18achtzehn

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Ich setze Luana auf das schwarze Leder des Beifahrersitzes und schnalle sie an. Dann umrunde ich meinen dunklen BMW und lasse mich hinters Lenkrad fallen.

Ich starte den Motor und drehe das laut aufplärrende Radio leise. Ich habe jetzt wirklich keine Lust auf Musik.

Ich bin wütend, unendlich wütend auf Luana, auf ihre dumme Entscheidung sich zu trennen, auf ihr leichtsinniges Benehmen und auf ihre bescheuerte Freundin. Ich habe ihr schon immer gesagt, dass Talea ein schlechter Umgang für sie ist, doch sie hat meine Ängste immer abgeschmettert, aber heute wurde mein Bild von Talea nur einmal mehr bestätigt.

Luana sitzt stillschweigend neben mir und ihr laufen stumm einige Tränen über die Wangen, die im sanften Mondschein glitzern, doch ich ignoriere es.

Irgendwann beugt sie sich über die Mittelkonsole und umklammert meinen Arm. Meine rechte Hand ruht auf dem Schalthebel und ich bin versucht, meinen Arm einfach wegzureißen, so wie sie es bei mir vorhin getan hat, aber ich tue es nicht.

So sauer ich auch auf sie bin, sie weckt mein Mitleid und meinen Beschützerinstinkt. Ich spüre, dass es ihr schlecht geht und dass sie mich braucht.

Die ganze Zeit liegt es mir auf der Zunge, sie zusammen zu stauchen und meinen Zorn an ihr abzuladen, aber ich schlucke die vielen Gedanken, die in mir wie wüten, tapfer herunter. Doch sobald Luana wieder nüchtern und bei halbwegs klarem Verstand ist, kann sie sich auf eine Standpauke von mir gefasst machen. Zum einen wegen ihrem gefährlichen Verhalten und zum anderen wegen ihrer Jojo-Spielchen, die sie nun seit Tagen mit mir betreibt.

Luanas Kopf ruht bewegungslos an meinem Oberarm, ihre dünnen Arme um den meinen geschlungen.

Ich fahre durch die Nacht, betrachte, wie sich die Laternen auf der regennassen Fahrbahn spiegeln und hänge meinen Gedanken nach, bevor ich vor ihrem Haus parke.

Ich ziehe den Autoschlüssel ab und löse meinen Arm von ihr. Dann steige ich aus, öffne ihr die Tür und greife nach ihrer Hand. Ich helfe ihr aus dem Wagen und befehle ihr dann: "Gib mir deinen Schlüssel, ich bringe dich hoch."

Oben angekommen stelle ich ihre Schuhe in den Flur und schiebe sie sanft ins Badezimmer. Ich helfe ihr sich auszuziehen und setze sie in die Badewanne. Sie wäscht sich und entfernt ihr verschmiertes Makeup, während ich ihr aus der kleinen weißen Malm-Kommode in ihrem Zimmer einen Pyjama hole. Ich reiche ihr ein Handtuch und gebe ihr nach dem Abtrocknen ihren Schlafanzug.

Ich drehe mich bewusst von ihr weg. Ich weiß nicht, was das mit mir macht, wenn ich sie jetzt noch nackt sehe.

Die ganze Zeit über reden wir kaum ein Wort miteinander, sie schaut mir nicht mal richtig in die Augen. Sie scheint sich echt zu schämen. Zurecht.

Ich folge ihr in ihr Zimmer, wo sie sich gleich in ihr Bett legt. Ob sie morgen noch weiß, was in dieser Nacht geschehen ist?

Ich streiche ihr die nassen Haarsträhnen aus dem Gesicht und betrachte sie einen Moment lang. Sie liegt dort, in dem großen rosanen Kissen, ihr Gesicht ist kreidebleich und die großen Augen von dunklen Rändern untermalt.

"Du musst damit aufhören, Lu", sage ich leise. "All die Parties, die Typen, ständig Alk, jetzt noch Drogen. Du machst mich damit kaputt, aber du machst dich auch selbst kaputt, und das ist noch viel schlimmer."

Ganz lassen kann ich es dann doch nicht.

"Ich weiß", gibt sie zu. "Aber mein Herz tut so weh seit du weg bist."

Ich seufze leise. Würde sie das doch nur ernst meinen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es der Alkohol ist, der da aus ihr spricht.

"Du wirst dich daran gewöhnen", gebe ich zurück und versuche gefasst zu wirken, obwohl es mich mehr mitnimmt, als ich zugeben will.

Als sie dann jedoch wieder anfängt zu weinen bröckelt meine Fassade. Ich nehme ihr Gesicht in meine Hände und sehe ihr tief in die Augen. "Ich bin doch gar nicht weg, ich bin doch hier", versuche ich sie zu beruhigen.

"Aber du gehst gleich wieder", schluchzt sie und sieht mich aus ihren großen runden Bambi-Augen an.

"Wenn du willst bleibe ich hier", sage ich schneller als ich denken kann.

Ich verfluche mich selbst im gleichen Moment dafür. Wieso gehe ich nach allem was sie getan hat immer noch einen Schritt auf sie zu?

"Bitte bleib", flüstert Luana und greift nach meiner Hand. Ich verschränke meine Finger mit ihren und sehe sie eindringlich an.

"Weißt du eigentlich selbst noch, was du willst?" Es ist keine ernstgemeinte Frage, maximal eine rhetorische. Sie rutscht mir nur so raus, ohne dass ich es will und deshalb wundert es mich nicht, dass Luana sie nicht beantwortet, sondern sie offen im Raum stehen lässt.

Stattdessen rutscht sie langsam auf die andere Seite der Matratze und deutet auf den frei gewordenen Platz neben sich. "Leg dich zu mir."

Es ist kein Befehl, eher eine zaghafte Bitte. Ich hadere noch einmal mit mir, überlege mein Angebot doch wieder zurückzuziehen, aber ich tue es nicht. Stattdessen ziehe ich mir meine Hemdjacke und die Jeans aus und hänge sie über ihren rosanen Samtstuhl. Dann lege ich mich in Boxershorts und T-Shirt neben sie auf die weiche Matratze.

Wieder umklammert Luana meinen Arm wie ein Äffchen, bis ich ihn sanft von ihr löse und ihn stattdessen unter ihrem Nacken durchschiebe. Ich lege meine Hand an ihren Rücken und schiebe sie ein bisschen an mich heran. Luana dreht sich zu mir und legt ihren schlanken Arm quer über meinen Bauch.

Ihre Berührungen fühlen sich gut an, so wahnsinnig vertraut, ein bisschen wie nachhause kommen. Zärtlich streichel ich über ihren Rücken und lehne meinen Kopf leicht gegen den ihren.

Sie drückt sich schutzsuchend an mich, fast so, als wolle sie in mich reinkrabbeln und ich muss schmunzeln. So tough sie auch sein mag, ich liebe ihre verletzliche Seite und trotzdem will ich sie nie mehr so wie heute sehen.

"Fero?", ertönt ihre sanfte Stimme leise und sie hebt den Kopf. Ich schaue sie fragend an. Sie schiebt sich ein Stückchen hoch, mir noch etwas näher entgegen und legt ihre kleine Hand vorsichtig an meine Wange.

Einen Moment lang schauen wir uns nur tief in die Augen, schweigend, bis sie die letzte Distanz zwischen uns überwindet und ihre vollen Lippen langsam auf die meinen drückt.

Den ganzen Tag über habe ich den Impuls sie zu küssen unterdrückt, habe mich dagegen gewehrt, selbst vorhin auf der Party noch, als sie mich explizit darum gebeten hat, doch jetzt kann auch ich nicht mehr widerstehen.

Resigniert vergrabe ich meine tätowierte Hand in ihren vollen schwarzen Haaren, drücke sie ein wenig näher zu mir und erwidere ihren Kuss sehnsüchtig.

Vier WorteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt