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Ich bin gerade eingeschlafen, als mich die Türklingel aus dem Schlaf reißt. Irgendjemand schellt Sturm und hat mich damit aus meinem unruhigen Schlaf geweckt.

Ängstlich werfe ich einen Blick aus dem Fenster meines Zimmer. Das ist keine Gegend, in der man nachts einem unangekündigten Besucher einfach so die Tür öffnen sollte.

Als ich jedoch Feros Auto auf dem gegenüberliegenden Bürgersteig entdecke, weiß ich nicht, ob das in diesem Moment für mich besser oder schlechter als ein fremder Serienkiller ist. Er weiß mit Sicherheit schon Bescheid, was sich gerade im Velvet abgespielt hat.

Es schellt wieder und wieder. Mit unsicheren Schritten laufe ich zur Wohnungstür und betätige den Sprechknopf. "Hallo?", frage ich leise.

"Luana, mach die Tür auf", knurrt Fero wütend.

Das klingt gar nicht gut.

Mit zitternden Fingern drücke ich den Türöffner und höre kurz darauf seine schweren Schritte die Treppe hochpoltern. Die armen Nachbarn.

Zaghaft schiebe ich die Wohnungstür auf und zupfe nervös meine kurze Schlafshorts zurecht.

Fero schiebt mich unsanft in die Wohnung und baut sich vor mir auf. Seine Hände sind blutverschmiert und auch sein T-Shirt zieren zahlreiche Blutspritzer. Erschrocken schaue ich ihn an.

Fero nimmt mein Gesicht grob in seine Hände und brüllt: "Willst du mich eigentlich verarschen, Luana? Hast du es so nötig?"

"Was meinst du?", frage ich ihn und versuche ruhig zu bleiben.

"Nader", sagt er nur und sieht mir bedrohlich in die Augen.

"Ferat, bitte hör mir zu", fange ich an und greife nach seiner anderen Hand, doch er reißt sie wütend weg.

"Fass mich nicht an du Schlampe", keift er.

Meine Augen weiten sich. Das hat er jetzt nicht wirklich gesagt?

"Scheiße, dass meine Jungs dich inflagranti erwischt haben, wa? Sonst hättest du dich wohl genau so von dem Hurensohn mitnehmen lassen wie von mir damals, oder?"

Tränen steigen mir in die Augen und ich mache mich aus seinem Griff los.

"Übertreib es nicht", zische ich. "Ich habe nichts gemacht, hörst du? Ich habe kurz mit ihm geredet und dann hat er mich einfach geküsst. Haben deine Freunde denn nicht gesehen, dass ich mich sofort von ihm los gemacht habe?"

Fero schnauft verächtlich. "Ne, die haben nur gesehen, dass du dich ihm an den Hals geschmissen hast und er hat gesagt, dass er dich heute noch gefickt hätte, wenn Bilal und Khaled nicht dazwischen gekommen wären", spuckt er mir entgegen.

"Das stimmt nicht, Ferat, ich schwöre es dir, das stimmt nicht. Das hat er nur gesagt, um dir eins reinzuwürgen."

"Wenn du weißt, dass er mich hasst, wieso hast du dann mitgemacht? Wolltest du mir etwa auch eins reinwürgen, Luana? Alter, jeder weiß, dass du zu mir gehörst und du machst da einfach mitten in unserer Stammdisco ein paar Stunden nach unserer Trennung mit einem anderen Typen rum? Du hast meine ganze Ehre beschmutzt", flucht er.

Nun laufen mir dicke Tränen über die Wangen. "Ich wusste nicht wer er ist, bis Khaled mich aufgeklärt hat", rechtfertige ich mich. "Ich habe nicht mit ihm rumgemacht, bitte Fero, das musst du mir glauben. Ich könnte es doch zugeben, wir sind eh nicht mehr zusammen, aber es war nicht so. Er hat mich gegen meinen Willen und ohne Vorankündigung geküsst. Bestimmt hat er Khaled und Bilal schon vor mir gesehen und das extra gemacht, um Streit zwischen uns zu stiften."

Ich merke, dass er über meine Worte nachdenkt.

"Ich meine es ernst. Ich wäre gar nicht bereit gewesen schon mit einem anderem rumzumachen", gebe ich zu, obwohl es mich Überwindung kostet, aber ich will auf keinen Fall, dass er so von mir denkt.

"Du wolltest doch mehr Freiheit", erwidert er nun bedeutend ruhiger.

"Ja, aber.. Ach egal", schluchze ich.

"Ne, sag mal", fordert er mich auf und vergräbt seine Hände in den Hosentaschen seines schwarzen Joggers.

"Ne, will ich nicht", schmolle ich. Ich will nicht zugeben, dass die Trennung ein Fehler war und dass ich jetzt, wo ich könnte, gar keine Lust auf andere Kerle haben.

Fero verdreht genervt seine schönen dunklen Augen.

"Ich gehe jetzt wieder", teilt er mir mit, nachdem wir uns einen Augenblick lang nur angeschwiegen haben.

"Bitte geh nicht", flüstere ich mit Tränen in den Augen.

"Wieso? Du willst doch eh nicht mit mir reden", entgegnet er stur und fixiert mich mit einem prüfenden Blick.

"Vielleicht müssen wir ja auch nicht reden", gebe ich zu bedenken und merke selbst, wie eindeutig zweideutig das klingt. "Ich will einfach noch ein bisschen mit dir sein", schiebe ich nach.

"Ich bin kein Boomerang, Luana", stellt er fest. "Du kannst mich nicht wegwerfen und zurück holen, wie es dir passt. Du kennst meine Einstellung: Ganz oder gar nicht. Und außerdem warten Khaled und Bilal unten im Auto auf mich."

Ich ziehe einen Schmollmund und schenke ihm einen tiefen Blick. "Du könntest die auch eben nachhause bringen und dann wiederkommen", entkräfte ich sein Argument und gehe zwei kleine Schritte auf ihn zu.

Ich lege den Kopf schief und schaue ihn abwartend an. Er scheint mit sich und seinen Prinzipien zu hadern.

"Bitte", flüstere ich.

Sein Blick ruht auf meinen vollen Lippen.

"Gib mir einen guten Grund", erwidert er, ohne seine Augen von meinem Mund zu lösen.

Ich betrachte sein markantes Gesicht, die schönen geschwungenen Augebrauen, die gerade Nase, die dichten Wimpern und den dunklen dichten Bart. Er sieht aus wie gemalt.

"Weil ich dich brauche", gebe ich zu, auch wenn es einem Schuldeingeständnis gleicht.

"Bisschen spät für diese Einsicht", erteilt er mir eine Abfuhr. "Komm mal klar und überlege dir was du willst, Luana. Ich bin nicht dein Spielzeug."

Dann lässt er mich stehen und verlässt die Wohnung so schnell wieder, wie er sie vor wenigen Minuten betreten hat.

Vier WorteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt