28: Blütezeit

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Früher hatte ich das Schweigen als unangenehm empfunden, aber auf unserem Rückweg löste es die Angst vor der Zukunft in mir. Wir hatten uns alles gesagt, was es zu sagen gab. Doch was würde auf dieses wirre Liebesgeständnis folgen? Je weiter wir kamen, desto stärker brannte mein Innerstes. Die Unruhe war frei, schlug auf mich ein, während Laris seine Augen öffnete.

Macoon erstrahlte in der Mittagssonne. Die spitzen Zinndächer spalteten den Himmel und die Wolken. Mauern schlängelten sich in einer Spirale durch die Stadt und schirmten das Leben darin vor allen Gefahren ab. Der Angriff hatte Laris' Leuten gegolten und nicht den Bewohnern.

Statt auf einer der Schutzmauern zu landen, flogen wir weiter ins Stadtzentrum. Ging es Mikael und Ita gut? Hatten sie den Angriff überstanden?

„Ist das richtig?", fragte ich Laris gegen den Wind. Mein Mund war trocken und mein Magen leer. „Können wir einfach in die Stadt fliegen?"

„Wir schon", entgegnete er kurz angebunden. Er saß gekrümmt auf Luina und zog das Seil, das er vor ihre Brust gespannt hatte, fester. „Hast du Mikael oder die anderen ausmachen können?"

Ich erschauderte. „Nein, noch nicht."

Luina stieß einen markerschütternden Ruf aus, den ich noch nie zuvor gehört hatte, und beschleunigte ihr Tempo. Ich drückte meine Waden in Teemus Seite und er hielt mit ihr mit.

Wir fegten knapp über die Dächer hinweg. Eine Frau schrie auf, als sie sich aus dem Fenster beugte und Teemus Schwinge ausweichen musste. Weitere Fenster und Türen öffneten sich. Menschen strömten aus ihren Häusern und starrten in den Himmel.

Ewas Schnelles, Blaues sauste an meinem Kopf vorbei und auf Luina zu. Ich öffnete den Mund, um sie zu warnen, blinzelte in das Sonnenlicht hinein und schloss ihn wieder, sackte leicht zusammen.

„Ihr lebt!", hörte ich Mikael rufen und Tränen schossen mir in die Augen. Auf Sirja schwebte er wenige Meter über Laris. Kleine Schnitte und Blutergüsse zierten sein freudestrahlendes Gesicht. „Du siehst schrecklich aus, Laris. Ich hatte schon Angst, dass wir dich endgültig verloren haben, nachdem du dich geopfert hast. Seit wann schlägt dein Herz für andere du ein Herz für andere?"

„Seitdem ich Caja habe."

Mikael verdrehte den Kopf und schaute mich grinsend an. „Caja, was ist mit deinen Haaren passiert? Bist du unverletzt?"

„Nur ein paar Schrammen und Prellungen. Die Haare können nachwachsen. Wir sollten uns lieber um Laris kümmern!"

„Nichts lieber als das." Mit einem breiten Grinsen ließ sich Mikael zurückfallen und Sirja bremste ein wenig ab, sodass sie nun auf meiner Höhe durch die Luft glitten. „Ich kann es nicht fassen, dass ihr zwei noch lebt. Du hast es geschafft, verdammt!"

„Ich kann es auch noch nicht glauben", entgegnete ich. „Laris hat in seinem Zustand den Herrscher des Südens getötet."

„Meinen eigenen Bruder", ergänzte Laris über uns.

„Sein Bruder hat noch gelebt?" Mikael blinzelte einige Male. „Damit hätte niemand rechnen können."

„Du weißt, dass er seinen älteren Bruder vor Jahren getötet hatte. Zumindest dachte er, dass er das bis vor kurzem."

Er nickte und spähte zu Laris. „Wie schlimm war es?"

„Schlimm", erwiderte ich und er deutete mir an, voraus zu schauen.

Auf dem Hofplatz eines der Adelshäuser im Zentrum der Stadt landete Laris seine Griva. Mikael und ich, folgten kamen hinter ihm auf dem Boden auf. Der junge Mann rutschte von Sirjas blauen Flügeln und breitete die Arme zur Begrüßung aus.

Griva - Die WindreiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt