Der Wahrheit blieb ich immer treu. Ich besaß die richtigen Absichten, die mich nach Operra getrieben hatten und wollte niemandem schaden. Im Gegenteil, ich wollte ihnen allen von Beginn an helfen, obwohl einige von ihnen mich hassten, mir misstrauten. Mein Mut gehörte mir, egal wie sehr sie mich für meine Worte verurteilten und egal wie sehr der Pfeil in meiner linken Schulter schmerzte. Die Sturheit, die dem Mut entsprang, konnte mir keiner nehmen.
Leider blockierte der Pfeil Muskeln, Sehnen oder sogar die Knochen in meiner Schulter. Meinen Arm konnte ich kaum heben und mich beim Ausweichen des Pfeilregens nicht abfangen. Die Haut meiner Wange schürfte über den Pflasterstein, das warme Brennen setzte kurz darauf ein.
„Stirb endlich!" Ein Mann hob sein Schwert und hielt inne, als ich rückwärts zurückrobbte. Ihm fehlte eine Hand. „Stirb!"
Er kippte nach vorne, seine glänzende Klinge sauste an meinem Gesicht vorbei und ein helles Kreischen dröhnte in meinen Ohren, vibrierte in meiner Brust. Luina zog ihren Schnabel aus seinem Rücken und zurück blieb eine klaffende Wunde, aber die Griva schien nicht gesättigt zu sein. Mit einem Satz stürzte sie sich auf die Menschen in meiner Nähe, egal ob Freund oder Feind, sie fegte die kleinen und leichten Frauen von ihren Füßen und versenkte ihre Klauen in all jene, die den Angriff erwiderten.
„Luina!", schrie ich ihren Namen.
Mein Hals fühlte sich rau an, während ich über den toten Mann hechtete und mich zwischen die Griva und die junge Frau stellte, die zuvor meine Beinverletzung versorgt hatte. Ich breitete die Arme aus, doch der Pfeil verkeilte im Gelenk oder den Knochen und ich zuckte zusammen. Die Griva stoppte, ihr grüner Blick lag forschend auf mir und ehe sie sich regen konnte, warf sich etwas Blitzschnelles auf sie.
Teemu.
Die Griva schnappten nach einander und ignorierten meine Rufe. Teemus Schnelligkeit kämpfte gegen Luinas Kraft. Sie jagten sich über den Platz, der mit hunderten Pfeilen gespickt war, wälzten diese unter ihren Körpern platt, fauchten und knurrten. Der Kampf ähnelte einem Gewitter, das sich von den Berghängen ins Tal rollte und lawinengleich alles unter seinem Grollen begrub.
Als sie sich aus dem beißenden und kratzenden Knäul lösten, füllte ich die Distanz, die sie einander eingeräumt hatten. Sie wankten beide zurück, hechelten und blinzelten. Ich spiegelte ihre Bewegungen, achtete darauf, dass Teemu in meinem Rücken und Laris Griva vor mir blieb.
„Beruhigt euch. Beide!" Luina hob den Kopf und musterte Teemu, der noch immer knurrte. „Ihr steht auf derselben Seite. Wir müssen ..."
„Das ist unsere Chance!", hörte ich Ita mir zurufen. „Steig auf und verschwinde mit uns!"
„Luina ist hier, also kann Laris auch nicht weit sein!", konterte ich und ein Schlag traf mich im Bauch. Ich krümmte mich vor, keuchte auf und schluckte die Magensäure herunter. Vor meinen zittrigen Füßen lag ein großer Stein.
„Du kommst jetzt entweder mit", begann ein großgebauter Mann, der sich neben Ita stellte und einen weiteren Stein hochwarf, „oder wir bringen dich um, damit du dem Feind unsere Pläne nicht verraten kannst."
Welche Pläne sollte ich den Soldaten oder Adelsherren Operras verraten? Es gab keinen Plan, zumindest nicht nach dem Verrat eines anderen und dennoch befürchteten sie, dass ich sie hintergehen würde? Wie viel Misstrauen versteckte sich in ihnen?
„Der Plan war Mist!", schallte es von einem der Dächer und kurz darauf landete ein schwarz gekleideter Mann auf dem Platz. In seiner Hand hielt er einen abgetrennten Kopf und die Übelkeit, die ich eben verdrängt hatte, kam schlagartig zurück. Der Kopf ohne Körper flog durch die Luft und kullerte vor Ita und die anderen.
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Griva - Die Windreiter
Fantasy~Caja sieht ihre Welt brennen, doch statt die Feuer zu löschen, schließt sie sich dem Brandstifter an~ Ein grausamer Fremder, der ihr Henker sein könnte. Ein Fremder, der ihr eine Chance gibt. Ein Fremder, in dem sie mehr vermutete als die schiere G...