Nachhilfe Kapitel 38

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Jemand rüttelte sanft an meiner Schulter. Murrend vergrub ich meinen Kopf an der Brust meines Gegenübers und versuchte wieder einzuschlafen. Eine weibliche Stimme flüsterte immer wieder meinen Namen. Jetzt erst merkte ich, dass mir jemand durch die Haare strich. Ich wollte noch nicht in die Realität zurück. Die Traumwelt war viel schöner und unbeschwerter. Ein Kuss wurde mir auf die Nasenspitze gehaucht, dann auf die Wange, die Lippen und schließlich die Stirn. Immer noch verschlafen und erschöpft öffnete ich meine Augen ein wenig. Rafi lächelte mich an. Ich lag zur Hälfte auf ihm, doch das schien ihn nicht zu stören. Sanft gab er noch einen Kuss auf die Stirn. „ Deine Mutter ist da.", flüsterte Rafi und setzte sich auf. Jedoch klammerte ich weiter an ihm. Ich wollte ihn nicht los lassen. Kurzer Hand zog er mich mit sich hoch, sodass ich neben ihm saß. Verschlafen rieb ich mir über die Augen und sah mich dann um. Tim und Stegi fehlten, aber da war jemand, der nichts ins Bild passte. Moment mal, dass war meine Mutter. Erschrocken riss ich die Augen auf und starrte sie an. Vorhin bei dem ganzen Telefon Chaos, hatte ich das nicht mal wirklich mitbekommen. Jetzt war es umso präsenter. „ Mein Junge.", hauchte sie erstickt und schloss mich dann in ihre Arme. Unsicher erwiderte ich die Umarmung leicht mit einem Arm. Rafi griff nach meiner Hand und drückte sie beruhigend. Ich merkte, dass meiner Mutter Tränen die Wange hinab liefen. Überfordert drückte ich sie von mir weg. Ich konnte damit im Moment nicht umgehen. Wimmernd krallte ich mich an Rafis Shirt und vergrub meinen Kopf in seiner Halsbeuge. „ Komm ich bring dich zum Auto, dann können wir in Ruhe reden und du dich ausruhen.", meinte sie liebevoll und wollte mich hoch heben. „ Nein er bleibt hier.", protestierte Rafi sofort und zog mich fester in seine Arme. Das war genau das, was ich geahnt hatte. Sie wollte mich mit zu sich nehmen. Mich aus meinem Umfeld rausreißen. Mir alles nehmen und mich hunderte Kilometer weit weg bringen. Weg von Rafi, weg von Stegi und weg von Tim. Von meinem gewohnten Umfeld, meiner Schule, meinen Klassenkameraden. Das einzige, was mir nichts ausmachen würde es zurück zu lassen, war mein Vater. „ Ich will euch beide nicht auseinander reißen, aber es wäre wirklich sinnvoll, wenn Tobi aus diesem Umfeld rauskommen würde. Nicht all zu weit weg natürlich, sodass ihr noch Kontakt habt.", mischte sich Frau Staudt ein. Es würde mir gut tun ja, aber ich wollte Rafi nicht verlieren. Ich wollte bei ihm bleiben. Auch wenn wir uns erst seit ein paar Wochen kannten, ich liebte ihn wirklich und im Moment stellte ich ihn sogar über meine Mutter. Rafi brauchte ich einfach mehr. „ Wenn Tobi mitgeht, kann ich gleich Schluss machen. Nach nicht mal fünf Tagen. Tobi würde mehr und mehr zerbrechen und dann braucht er wirklich nen Psychiater.", meinte Rafi feindselig. Er kämpfte für mich. Ich bedeutete ihm was. Das war ein schönes Gefühl. Bei all dem negativen tat das wirklich gut. „ Ich darf ja wohl bitten. Ich bin seine Mutter und ich habe immer noch das Sorgerecht. Und ich werde ihn mitnehmen." Wie um das zu unterstreichen, zog sie mich an der Schulter zu sich. Fest klammerte ich mich an Rafi fest und fing an zu weinen. Er sollte bei mir bleiben. „ Das glaube ich kaum. Tobi ist volljährig, er darf selbst entscheiden, wo er bleiben will. Wie sie sehen, möchte er hier blieben. Sie können nicht einfach hier auftauchen und Tobi für sich beanspruchen. Sie haben ihn jahrelang hier gelassen, bei seinem Vater. Sie hätten hier bleiben sollen und Tobi zu sich holen. Aber ihr Job ist ihnen Anschein wichtiger gewesen. Ganz unbeteiligt sind sie an dem Drama hier nämlich nicht. Tobi bleibt hier bei uns.", protestierte Stegi. Wo kam der den her? Seine Worte machte mich aber aus irgendeinem Grund glücklich. Die beiden stellte sich vor mich, trennten mich so von meiner Mutter. Zufrieden kuschelte ich mich einfach an Rafi. „ Ich würde sie bitten jetzt zu gehen.", kam es ruhig von Frau Staudt und wollte sie zur Tür führen. Doch meine Mutter wehrte sich dagegen. „ Nicht ohne ihn." Der Ton in der Stimme meiner Mutter war wütend. Ich bekam Angst und schluchzte leicht auf. Ich wollte nicht zu ihr, so gern ich sie auch hatte. Wenn sie hier blieb würde ich bei ihr bleiben, aber ich ging nicht mit zu ihr mehrere hunderte Kilometer weit weg. „ Ich werde hier bei meinen Freunden bleiben. Daran wirst du nichts ändern. Geh bitte.", gab ich schwach von mir, aber doch deutlich genug, damit sie mich hörte. Empört rempelte sie Stegi im vorbeigehen an, ging aber schließlich. Wieder schluchzte ich leicht auf, woraufhin ich von drei Leuten in den Arm genommen wurde. Auch wenn ich sie weggeschickt hatte, tat es irgendwo auch weh. Ein weiterer Mensch, der nicht zu mir hielt. „ Sch keiner von uns hätte zugelassen, dass du weg kommst. Du bist ein Teil von uns. Du bleibst bei uns kleiner." Die drei wechselten sich mit jedem Satz ab. Wie süß war das den bitte. Ich fing vor Freude an zu weinen. Sofort wurde ich fester in den Arm genommen. Ich liebte die drei. Aber besonders Rafi. „ Danke dass ihr für mich da seid. Ihr seid die besten. Ich bin froh euch zu haben. Mit euch scheinen die Probleme irgendwie nur halb so schlimm. Und es tut mir leid, dass ich heute so ne scheiße gebaut hab." „ Hey hey hey du brauchst dich nicht entschuldigen, wir wissen alle, dass das einfach zu viel für dich war. Mach dir keinen Kopf.", murmelte Tim in die Umarmung und löste sich dann von mir, genau wie Stegi. Nur Rafi behielt mich in den Armen. Ich setzte mich so hin, dass ich alle wieder ansehen konnte. So sah ich erst, dass noch wer im Raum stand. „ Flipp nicht aus. Das ist Frau Sprenger, eine Psychologin. Sie möchte sich ein Bild von deinem Zustand machen. Keine Therapie oder so. Einfach nur zur Sicherheit ne Fachmeinung. Mir musst du nicht sagen, dass du nicht depressiv bist. Ich weiß das." Wenn Stegi das meinte, würde ich es über mich ergehen lassen. Ihm zu liebe. Er wollte nur das beste für mich, genau wie alle anderen auch. Daher nickte ich nur.

Nachhilfe Venation FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt