„ Hör mir doch erstmal in Ruhe zu.", gab Tim ruhig von sich und sah mich abwartend an. Anhören konnte ich mir seinen Vorschlag mal. Machen würde ich eh, was ich wollte. „ Vielleicht nimmst du ne Schmerztablette und schaust, dass du was bekommst, was wach macht.", schlug Tim mir vor. Das war doch mal n sinnvoller Vorschlag. Ich war wirklich froh, dass Tim mir gegenüber relativ neutral war und sich nicht all zu viele Sorgen machte. Klar wollte er mich irgendwo schützen, aber er versuchte mir auch entgegen zu kommen. Das war wirklich ganz gut zwischen Stegi als bestem Freund und Rafi als festem Freund. Die beiden waren viel zu fürsorglich. Teilweise konnte ich mir Tim sogar noch besorgter vorstellen. Und zwar dann, wenn Stegi ins Spiel kam. Nach der Familie musste der blonde wirklich der wichtigste Mensch für Tim sein. Wann die beiden wohl endlich zusammen kamen? Ich war schon wieder völlig vom Thema weg. Woher bekomm ich das Zeug nur. So weit ich wusste, hatte Stegi sowas auch nicht immer dabei. „ Und wo soll ich das her bekommen?", fragte ich an ihn gewandt. Weder noch hatte ich in meiner Rucksack. So weit hatte Stegi sicher nicht gedacht. Außerdem wäre mir das Zeug schon unter gekommen, wenn Stegi mir wirklich was reingetan hätte. In meinem normalen Rucksack befänden sich zumindest mal Tabletten und Traubenzucker. Den hatte ich aber nicht. Es war unwahrscheinlich, dass jemand das Zeug zufällig dabei hatte. Rum fragen traute ich mich nicht. Die meisten aus unserer Stufe kannte ich kaum, beliebt war ich nicht und fragen traute ich mich nicht. „ Schmerztabletten hab ich für dich. Und was wach machendes finden wir schon. Zur Not Traubenzucker tut's auch. Den krieg ich schon aufgetrieben für dich. Damit solltest du die nächsten vier Stunden durchhalten. Willst du?", wollte er wissen. Tim war ein Engel. Das würde den Tag so viel angenehmer machen. Durchhalten würde ich ohne nicht. Also schon, aber es würde die reinste Qual werden. Nicht unbedingt die tollsten Aussichten. Ich sollte endlich damit aufhören, perfekt sein zu wollen und auch mal fehlen und Fehler machen dürfen. Nur ging das nicht in meinen Kopf rein. „ Ich überleb das sonst nicht." Meine Stimme musste wie die Mischung aus einem kleinen quengelnden Kind und einem halb toten Menschen klingen. Absolut grauenhaft, aber genau so, wie ich mich fühlte. Tim nickte zur Bestätigung, das er mir was auftreiben würde. Er setzte seinen Rucksack ab, kramte darin herum. Wenig später hielt er mir eine Tablette hin. Begeistert war ich davon nicht unbedingt, aber ich würde sonst komplett am Ende sein. Dankbar nahm ich sie an, schluckte diese schnell mit ächzen und würgen runter. Wie ich es hasste. Auch wenn ich doch recht häufig Tabletten nahm, wurde es nicht leichter diese ein zu nehmen. Die zum Lutschen war da angenehmer und ich war froh, dass wenigstens meine Kopfschmerztabletten nicht zum schlucken waren. Ich packte meine Flasche wieder weg und hob meinen Rucksack danach wieder auf. Wir schwiegen. Irgendwie wurde das gerade richtig unangenehm. Auch wenn ich stille zwischen mir und anderen eigentlich immer genoss, war sie es im Moment nicht. Krampfhaft versuchte ich ein Gesprächsthema zu finden, doch mir wollte einfach nichts einfallen. Klischeehafter ging es fast gar nicht mehr. Unsicher wanderte mein Blick im Gang umher, um etwas zu finden, worüber man reden konnte. Doch ich fand nichts. „ Wie viele Stunden hast du eigentlich morgen?", kam es völlig aus dem Kontext gerissen von ihm. Dankbar, dass er ein Gespräch in Gang brachte überlegte ich. Morgen müsste Dienstag sein. Einer der längsten Tage der Woche. Donnerstag war der aller schlimmste. Zehn beschissene Stunden. Freizeit war da eine fehlende Komponente. Oder schlaf. Gerade Freitags war ich dann immer tot müde, weil ich mittwochs auch neun Stunden hatte, spät heim kam, dann noch Hausaufgaben machen musste und Essen wäre dann auch noch ganz nett. Wann man dann auf Klausuren lernen sollte, spät nachts. Und Lehrer wunderten sich, wenn man müde war. Laut denen zockten wir ja den lieben langen Tag. Den saßen wir nur leider in der Schule. Sollte es mir morgen immer noch so gehen, dann gute Nacht. Packen würde ich das nie und nimmer. „ Neun.", antwortete ich emotionslos. Mir graute es bei dem Gedanken daran schon, so lange hier rum sitzen zu müssen, wenn es mir so beschissen ging. Da würden auch Tabletten nichts mehr helfen. Oder sonstige Sachen. Warum machte ich mir alles selbst so schwer. Jeder andere vernünftige Mensch würde sich freuen, nicht in die Schule gehen zu müssen. Nur ich versuchte es auf Krampf. So schlecht fühlen, tat ich mich morgens nicht, dass ich daheim bleiben musste und wenn ich in der Schule war, konnte ich auch bis zum Ende bleiben. Bescheuerte Einstellung, dass wusste ich mittlerweile selbst. „ Bleib daheim, oder zumindest teilweise. Ich mein es nur gut mit dir. Das packst du nicht, wenn sich dein Zustand nicht drastisch verbessert. Denk wenigstens drüber nach.", bat er mich. Die Option teilweise Stunden ausfallen zu lassen kam definitiv in frage. Sie gefiel mir wirklich. Nur welche. In den wichtigen Stunden sollte ich keinesfalls fehlen. Aber so die ganzen zweistündigen Fächer wie Religion, Bk oder so, da machte es wirklich nichts, wenn ich mal fehlen sollte. Nachholen musste ich da auch nix. Hatte ich halt ne Stunde weniger Zeit mein Bild zu malen. Mir doch egal. „ In der Mittagsschule hab ich Sport und Religion, dass kann ich vielleicht ausfallen lassen.", überlegte ich laut. Sport dürfte ich eh nicht mitmachen- Stegi kreuzigte mich dann wahrscheinlich- und auf Religion hatte ich sowieso keine Lust. Mit eines der unnötigsten Fächer die es gab. Warum bot man das überhaupt als Pflichtfach an. Damit hätte ich 'nur' noch fünf Stunden zu überleben. Also ungefähr so wie heute, wo es eh schon komplett aus dem Ruder gelaufen ist. Tolle Aussicht. „ Sport machst du so oder so nicht mit. Ich glaub sonst bringen dich und danach mich drei Leute um. Die heißen Stegi, Rafi und deine Mutter. Und scheiß mal auf Religion. Wenn's dir nicht besser geht, geh heim. Da verpasst du eh nix. Hast du fünfte sechste was wichtiges?", wollte Tim weiter wissen. Ich meine, dass ich in der sechsten Stunde deutsch hatte.
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Nachhilfe Venation FF
FanfictionTobi ist ein ziemlich guter Schüler, muss dafür aber auch viel lernen. Er hat seinen kleinen Freundeskreis und zeigt sich nach außen hin eher schüchtern. Plötzlich ist da ein neuer Schüler, dem er Nachhilfe geben soll. Das dieser ihm noch gehörig de...