Ferat lässt mich stehen und stürmt aufgebracht nach draußen in den Garten. Ungläubig starre ich ihm einen Moment lang nach und versuche zu realisieren, was hier gerade passiert ist, als sich plötzlich Talea in mein Sichtfeld schiebt.
"Was ist los?", erkundigt sie sich und sieht mich besorgt an. "Nix", weise ich sie ab.
"Ist klar", antwortet sie zynisch. "Haben wir alle mitbekommen, dass nix ist."
Als ich nicht antworte, fährt sie fort: "Wieso streitet ihr überhaupt noch? Ihr habt euch doch getrennt. Ende, aus,
Ciao Kakao."Genervt verdrehe ich die Augen. "Nicht jetzt, Talea, okay?"
"Find ich eh besser, wenn wir das Thema beenden. Lass uns lieber noch was trinken", schlägt sie vor und drückt mir einen vollen Becher in die Hand.
Ich exe die gelbliche Flüssigkeit in einem Zug und gebe ihr den Becher zurück. "Das war ausnahmsweise mal eine gute Idee von dir."
"Ich habe sogar noch eine viel bessere Idee", erklärt sie grinsend und zieht einen Joint aus ihrer kleinen Handtasche. "Hab ich gerade jemandem abgezogen", verkündet sie stolz.
Ich kiffe eigentlich nicht. Ich habe es ein, zwei Mal probiert, aber es ist nicht meins. Gras ist eher Feros Ding.
Talea entzündet den Joint mit ihrem pinken Feuerzeug und inhaliert den süßen Qualm. Sie nimmt ein paar Züge und gibt ihn dann an mich weiter.
Ich zögere kurz. Ich weiß, dass Gras und Alkohol keine gute Kombination sind, vor allem nicht dann, wenn man wie ich sonst nie kifft, aber ich bin so betrunken, dass die Alarmglocken in meinem Kopf nicht schrillen.
Langsam nehme ich den Joint an mich, drehe ihn kurz zwischen Daumen und Zeigefinger hin und her, bis ich daran ziehe und den weißlichen Qualm in die Luft puste.
Ich wiederhole das noch drei oder vier Mal, bevor ich den Joint an meine beste Freundin zurück gebe.
Irgendein Mädchen, das Talea offenbar kennt, kommt zu uns und drückt ihr einen neuen Becher in die Hand und zieht im Ausgleich auch mal an dem Joint.
Ich nehme wiederum meiner Freundin den Becher aus der Hand und trinke einen großen Schluck.
Irgendwie muss ja diese Leere in mir zu füllen sein und Alkohol war schon so oft die Snooze-Taste für meine Gefühle.
Talea tauscht wieder mit mir, sodass sie nun die Mischung aus dem Becher, dem ekelhaften Geschmack nach zu urteilen irgendwas mit Jägermeister, trinkt, und ich nochmal ein paar Züge von dem Joint nehme.
Mein Magen gluckert und kleine schwarze Pünktchen tanzen vor meinen Augen. Mir wird schlagartig heiß und wahnsinnig übel.
Haltsuchend stütze ich mich am Türrahmen der Terassentür ab und schließe kurz die Augen.
Meine Ohren beginnen zu Rauschen.
Hier drinnen ist es so warm und stickig, dass mir urplötzlich schwindelig wird. Ich muss dringend an die frische Luft. Ich taumele nach draußen und fülle meine Lungen mit der kalten klaren Nachtluft.
Speichel sammelt sich in meinem Mund und mein Magen zieht sich schmerzhaft zusammen.
Ich streife die Highheels von meinen Füßen, aus Angst, mir gleich die Beine zu brechen, so sehr wie ich schwanke. Das kalte feuchte Gras berührt meine Fußsohlen. Wenige Meter entfernt ist eine kleine Mauer. Ich halte auf sie zu, will mich dort hinsetzen, doch so weit komme ich nicht.
Ich muss würgen und schaffe es noch gerade so zu einem der Rhododendronbüsche, in den ich qualvoll meinen Mageninhalt erbreche.
Neben mir taucht jemand auf, nimmt meine langen Haare im Nacken zusammen, sodass sie mir nicht mehr im Gesicht hängen und streichelt beruhigend über meinen Rücken.
Erneut muss ich würgen und spucke ein zweites Mal zwischen die pinken Blumen. Erst nach dem dritten Mal fühlt sich mein Magen endlich erleichtert an und die fürchterlichen Krämpfe hören auf. Ich schaffe es mich ein bisschen aufzurichten und blicke geradewegs in Feros schwarze, ausdruckslose Augen. Er schiebt mich ein Stück von meinem Erbrochenen weg und setzt mich auf die niedrige Granitmauer, als Talea aus der Dunkelheit neben Fero tritt. "Was ist los, Süße?", fragt sie besorgt.
"Sie hat gekotzt, siehst du doch, oder?", fährt er sie genervt an. "Oh nein. Meinst du, du hast das Gras nicht vertragen?", säuselt sie.
"Welches Gras?", fragt Fero die Blondine entgeistert. "Ach, ich habe da vorhin irgendeinem Typen einen Joint stibizt, den haben wir uns gerade geteilt", erklärt sie ihm bereitwillig.
Fero wendet sich von mir ab, läuft zwei Schritte auf meine Freundin zu und baut sich bedrohlich vor ihr auf. "Bist du eigentlich nur blöd, Talea? Du kannst doch nicht einfach irgendein Zeug von nem Typen rauchen, den du nicht mal kennst? Du weißt doch gar nicht was das für 'ne gestreckte Scheiße ist, geschweige denn, ob das überhaupt Gras oder Hasch ist?"
"Bleib mal locker", entgegnet sie lässig. "Wir werden schon nicht sterben."
Ferat hebt seinen Zeigefinger und deutet auf sie. "Es ist mir scheiß egal, ob du stirbst, wallah, aber hör auf Luana in deine Scheiße mit reinzuziehen, hast du mich verstanden?"
"Sie kann das ja wohl für sich selbst entscheiden", antwortet sie überlegen und grinst ihn schief an.
"Siehst du doch, dass sie es nicht kann!", schreit er sie an. "Und du als ihre angeblich beste Freundin solltest eigentlich merken, dass es ihr nicht gut geht, wenn sie sich schon völlig abschießt und sie nicht noch mit Drogen vollpumpen, aber lass mich raten: darüber hast du in deinem Spatzenhirn nicht nachgedacht, was?"
Talea wird plötzlich ziemlich kleinlaut und das Lachen erstirbt in ihrem Gesicht. Offenbar hat Fero einen wunden Punkt bei ihr getroffen.
"Gib mir ihre Schuhe, ich fahre sie jetzt nachhause, und wenn ich sie dafür an den Sitz fesseln muss", bestimmt er.
Talea läuft sofort ein paar Schritte zurück und hebt meine Highheels von der Wiese auf. Derzeit schiebt Ferat eine Hand unter meine Knie und eine unter meine Schulterblätter und hebt mich mühelos hoch. Talea reicht mir meine Schuhe, die ich fest vor meinem Bauch umklammere und wirft mir einen schuldbewussten letzten Blick zu.
Ich mache mich schon auf einen Walk of Shame quer durch das Wohnzimmer gefasst, doch zum Glück sieht Fero davon ab und trägt mich fernab der neugierigen Blicke durch das Gartentor zu seinem Auto.
"Fero?", flüstere ich leise. Er hält kurz inne und sieht mich an. "Was ist, willst du noch Party machen?", fährt er mich an. Zaghaft schüttele ich den Kopf. "Danke."
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Vier Worte
ChickLit"Wir müssen dringend reden." Diese vier Worte bedeuten nie was Gutes. "Ich brauche mehr Freiheit." Vier Worte, tausend Gedanken. Das Ende der Beziehung von Luana und Fero - aber erst der Beginn dieser Geschichte. _________________________________ ...