Nachdem ich geendet hatte, erzählte uns Neville von seinen Ferien bei seiner Großmutter. Sie und seine restliche Familie hatten ihn wohl regelrecht unter Druck gesetzt, dieses Schuljahr in seinen Wahlfächern gut zu sein. Eigentlich hatte ich es gar nicht vorgehabt, aber durch das rhythmische Schaukeln des Zugs und Nevilles monotone Stimme fiel ich schnell in einen tiefen Schlaf. Dabei hatte ich mich doch nur an Deans Schulter angelehnt und kurz die Augen geschlossen.
Ein heftiger Ruck weckte mich. Der Zug fuhr nicht mehr und doch waren wir nicht angekommen. Das Abteil lag in nahezu völliger Dunkelheit, wir hatten vorhin die Rollläden Richtung Gang zugezogen, um endlich vor neugierigen Blicken geschützt zu sein. Aber auch vom Fenster kam kaum Licht hinein. Ich bewegte mich etwas und stellte fest, dass ich wohl von der Bank gerutscht war. Aridias Kreischen durchbrach die Stille. Um mich herum flüsterten Leute nun wild durcheinander. Auch draußen vom Gang hörte man aufgeregte Stimmen.
„Warum werden Leute eigentlich leise, wenn sie nichts sehen können?", fragte ich absichtlich laut und tastete nach der Sitzbank. Mein Zauberstab lag irgendwo in meinem Koffer. Aktuell unerreichbar.
„Kann jemand Licht machen?", fragte Evas Stimme erstaunlich weit weg. Sie hatte wohl dicht neben der Tür gesessen, als der Zug angehalten hatte.
„Lumos", murmelte eine Jungenstimme und kurz darauf flackerte ein Licht auf. Nach der Finsternis dauerte es erst etwas, bis unsere Augen sich an die Lichtverhältnisse gewöhnt hatten.
Ich erkannte Seamus, der den leuchtenden Zauberstab hielt und sich aufrichtete. Aridias Käfig stand noch auf dem gleichen Platz, sie war nur aufgeregt. Eva war beim abrupten Halt wohl einer der Koffer auf die Beine gefallen. Mühsam stemmte sie ihn hoch und erhielt Hilfe von Dean. Nachdem er Eva wieder auf ihren Sitzplatz geholfen hatte und den Koffer wieder verstaute, fragte er: „Sieht jemand von euch Neville hier irgendwo?"
„Der wollte vorhin noch seinen Umhang anziehen", fiel Eva ein. „Wahrscheinlich ist er irgendwo im Zug oder auf der Toilette."
„Wir sollten ihn suchen gehen", fand Dean und war schon halb aus dem Abteil draußen. Seamus hielt ihn zurück.
„Du hast nicht mal deinen Zauberstab. Lass mich wenigstens mitkommen."
Eva und ich tauschten einen Blick im Schummerlicht. „Wir bleiben hier und warten, ob er alleine zurückkommt."
„Was hat den Zug überhaupt anhalten lassen?" Ich spähte aus dem Fenster und erkannte nur neblige Felder. „In Hogwarts sind wir bei Weitem noch nicht."
„Vielleicht eine Panne", vermutete Dean. „Wir können ja beim Lokführer nachfragen, wenn wir schon dabei sind. Und sich das Problem nicht schon eher löst."
„Wartet!" Eva streckte sich nach ihrem Koffer. „Wir sollten auch mindestens einen Zauberstab haben." Sie suchte wie wild in ihrem Gepäck und warf einige Socken unbeachtet zur Seite.
Doch bevor sie etwas finden konnte, passierte etwas. Die Luft veränderte sich, wurde schneidend kalt. Meine Lungen fühlten sich an, als würde ich reine Eiszapfen einatmen. Wir alle klapperten mit den Zähnen. Ein seltsam scharrendes Geräusch kam von der Tür.
„Alle weg!", rief Eva und wedelte scheuchend mit den Armen. Dean und Seamus machten jeweils einen gewaltigen Satz von der Tür weg. Keine Sekunde zu früh.
Eine große Gestalt kam herein, gänzlich in einen dunklen Umhang gehüllt. Ich konnte unter den Stofflagen kein Gesicht erkennen, nur einen unförmigen Kopf. Rasselnd holte das Wesen Luft. Schlagartig sank die Temperatur soweit, dass sogar unser Atem dampfend aufstieg.
Sie schwebte an Seamus und Dean vorbei, geradewegs auf mich zu. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Vor lauter Panik versuchte ich auf Parsel mit ihm zu reden, hatte zumindest letztes Jahr ganz gut geklappt. Mein Zauberstab lag unnütz bei meinem restlichen Gepäck. Ich stolperte über einen Koffer. Schmerzhaft landete ich auf meinem Hintern und krabbelte mit letzter Kraft nach hinten. Nur am Rande bekam ich mit, wie Dean Funken aus dem Abteil schickte. Aber wer sollte schon zur Hilfe eilen?
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Eleonora Black und Askabans Gefangener ∥ Ⅲ ∥ Abgeschlossen
FanfictionDas dritte Schuljahr auf Hogwarts steht bevor. Eleonora Black hat nicht nur mit ihrem Status als Waise und dem Schulalltag zu kämpfen, zu allem Überfluss bricht auch noch ihr Onkel aus dem Zauberergefängnis aus. Sirius Black ist wieder auf freiem Fu...