Es sind vielleicht zwei, drei Tage vergangen. Obwohl, es hätten auch Wochen sein können. Jimin hat sein Zeitgefühl völlig verloren. Er weiß nur, dass er jeden Morgen mit dem schrillen Läuten der kleinen Hofkapelle aufstehen muss, seinen Küchendienst beginnt und er sich bei tiefster Finsternis über den eingeschneiten Hof zurückschleicht, in sein Zimmer, auf seine Schlafmatte fällt und schläft.
Den grauen Wolf hat er in all der Zeit nie wieder gesehen. Bedienstete und alle von Rang leben hier in zwei parallelen Welten aneinander vorbei. Lange hat Jimin darüber nachgedacht sich nochmal in den Westflügel zu schleichen, den Wolf zu suchen und sich zu bedanken. Immer und immer wieder wandern seine Gedanken unkontrollierbar, zu dem Moment zurück, an dem Jimin seine blutverklebte Hand aus dem zottigen Fell, des Wolfes gezogen hat. Er fragt sich, ob es ihm gut geht. Ob sich jemand um seine Wunden kümmert? Doch genau in dem Moment, wo er vor Sorge ein schlechtes Gewissen bekommt, setzt seine Wut und sein Hass ein. Dieser Wolf kann ihm so egal sein! Soll er doch sterben! Immerhin hat er ihn hier her gebracht, ihn von Tae getrennt, den Jimin mit jeder Stunde mehr vermisst.
Auf dem Hof herrscht schon reges Treiben, über Nacht hat es wieder geschneit. Doch die zwanzig Zentimeter Neuschnee sind direkt schmutzig getreten, unter den Füßen unzähliger Bediensteten, die in allen möglichen Richtungen über den Hof hasten. Die Sonne ist noch nicht aufgegangen. Durch das kleine Fenster, kann Jimin nur das pale blaugrau des Himmels erkennen. Der eisige Nordwind trägt, an diesem Morgen, ausnahmsweise mal keine neuen Schneeflocken mit sich. Es riecht nach Winter.
Müde reibt sich der Omega über die Augen. Auch wenn er gestern nach dem Küchendienst direkt eingeschlafen ist, fühlt er sich, als hätte er keine Stunde geschlafen. Langsam richtet er sich auf. Jisoo hat sich, wie eine Schnecke, tief in ein Decken-Haus gewickelt.
"Warum sind alle schon wach?", murmelt Jimin leise und wendet, als er keine Antwort bekommt, seinen Kopf langsam in Richtung Jisoo. Die ungefähr dreißig anderen Schlafmatten im Raum sind leer. Decken und Kopfkissen ordentlich zusammen gefaltet und weggelegt. Kurz jagt Panik durch Jimins müde Glieder und macht ihn hellwach. Haben Sie verschlafen? Doch ehe er Jisoo wachrütteln kann, um zu fragen was los ist. Hört er das beängstigende Knarren der Stufen, jemand kommt langsam die Treppe hoch gestampft.
Als Jimin den Blick zu der Schiebetür, aus dünnem Stoff wendet, starren ihn schon die altbekannt strengen grauen Augen der obersten Hofdame an. Obwohl, heute wirken sie noch etwas abschätziger als gestern. „Ich habe euch nicht zum Schlafen eingestellt." Ihre Stimme ist nur ein tonloses Zischen, doch der Effekt ist der gleiche. "In fünf Minuten unten in der Küche oder ich lassen euch beide auspeitschen!" zischt sie heiser weiter. Jimins Herz macht einen Sprung nach vorne. Und sofort sitzt er kerzengerade auf seiner Matte. Jisoo hat den Kopf aus ihrem Deckenberg gestreckt und blinzelt ungläubig an die Stelle, wo gerade eben noch der Kopf der Betadame gewesen ist. "Verdammt wie spät ist es?" murmelt sie hastig, während sie sich aus ihren Decken pellt.
Keine Fünf Minuten später stehen die beiden in der Küche. Auch wenn Jisoos Augen vor Müdigkeit jede Sekunde zufallen, während sie langsam in einer Gemüsesuppe rührt und Jimin immer wieder herzhaft gähnt, während er gewissenhaft seinen Schnittlauch schneidet.
„Wofür kochen wir Suppe? Wer isst Gemüsesuppe zum Frühstück?", murmelt ein junges Betamädchen. Jimin hebt den Kopf und mustert sie, mittlerweile kann er die einzelnen Ränge am Geruch erkennen. Die Hände, des vielleicht zehnjährigen Mädchen, sind rot vor Kälte, als sie das neue Feuerholt achtlos in den Holzkorb fallen lässt. Ihre Schlüsselbeine stehen ungesund markant ab und ihr abgemagertes Gesicht schiebt sich gierig über den Suppentopf. Doch dann schluckt sie ihren Hunger runter und seufzt, während sie sich die kleinen Rindenstücke von den Händen klopft.
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Forced Fate
Fanfiction"Aber das ist purer Wahnsinn!" Die Augen des Wolfes geweitet vor Angst. "Alpha, sie können nicht alle töten!" "Ich kann. Ich will und ich werde." erwiedert Yoongis emotionslos, mit Augen, rubinrot vor Hass. ~~~ Der Krieg zwischen den beiden ältste...