Fortune teller

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Es ist eiskalt in dem Zelt, als Tae aus seinem traumlosen Schlaf aufschreckt. Erst nach einigen Sekunden erinnert er sich wieder daran, wo er gerade ist und ballt, ein Seufzen unterdrückend, seine Hand im Sand zusammen. Die Wüstennacht ist eiskalt und der Sand, auf dem er wie alle anderen schlafen muss, fast schon gefroren. Tae ist sich sicher, wäre es hell könnte er seinen Atem sehen. Vorsichtig zieht er seine Decke noch etwas fester um sich und dreht sich auf die andere Seite um weiter zu schlafen. Erst jetzt fällt ihm die kleine zitternde Minas auf. Vorsichtig, darauf achtend, dass seine Ketten nicht zu laut rasseln, setzt sich Tae neben ihr hin. Das Mädchen hockt zusammengekrümmt auf ihrem Schlafplatz mitten im Sand, ihre Decke ist ihr schon halb von den Schultern gerutscht und in ihrem Schoß presst sie krampfhaft ihre Hände aneinander, während sie versucht nicht laut zu weinen. Noch etwas benommen versucht Tae zu begreifen, was gerade passiert. Mina bemerkt ihn nicht. Vorsichtig streckt er seinen Arm nach dem kleinen Mädchen aus und umarmt sie behutsam. Sichtlich erleichtert sackt sie, immer noch schluchzend, gegen ihn. Beinahe geübt streicht er über ihren Rücken. Taehyung hat schon oft genug Jimin getröstet.

„Was ist denn los?" Es dauert ein wenig, bis Mina zwischen mehreren Schluchzern antworten kann. „Ich habe solche Angst" Tae nickt langsam und beginnt ihr beruhigend über die Haare zu streichen. Ihre kleinen Hände krallen sich in sein Shirt und kaum hörbar schnieft sie: „Bald... Bald wird die Trauerzeit zu Ende sein und... und dann werden die Königreiche wieder kämpfen." Ganz in ihrer Angst gefangen beginnt sie langsam vor und zurück zu wippen, während sie sich immer wieder mit dem schmutzigen Saum ihres Kleides über die Augen wischt. Doch die Tränen werden einfach nicht weniger. „Der König wird seine Frau wählen und wir werden alle an die Soldaten verschenkt." Tae begreift nicht ganz was sie da sagt, aber der tiefe Drang das Mädchen zu beruhigen ergreift ihn. Er würde ihr so gerne sagen, dass alles gut wird. Er würde sie so gerne trösten. Sein Herz zieht sich schmerzhaft zusammen, als er sieht wie sie da in seinen Armen liegt: weinend, schniefend, ängstlich.

Leise summend hebt er seine Hand und streicht ihr durch die pechschwarzen Haare. Vorsichtig fahren seine dünnen Finger über ihre Stirn. Doch etwas ist komisch. Seine Fingerspritzen beginnen zu brennen. Erschrocken starrt er zu seiner Hand hinunter, doch anstatt Mina zu sehen, fasst er plötzlich in brennendes Feuer. Mit einem Schrei des Entsetztens springt Tae auf seine Beine. Er steht auf einmal mitten auf einer grünen Wiese. Keine Spur von dem Zelt, in dem er gerade noch gewesen ist oder Mina. In dem saftig grünen Gras zu seinen Füßen kann er Lilien wachsen sehen. Doch seltsamerweise sieht er wirklich wie die Liliensprösslinge aufblühen. Sie werden immer größer und größer, bis sie Tae überragen und sich wie Bäume dem Himmel entgegenstrecken. Völlig überfordert, will Tae sich umdrehen und rennen, doch er scheint nicht vorwärts zu kommen, als würden seine Füße in der Wiese festkleben. Panisch starrt zu seinen Füßen hinab und sieht wie aus dem Rasen Pflastersteine wachsen. Dicht an dicht reihen sie sich, ganz so als wäre er auf einer Straße. Häuser und Mauern klappt sich vor ihm auf, wie in einem Pop-up Bilderbuch und mit einmal steht er mitten auf einer belebten Dorfstraße. Die Wiese und die Lilien sind verschwunden. Links und rechts strömen Wölfe an ihm vorbei. Eine friedvolle Stimmung liegt in der Luft, doch in Tae selbst ist nur Panik. Bevor er sich fragen kann, ob er das träumt, rempelt ihn jemand an. Ein kleines Kind, was von anderen im wilden Spiel gejagt wird, sieht mit überraschten Augen zu dem Fremden hoch. Taehyung hält die Luft an, denn diese Augen kommen ihm so seltsam bekannt vor. Verdutzt taumelt der Junge nach hinten und Tae kann ihn gerade noch rechtzeitig am Arm packen, um ihn wieder auf die Beine zu ziehen. „Danke werter Herr", ruft da eine Stimme, die ihm ebenfalls bekannt vorkommt und als Taehyung über die Schulter in die Richtung guckt, aus der die Stimme kommt, blickt er in das fröhlich grinsende Gesicht von Mina. Jedoch ist sie plötzlich älter und erwachsen, trägt ein vornehmes Kleid und ist mit einem Arm bei einem fremden Wolf eingehakt, der ihn ebenfalls freundlich anlächelt. Tae riecht Alpha, doch ehe er was sagen kann oder überhaupt begreift was passiert, hört er wie Mina laut: „Hyunjin" über seine Schulter hinweg, dem kleinen Jungen zuruft, der sich wieder aufgerappelt hat und die Straße hinunterrennt. „Er ist immer so stürmisch", hört Tae den fremden Wolf noch sagen. Allerdings klingt es so, als käme seine Stimme aus weiter Ferne und als er sich erneut zu Mina und ihrem Mann dreht, kann er sie kaum noch erkennen. Wie bei einem Bild mit schlechter Auflösung verschwimmen die Farben und Umrisse ihrer Körper immer mehr. Pixel für Pixel lösen sich nicht nur die beiden auf, auch das gesamte Dorf verschwindet. Die Steine, auf denen er eben noch wie angewurzelt gestanden hat, schießen über seinen Kopf hinweg und lösen sich auf. Mit einem ersticken Schrei fällt Tae ins Bodenlose.

Forced FateWo Geschichten leben. Entdecke jetzt