Nachhilfe Kapitel 12

178 10 0
                                    

Auf den letzten Metern wurde mir so schwindelig, dass ich für kurze Zeit wieder das Bewusstsein verlor. Ich nahm meine Umwelt gar nicht mehr wahr. Als mein Bewusstsein langsam wieder zurück kehrte und ich meine Augen eine Spalt weit öffnete, lag ich in Rafis Armen. Er schien sich einen Moment hingesetzt zu haben. In einer kleinen Seitengasse, wo nicht all zu viele auf uns aufmerksam wurden. Wir wurden ja schon angestarrt, wo wir- Rafi mich stützend- durch die Stadt gelaufen waren. Er fuhr mir sanft durch die Haare und lächelte matt. „ Komm wir bringen dich jetzt zu Stegi, dann kannst du dich erstmal ausruhen.", hauchte Rafi leise. Schlafen klang gerade wie ein Segen für mich. Träge nickte ich einmal, woraufhin Rafael sich mit mir im Arm erhob. Zwar stellte er mich auf dem Boden ab, legte mir aber einen Arm um die Schultern und trug fast mein gesamtes Gewicht. Ich selbst hätte mich kaum aufrecht halten können, wenn ich ehrlich war. Diese Abhängigkeit war schrecklich. Ein Gefühl was ich absolut nicht mochte und auf welches ich gerne verzichten konnte.

Bis zu Stegi brauchten wir noch zwei Minuten. Dieser Weg raubte mir meine letzte Kraft. Würde Rafael mich auch nur ein klein wenig weniger stützen, würde ich an Ort und Stelle zusammen sacken. Ich war unendlich froh, als wir endlich vor der Haustür standen und Rafael klingelte. Hinter der Tür waren Schritte zu vernehmen und kurz darauf wurde die Tür geöffnet. „ Hallo To, ach du scheiße, was ist passiert?", fragte Stegi geschockt. Ich wollte gerade schon etwas erwidern, doch meinen Lippen entkam kein Laut. Dafür erwiderte Rafi etwas. Bitte sag nicht, dass. „ Das muss dir Tobi selbst sagen. Kann er erstmal bei dir bleiben?" Danke Rafi. Ich war ihm wirklich dankbar, dass er sich selbst jetzt an meine bitte hielt. Das war nicht selbstverständlich und in der Situation hätte ich das auch nicht von ihm verlangt. „ Natürlich komm rein. Leg ihn am besten erstmal auf dem Sofa ab.", meinte Stegi sofort. Den ersten Schock schien er schon mal verarbeitet zu haben. Ich selbst hatte keine Ahnung, wie ich aussah, aber besonders gut durfte ich nicht aussehen. Sonst hätte Stegi nicht so reagiert. Rafi hob mich hoch, folgte Stegi nach drinnen und trug mich bis zur Couch, auf der er mich sanft ablegte. Kurz verschränkte er unsere Hände noch mal und drückte die meine beruhigend. Auch wenn ich ihn gerne bei mir und mit ihm gekuschelt hätte, so sah ich doch jedes Mal, wenn ich in seine Augen die Situation mit meinem Vater vor meinem inneren Auge. Abstand war im Moment das Beste. „ Wir sehen uns am Montag. Meld dich, wenn was ist." Schwach lächelte Rafi mich an, ehe er aufstand und aus dem Wohnzimmer gehen wollte. Einfach nur erschöpft schloss ich meine Augen. Endlich Ruhe. In dem Moment, in dem ich hörte wie sich eine Tür öffnete kam Stegi anscheinend aus der Küche wieder. Ich sah die beiden nicht, aber ich konnte sie hören. Und Stegi schien ziemlich verständnislos zu sein. „ Du willst abhauen? Ist das dein ernst. Tobi braucht dich gerade." Stegi versuchte leise zu sprechen und ruhig zu bleiben, doch in seiner Stimme konnte ich die unterdrückte Wut heraushören. Er musste Rafi für einen herzlosen Menschen halten, oder denken, ich bedeutete ihm gar nichts. Schließlich wusste er nicht, was passiert war und dass ich ihn gerade nicht hier haben wollte. „ Tobi möchte mich gerade nicht hier haben und dafür hab ich vollstes Verständnis. Wenn was ist meldest du dich bitte bei mir.", bat Rafael ruhig. Stegi wusste doch eigentlich, dass ich wenn es mir schlecht ging lieber alleine war, oder höchstens ihn bei mir haben wollte. Da musste er nicht mal wissen, was genau passiert war. „ Ok. Dann bis Montag." Rafael nickte kurz zum Abschied und ging dann wieder. Stegis Schritte kamen zurück ins Wohnzimmer und auch wenn ich meine Augen geschlossen hatte, spürte ich deutlich seinen Blick auf mir, was mir aber relativ egal war. Was mir dann doch schon eher Gedanken machte, war die Tatsache, was er dachte. Aber sobald ich versuchte einen klaren Gedanken zu fassen, pochte es unangenehm stark hinter meiner Schläfe. „ Stegi hast du vor eventuell auch mal wieder hoch zu kommen.", rief jemand von oben runter. Das war Tims Stimme. Stimmt, die beiden wollten sich ein schönes Wochenende machen und das hatte ich so eben zunichte gemacht. Oh man. Dabei hatte ich das nicht mal gewollt. Wenn es mir besser ging, würde ich schauen, dass ich es wieder gut mache. „ So schnell nicht. Tobi geht es scheiße.", rief Stegi nach oben. Man hörte, wie Schritte schnelle die Treppe runter kamen. Derweil setzte sich Stegi zu mir auf die Couch und fuhr mir sanft durch die Haare. Ein wenig konnte ich mich unter der Berührung entspannen, aber meine Schmerzen linderte es kein bisschen. „ Was ist passiert?", fragte Stegi sanft nach und legte mir kurz eine Hand auf die Stirn. Ich wollte da jetzt eigentlich nicht drüber reden. Denn ein Gespräch schloss auch mit ein, das ich ihnen sagen musste, dass ich mit Rafael zusammen war und ich war mir nicht sicher, ob ich das schon konnte. Andererseits war das Stegi, ihm konnte ich vertrauen. Leise seufzte ich auf und suchte mir derweil eine passende Formulierung für mein Geständnis aus. „ Versprich mir, dass ihr mich nicht verurteilt.", fing ich an zu reden. Meine Stimme war unglaublich schwach und brüchig, hörte sich selbst für mich fremd an. Meine Augen hatte ich so halb geöffnet, um ihre Reaktion zu sehen. „ Natürlich, weshalb sollten wir?" Das kam von Tim. Ich wusste aber, dass Stegi ihm stumm zustimmte. Er würde mich nie verurteilen, genauso wie ich für nichts verurteilen würde. „ Ich bin mit nem Jungen zusammen. Mit Rafael um genau zu sein..." Einen Moment brach meine Stimme ab und ich sah ängstlich zu den beiden. Stegi fing an zu lächeln und fuhr mir wieder durch die Haare. Er hatte nichts dagegen, oder zeigte es im Moment zumindest nicht. Das konnte ich mir aber nur schwer vorstellen. „ Mein Vater hat das rausbekommen und ist ausgerastet. Er hat mich mehrfach geschlagen, bis ich endlich ohnmächtig geworden bin. Rafael hat mich dann hier her gebracht.", erklärte ich knapp. Ich würde ihm alles im Detail noch mal erklären, aber gerade wollte ich einfach nur schlafen und mich erholen. „ Keine Sorge, hier bist du erstmal in Sicherheit. Ich werde dir erstmal was gegen die Schmerzen geben und dann kannst du dich ausruhen. Meine Mutter wird dich später noch kurz untersuchen. Ich will da keine Widerrede haben, dass ist notwendig." Stegi verschwand kurz und kam dann mit einem Glas Wasser und einer Tablette wieder. Er musste mir die Tablette regelrecht einflößen, aber letzten Endes schaffte er es gemeinsam mit Tims Hilfe. Tim hielt dabei meinen Oberkörper aufrecht und Stegi hielt mir das Glas an die Lippen. Erschöpft kuschelte ich mich in die Kissen der Couch und versuchte zu schlafen. Nur am Rande nahm ich noch wahr, dass jemand mich zudeckte. Danach driftete ich in einen Traumlosen Schlaf ab.

Nachhilfe Venation FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt