Nachhilfe Kapitel 9

190 12 0
                                    

Rafael seufzte hörbar auf. Scheinbar hatte da jemand doch keinen Bock auf Chemie. Ein wenig nachvollziehen konnte ich es schon. Mich als Nachhilfelehrer zu haben, wenn ich einen kannte, war nicht sehr einfach. Egal was davor war, ich verlangte einem sehr viel ab und auch schnelles lernen und verstehen. „ Können wir nicht eventuell doch was anderes machen?", fragte er bettelnd. Seine Hand, die zuvor noch auf dem Schreibtisch lag, war auf meinen Oberschenkel gewandert und reizte mich ein wenig. Das ganze unterband ich ziemlich schnell, indem ich sein Handgelenk umgriff und ihn somit daran hinderte. Mir erst kommen mit Chemie und abblocken, dass ich mich ihm hingab und jetzt keine Lust mehr haben. Dabei waren wir nicht mal fünfundvierzig Minuten am arbeiten. So leicht würde ich ihn die Pause nicht gönnen. Er sollte etwas dafür tun. „ Ich biete dir eine Diel an. Du kriegst zwei Moleküle, zeichnest die und lässt sie miteinander reagieren. Wenn die Reaktion richtig ist, machen wir Pause. Du hast sagen wir mal grob fünf Minuten Zeit dafür. Zeichne mir bitte die Reaktion zwischen Propanol und Pentansäure." Propanol zu zeichnen war für ihn das kleinste Problem. Das bekam er schnell hin. Doch bei Pentansäure stockte er. Erst dachte ich, er brauchte einfach nur länger. Verstehen könnte ich es, es dauerte manchmal, bis man Namen und funktionelle Gruppe miteinander in Verbindung brachte. Da fiel es mir dann aber auch auf. Ich hatte Carbonsäuren nicht noch mal wiederholt und er konnte scheinbar damit gerade nichts anfangen. Ähm ups. Ok dann schieben wir das kurz ein. All zu schwer war es ja nicht. Er musste erstmal nur die funktionelle Gruppe kennen. Der Rest war gerade irrelevant. „ Tschuldigung, ich hab vergessen, dass du mit Carbonsäuren nichts anfangen kannst, weil ich es dir nicht erklärt hab. Ist ganz einfach. Die funktionelle Gruppe ist die Carboxylgruppe. An dem c geht schräg ein O mit Doppelbindung und eine OH Gruppe ab. Das sieht dann so aus. Benennung sollte klar sein. Probier es einfach mal.", erklärte ich kurz und gebunden. Ich hatte ihm die Gruppe mal an den Rand gezeichnet, da ich nicht wusste, ob er mir folgen konnte. Das wahrscheinlich schon, aber so mit einem Mal hören das im Kopf behalten und dann zeichnen. Um die Uhrzeit vielleicht noch nicht so möglich. Da konnte ich ihn halt gar nicht einschätzen. Konnte auch sein, dass er jemand war, der sich mehrere Sätze anhörte und dennoch mitschreiben konnte. So jemand war ich halt zum Beispiel. Jedenfalls ließ ich ihn danach erstmal zeichnen. Er schien das Prinzip verstanden zu haben. Es bar basically immer das selbe, nur die Gruppe änderte sich. All zu viel verstehen musste man da nicht. Jetzt musste er nur noch die Reaktion hinbekommen. Und daran glaubte ich tatsächlich schon nicht mehr. Keine Ahnung was auf einmal los war, aber er bekam die Reaktion super hin. Fast so, als hätte er vorgearbeitet um mich ein wenig zu beeindrucken. Oder eine übernatürliche Macht hatte von ihm Besitz ergriffen und ihn geleitet, als er das Molekül zeichnen musste. Glauben tat ich ersteres. Möglichkeit drei, die ich fast noch unwahrscheinlicher fand, als die Sache mit der übernatürlichen Macht, er hatte sich das irgendwo her gemerkt. Nachdem was ich in der aller ersten Stunde gesehen hatte, traute ich ihm das nicht zu. Hieß nicht, dass ich es ihm nicht zutraute, dass er sich Sachen gut merken konnte, das wollte ich ihm auch gar nicht unterstellen. Gerade in Chemie war das aber so ne Sache. „ So jetzt bitte Pause. Ich hab keinen Bock mehr.", maulte er und legte seinen Stift neben das Papier. Wenn er gekonnt hätte, hätte Rafael wahrscheinlich die Hände vor der Brust verschränkt. Ich ließ seinen Satz erstmal unkommentiert und sah mir seine Zeichnung des Moleküls an. Im groben und ganzen sah es gut, die Esterbindung war auch da und richtig. Nur ein klitze kleiner Fehler war ihm unterlaufen. Die Außenelektronen beim Sauerstoff fehlten. Das war ein ziemlich häufiger Fehler bei ihm. Da sollte er vielleicht speziell noch mal drüber kucken. „ Nein noch nicht ganz. Du hast die Außenelektronen beim Sauerstoff vergessen. Achte da mal drauf. Danach kannst du Pause machen." Den Diel hatte er eingehalten, jetzt bekam er auch seine Pause. Murrend nahm er den Stift noch mal in die Hand und zeichnete die zwei fehlenden Striche auf das Papier. Nicht all zu sanft pfefferte er den Stift wieder auf die Schreibtischplatte. „ Gut jetzt können wir Pause machen. Du hast dich wirklich tapfer geschlagen.", lobte ich ihn. Im Gegensatz zur ersten Stunde war eine deutliche Verbesserung zu erkennen, auch wenn das Niveau deutlicher einfacher war. Er lernte ziemlich schnell und ich denke in ein paar Monaten hatte er alles halbwegs drin. Vor dem Abi auf jeden Fall, dafür würde ich sorgen. „ Du mich auch.", murrte er immer noch genervt. Sag ja, ich war nicht immer einfach. „ Nein ich mein das ernst. Das war richtig gut. Vor allem die letzte Aufgabe mit der Reaktion zwischen Alkohol und Carbonsäure. Du hast das richtig schnell begriffen. Andere brauchen länger, um die Reaktion zu begreifen.", meinte ich. Ich stand kurz auf, um mich einmal richtig zu strecken. Mein Platz war zwar sehr gemütlich, aber Rücken und Schulterbereich waren sehr schnell verspannt bei mir, wenn ich länger saß. Danach ließ ich mich rittlings wieder auf seinen Schoß nieder. Die Arme um seinen Nacken gelegt, zog ich ihn behutsam näher zu mir und küsste ihn kurz aber innig. Zumindest war das mein Plan. Den Rafael vergrub eine Hand in meinen Haaren und intensivierte den Kuss, indem er meinen Kopf leicht zur Seite neigte. Seine andere Hand legten sich an meine Hüfte, um mich fest zu halten, damit ich nicht runter rutschen konnte. Sanft stupste ich mit meiner Zunge gegen seine Lippe, die er ein kleines Stück öffnete. Spielend empfing er die meine und wir führten einen kleinen Kampf. Das ganze würde sehr schnell in eine sehr bestimmte Richtung führen, gegen die ich gerade mal so gar nichts hatte. Hätte ich auch vorhin schon nicht gehabt. So hatten wir wenigstens noch ein wenig Chemie gemacht. Wenn ich jedoch gewusst hätte, was das für einen riesigen Stein ins Rollen bringen würde, hätte ich mich nicht aufs rummachen eingelassen.

Nachhilfe Venation FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt