Kapitel 28 - Die vielleicht langweiligsten Weihnachtsferien

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Die Folgen ihrer Aktion bekam Hermine auch sogleich zu spüren. Weder Harry, noch Ron redeten mehr mit ihr als nötig. Und je mehr böse Blicke sie von den Beiden abbekam, desto mehr verkroch sich Hermine in die Bibliothek und die dortigen Bücher. Ich leistete ihr Gesellschaft. Einerseits, weil ich doch noch einige Dinge über die Ferien zu lernen hatte, andererseits konnte und wollte ich Hermine nicht alleine lassen.

So gerne ich selbst auch den Feuerblitz Probe geflogen hätte, so sehr konnte ich sie verstehen. Sie hatte das einzig Vernünftige getan, während ich mich für die spaßigste Variante mit dem meisten Nervenkitzel entschieden hätte.

Hermine hatte ja noch mehr Fächer als ich und musste daher auch noch mehr pauken. Keine Ahnung, wie sie das alles alleine zeitlich schaffte. Und weil es Hermine war, widmete sie sich noch einem weiteren Projekt. Seidenschnabels Verteidigung.

Draco hatte die Rolle des Verletzten gut gespielt und Lucius wartete ohnehin nur auf eine winzige Verfehlung von Hagrid, um ihn von der Schule werfen zu können. Deshalb hatte er eine Beurteilung des Hippogreifen und eine Verhandlung angestrebt. Das schlimmste Ergebnis war die Hinrichtung des Tierwesens und lag durchaus im Bereich des Möglichen.

Jetzt war es umso wichtiger, überzeugende Fallakten und bestehende Urteile und Gesetze zu seiner und Hagrids Entlastung herauszusuchen. Hermine recherchierte sich fast wahnsinnig. Ich unterstützte sie, soweit ich konnte.

Aber auch ich hatte noch etwas anderes am Laufen. Wieder einmal versuchte ich, meinen Eltern näher zu kommen, besonders meiner Mutter. Ob es eine ergiebige Spur war, wusste ich nicht. Allerdings war ich immer wieder auf Amerika gestoßen, das konnte doch kein Zufall sein! Mein Zauberstab stammte aus einer Kooperation zweier amerikanischer Zauberstabmacher, die eine Frau in meiner durch die Dementoren hervorgerufenen Vision hatte einen amerikanischen Akzent, ... da hörte es eigentlich auch schon wieder auf. Hermine hielt es ebenfalls nicht für willkürlich; wenn Ähnlichkeiten auftauchten, war das schon ein Muster.

Doch wo ich bei meiner Suche ansetzen sollte, wusste ich nicht. Schließlich hatte Amerika eine nicht allzu kleine Zauberergemeinschaft und sogar ein eigenes Ministerium. Dessen Strukturen hatten nur wenig mit der britischen Version gemein, sodass ich auch dort nicht wusste, wohin ich mich genau wenden sollte.

„Schreib doch einfach jeweils einen Brief an den MACUSA und an Ilvermorny", schlug Hermine vor, ohne von den Prozessakten eines Mantikorangriffs aufzuschauen.

„Sind das Zauberer?", fragte ich ratlos. Keiner der beiden Begriffe sagte mir etwas.

Sie verdrehte einerseits die Augen, wodurch sie aber nicht von dem Leuchten darin ablenken konnte. Hermine genoss es, anderen Dinge erklären zu können. „Ilvermorny heißt die nordamerikanische Schule der Zauberei. Gegründet von Isolt Sayre, einer irischen Hexe, die vor ihrer Tante dorthin geflohen ist. Und der MACUSA ist die Abkürzung des Magischen Kongress' der Vereinigten Staaten von Amerika. Praktisch deren Zaubereiministerium."

„Warum sagst du das denn nicht gleich?" Mit Fachbegriffen stand ich auf Kriegsfuß. Oder einfach mit den spezifischen Bezeichnungen für Organisationen in anderen Ländern. Ich war ja schon froh, wenn ich mir Durmstrang und Beauxbatons merken konnte, die Namen der anderen großen Zauberschulen in Europa.

„Aber was soll ich denn schreiben?", wollte ich verzweifelt wissen und zupfte etwas rabiat an meiner Feder. „Eigentlich verbindet meine Mutter schließlich nichts mit Amerika. Nur mein Zauberstab kommt dort wahrscheinlich her, aber der kann jedem beliebigen amerikanischen Auswanderer gehört haben. Und in meiner Vision oder was auch immer das gewesen ist, hat eine Frau mit leicht amerikanischem Akzent gesprochen. Da deutet auch nichts darauf hin, dass sie meine Mutter ist."

„Du hast doch nichts zu verlieren. Frag doch den MACUSA nach den Namen der weiblichen Personen, die nach Großbritannien ausgewandert sind. Und beachte nur die, die halbwegs das gleiche Alter wie dein Vater haben", unterbreitete mir Hermine ihren Vorschlag. „Davon unabhängig kannst du auch noch nach Ilvermorny schreiben und fragen, ob es in dem Zeitraum von Regulus Schulzeit Austauschschüler oder dergleichen gegeben hat. Oder eine Schülerin namens Lauren."

Das klang alles schon ziemlich vernünftig, was wahrscheinlich der Grund war, warum ich nicht alleine darauf gekommen war. Eine Sache beschäftigte mich aber noch: „Und wie bringe ich meinen Zauberstab unter?"

„Nun, du hast selbst gesagt, dass er von irgendeinem Auswanderer stammen könnte. Vielversprechender ist da wahrscheinlich die direkte Suche nach deiner Mutter. Aber du könntest ja noch ein Foto vom Stab beim Brief an den MACUSA mitsenden. Die müssten dann die Besitzer zurückverfolgen können, schließlich gibt es dort viel strengere Regeln diesbezüglich."

Jetzt hatte ich auch nichts mehr zu meckern und zog Hermine nur noch zur Rate, wenn ich Hilfe bei Formulierungen brauchte. Sonst arbeiteten wir schweigend nebeneinander her.

Als ich fertig war, konnte ich die Antworten gar nicht mehr abwarten. Dabei hatte ich allerdings nicht bedacht, dass die Eulen davor erstmal einen weiten Flug übers Meer und um die halbe Welt hinter sich bringen mussten. Ob sie das überhaupt schaffen würden?

Obwohl Hermine ihr Bestes tat, um meine Zweifel mit Zitaten aus Briefeulen – kleine Helfer oder große Helden? zu zerstreuen, blieb ich skeptisch. In der Eulerei suchte ich mir daher auch die kräftigsten Schneeeulen aus, denen der weite Flug und das kalte Wetter hoffentlich nichts ausmachten. Aridia war für die Entfernung und die rauen Meereswinde zu klein und zart.

Ich lockte eine große Schneeeule mit einigen Eulenkeksen. Sie ruckte mit dem Kopf und flog nach einigen Sekunden des Überlegens auf meine ausgestreckte Hand. Diese schwankte deutlich unter ihrem Gewicht, bereits jetzt zitterten meine Muskeln. Auf einem der nahegelegenen Sitzplätze setzte ich sie ab, um den Brief gut befestigen zu können. Bei einer so langen Reise musste sie schließlich Jagdpausen einlegen.

Als ich auch den zweiten Vogel mit Eulenkeksen vollgestopft und mit dem Brief versehen hatte, schickte ich sie auf ihre lange Reise. Sie würden sicher nicht vor dem Anfang nächsten Jahres zurückkehren. Vielleicht hätte ich auch eine weniger beschwerliche Kommunikationsform wählen sollen – dafür war es aber jetzt zu spät. Und ehrlicherweise war mir auch keine weitere bekannt, die ich einfach so anwenden konnte. Höchstens noch Flohpulver, das hatte ich aber noch nie ausprobiert. Zumindest nicht die Version, bei der man nur seinen Kopf in die Flammen steckte.

Ich blickte auf die beiden kleinen Punkte, zu denen die Eulen mittlerweile geschrumpft waren. Durch das aufkommende Schneegestöber waren sie kaum mehr zu erkennen. Doch in mir keimte die Hoffnung, dadurch vielleicht mehr über meine Mutter in Erfahrung bringen zu können. Zusätzlich zu dem möglichen Namen Lauren hatte ich auch noch die Zeichnung meiner Mutter beigelegt, die Dean angefertigt hatte. Mit Hermines Hilfe war es mir gelungen, sie zu vervielfältigen.

Ein vertrautes Kreischen riss mich aus meinen Gedanken. Kurz darauf landete ein kleiner Vogel auf meiner Schulter und rieb seinen Kopf an meiner Wange. Ich musste lächeln und kraulte Aridias weiches Gefieder. Sie stand selten im Mittelpunkt und ich hatte mich gewiss nicht nur einmal nicht ausreichend um sie gekümmert. Daher war es umso schöner zu sehen, dass sie es mir nicht nachzutragen schien.

Eleonora Black und Askabans Gefangener ∥ Ⅲ ∥ AbgeschlossenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt