage weiter auf ihn ein, wie von Sinnen, bis mich jemand mit aller Gewalt von ihm wegreißt.

Ich werfe einen letzten abschätzigen Blick auf Nader. Aus seiner Nase und einem beachtlichen Cut über seiner Augenbraue strömt hellrotes Blut über sein Gesicht und tropft in Rinnsälen auf sein weißes Hemd, das mittlerweile aussieht wie gebatikt.

Sein Auge ist schon jetzt zugeschwollen und auch seine Lippe sieht merkwürdig deformiert aus.

Das Lächeln ist verschwunden.

Bilal, der mich von ihm weggerissen hat, greift wütend nach meinem Arm. "Komm", knurrt er und schiebt mich durch das Innere des Clubs zum Parkplatz.

"Bist du verrückt geworden?", fährt er mich an, als er sich auf den ledernen Beifahrersitz fallen lässt. "Hast du die nächsten Jahre nichts besseres geplant als für Totschlag einzufahren, oder was?"

Ich schmeiße die Autotür zu und lasse den Motor an. Khaled nimmt indessen auf der Rückbank Platz.

Ich kann noch immer nicht fassen, dass sie mir das angetan hat.

"So eine Hure", flüstere ich leise. "Die wird jetzt sehen, was sie davon hat."

Vier WorteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt