Nach dem schönen Nachmittag am See hatte Rafael mich auf dem Rückweg noch zu einem Arzt geschliffen. Ich hätte locker einfach abhauen können, aber Stegi zu liebe ging ich mit. Meine Hoffnung war, dass Stegi dann endlich Ruhe gab. Das Ende vom Lied, zu viel Stress und zu wenig schlaf, als ob ich das nicht selbst wüsste. Ich sollte einfach in Ruhe lernen, am besten an der frische Luft und zu geregelten Zeiten schlafen gehen. Der Arzt schüttelte mir die Hand und hielt uns dann die Tür auf. Rafael schlüpfte vor mir durch die Tür, ich hinter ihm. Er war freundlicherweise da geblieben, da ich sonst wahrscheinlich kein Wort rausgebracht hätte. Dafür war ich ihm auch ziemlich dankbar. „ Du paukst ziemlich viele, damit du so gut bist, kann das sein?", fragte Rafael vorsichtig nach, als die Tür hinter mir ins Schloss gefallen war. Eigentlich hatte ich gerade absolut keine Lust auf ein Gespräch mit ihm und wollte einfach nur meine Ruhe, aber ihn an zu maulen wäre auch falsch. Er hatte ja nichts gemacht und ich hatte ihm ja selbst die Option gegeben da zu bleiben. Daher erwiderte ich möglichst neutral:„ Jap. Anfangs war es einfach dieses Niveau zu halten. Du hast dich mal mehr reingekniet und das war auch nicht schlimm. Aber dieses Niveau auf Dauer zu halten ist echt nicht möglich.", seufzte ich leicht. Allein wenn ich daran dachte, was mit morgen bevorstand, bekam ich Kopfschmerzen. Und wir schrieben am Montag noch nen Vokabeltest, dass konnte ja was werden. „ Dann gib auf und nimm etwas schlechtere Noten in Kauf. Du machst dich damit nur selbst kaputt. Glaub mir, ich weiß verdammt gut, wovon ich rede. Ich hab das selbst ein viertel Jahr durchgezogen, weil ich versetzungsgefärdet war. Hab den ganzen Stoff eines halben Jahres nachholen müssen, weil ich im Krankenhaus lag und es mir so schlecht ging, dass ich keine Aufgaben machen konnte. Ich hab dann in dieser Phase des nachholens gemerkt, dass ich auch schlechte Noten in Kauf nehmen muss, um mich nicht zu zerstören. Solange es für die Versetzung gereicht hatte, war ich zufrieden und das solltest du auch sein.", erzählte er mir. Ich war etwas geschockt, dass er so etwas privates mir einfach mal so sagte. Aber es ließ deutlich werden, warum er solche Probleme in Chemie hatte. Und ich war ihn gestern so angegangen. Das tat mir nun doch ziemlich leid, doch das gerade zugeben wollte ich auch nicht. Ich würde mich in Zukunft einfach zusammenreißen. Ich musste ja keinen smalltalk betreiben, sondern einfach nur ihm die Aufgaben erklären. „ Es ist noch knapp ein halbes Jahr, irgendwie halt ich das durch.", sagte ich stattdessen, um mich von meinen Gedanken ab zu lenken. Es war gerechtfertigt und damit Punkt. „ Nein, wirst du nicht. Mach ne Pause und nimm schlechtere Noten in Kauf. Du machst dir selbst Dauerstress. Wenn dein Körper runter kommt und sich erholt, wird es dir leichter fallen zu lernen. Ohne Kopfschmerzen lernt man viel schneller und effektiver." Er hatte es mit vier Sätzen geschafft, dass ich mich wieder über ihn aufrege. Kann er sich da nicht raushalten? Es war mein Leben verdammt nochmal. „ Danke, aber ich weiß selbst, wie ich das regeln werde. Wir sehen uns dann Montag wieder.", meinte ich kalt. Ohne ein weiteres Wort seinerseits verschwand er dann endlich und ich seufzte auf. Ich wusste schon lange, dass es mir nicht gut tat, aber ich brauchte gute Noten. Sonst könnte ich später alles vergessen, was ich machen wollte. Ich holte mir noch schnell das Rezept am Empfang ab und machte mich dann auf den Nachhauseweg. Den Sonntag brachte ich mit Zusammenfassungen schreiben für die nächste Arbeit zu, den Hausaufgaben vom Freitag und den Englischvokabeln. Dafür hatte ich mich extra nach draußen gesetzt. Und auch wenn ich eigentlich anderes zu tun hatte und es somit von meiner Freizeit abging, machte ich Pausen beim Lernen. Meine Kopfschmerzen, die ich sonst immer bekam blieben tatsächlich aus. Dann konnte es ja nur besser werden. Doch da hatte ich die Rechnung ohne den Montag und Frau Stephan gemacht. Den kaum das ich den Schulhof betreten hatte, wurde ich von ihr abgefangen. „ Hätten sie kurz fünf Minuten für mich? Es geht um die Nachhilfe." Ab dem Zeitpunkt, an dem sie das Wort Nachhilfe fiel, sank meine Laune rapide in den Keller. Was war den jetzt noch? Wir hatten doch alles geklärt. Dennoch stimmte ich zu. Das Gespräch würde so oder so stattfinden, egal was ich jetzt sagte. „ Heute scheinbar nicht so gereizt. Es geht darum, dass Sie die Nachhilfe, die sie am Freitag bei Rafael geben sollten nach nicht mal einer Viertelstunde abgebrochen haben und einfach gegangen sind. So geht das nicht. Ich sehe jetzt mal über den Fakt hinweg, dass sie mir gegenüber unhöflich geworden sind und sich mit billigen Ausreden versucht haben raus zu reden. Reißen Sie sich gefälligst zusammen. Sie machen dieses Jahr ihren Abschluss, da sollten sie sich zu benehmen wissen. Zur Strafe werden sie heute Nachmittag nachsitzen. Und in der Zeit dürfen sie gerne noch die restlichen dreißig Minuten Nachhilfe geben, die sie am Freitag nicht gegeben haben. Wenn sie nicht erscheinen, haben Sie bald ein ganz großes Problem. Haben wir uns verstanden? Gut dann können sie jetzt gehen. Wir sehen uns nachher in Chemie.", sagte sie so ausdruckslos und falsch, dass ich am liebsten gekotzt hätte. Doch ich seufzte nur innerlich auf. War sie wirklich so dumm, oder wollte sie mir nur eins auswischen? Meine Sympathie für sie sank immer weiter. So blind konnte die doch gar nicht sein. Zumal ich nicht nur ein Mal wegen zu starker Kopfschmerzen entschuldigt wurde. Mit null Motivation machte ich mich auf den weg zu den Bänken, wo ich Stegi normal morgens fand. Heute jedoch nicht allein. Tim war wieder bei ihm, was mich nicht sonderlich wunderte. Die beiden klebten ja ständig aneinander. Würde mich nicht wundern, wenn da bald was zwischen den beiden lief. Und dann war da halt noch Rafael. Mein Leben schien mich echt zu hassen. Wortlos ging ich auf die Gruppe zu und wurde von Stegi sofort in eine Umarmung gezogen, als er mich entdeckt hatte. „ Was bedrückt dich großer?", wollte er mit sanfter Stimme wissen. Wie gut er mich mittlerweile kannte. Ich brauchte schon gar nichts mehr zu sagen, er sah mir sofort an, wenn etwas los war. Und er merkte auch, ob ich darüber sprechen wollte, oder nicht. Ich konnte ihm das auch ansehen. Mit der Zeit lernt man einfach, wie der beste Freund tickt. „ Frau Stephan kauft mir die Kopfschmerzen von Freitag nicht ab. Sie hat mich zum nachsitzen verdonnert, damit ich die Nachhilfe vom Freitag beenden kann.", kam es schwach von mir. Ich spürte, wie Stegi die Umarmung noch mal verstärkte. Das hatte ich gerade wirklich gebraucht. „ Zu mir hat sie gesagt, du würdest freiwillig heute die halbe Stunde machen.", mischte sich Rafael ein. So lief das also. Das Spiel würde ich ganz sicher nicht mitmachen. „ Rein aus Protest würd ich da schon nicht hin gehen. Du hast nichts falsch gemacht.", meinte Tim sofort und er erhielt Zustimmung von Stegi. Jener löste sich auch gerade von mir. „ Weißt du, wenn das alles nicht so gezwungen wäre, wäre ich viel eher bereit Nachhilfe zu geben. Zumindest bei Leuten, die ich kenne.", murmelte ich mehr zu mir selbst, als zu den anderen. Leuten wie Tim Nachhilfe zu geben, wäre kein problem für mich. Gerade auch, weil er sehr ruhig war und die Stille eher genoss, als sie mit Worten zu füllen. „ Also bist du doch auch vor mir weggerannt." Meine Güte, halt doch bitte die Klappe, dass hilft mir gerade auch nicht. Zumal ich das nicht mal war. „ Nicht direkt. Es waren schon die Kopfschmerzen. Aber ich mag es halt einfach nicht mit fremden Menschen alleine zu sein und dazu gezwungen zu sein etwas zu sagen. Das ist mir unangenehm.", murmelte ich, wobei ich gegen Ende immer leiser wurde. Fehlt nur noch, dass meine Stimme versagt. „ So arg schüchtern hast du auf mich gar nicht gewirkt." Ach danke, wusste ich gar nicht, ich versuch's ja nur zu verstecken. „ Merkt man ihm meistens nicht an.", antwortete Stegi an meiner Stelle, wofür ich echt dankbar war. Ich hätte ihn wahrscheinlich wieder angemotzt, auch wenn es absolut nicht gerecht war. „ Wenn du nicht willst, gehen wir heute beide da nicht hin. Nur wenn du willst, könnten wir uns ja bei dir oder mir treffen und die Nachhilfe privat regeln. Dann kannst du auch Musik laufen lassen, um die Phasen zu überbrücken, in denen du nicht redest." Unwillkürlich musste ich anfangen zu lachen. Rafael wurde mir immer sympathischer. Vielleicht konnte ich mich in seiner Gegenwart wirklich mal wohlfühlen. „ Du Freitag nach der Schule bei dir gerne. Ich hoffe du stehst auf Metall und Rock.", brachte ich immer noch lachend hervor. Wenn er dann auch so offen war und ich wenig reden musste, konnte das echt eine angenehme Zeit werden. „ Ach damit kann ich leben. Gibt schlimmeres.", grinste der andere bloß. „ Also Freitag nach der Schule hier?", fragte ich, als ich mich wieder eingekommen hatte. „ Gerne."
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Nachhilfe Venation FF
FanfictionTobi ist ein ziemlich guter Schüler, muss dafür aber auch viel lernen. Er hat seinen kleinen Freundeskreis und zeigt sich nach außen hin eher schüchtern. Plötzlich ist da ein neuer Schüler, dem er Nachhilfe geben soll. Das dieser ihm noch gehörig de...