Tod, Krieg und Frieden waren nur Namen für Zustände, die wir nicht umschreiben konnten, weil wir entweder keinen davon kannten oder allesamt ignorierten. Krieg und Frieden waren nie schwarz oder weiß, sondern rot, bis sie beide in einer grauen Masse endeten, die wir Menschen als Tod bezeichneten.
Menschen waren wie Pflanzen. In ihnen steckte das, was wir Leben nannten und das, was wir als den Tod fürchteten, auch wenn es keiner sehen konnte. Denn wie die Pflanzen versteckten die Menschen vieles hinter der eigenen Schönheit, bis diese verwelkte, sie selbst verrotteten und erneut aus der Erde herausbrachen.
Der Duft von frisch gebackenen Törtchen vermischt mit dem rauchigen Geruch des Zigarettenqualms verweilte in der Luft und das entzückende Gelächter des Nachmittagstees drang über die Fassade, während ich mit beiden Händen im feuchten Dreck wühlte. Ein kleiner Wurm drang aus der Erde und quetschte sich zwischen meinen Fingern hindurch an die Oberfläche. Ich sammelte ihn auf und legte in beiseite, um die restlichen Hortensien einzusetzen.
„Es sind nur Stiele", mäkelte die junge Herrin Dorenis und wippte auf ihren Absätzen nach vorn, sodass der Saum ihres Kleides über den sandigen Boden schleifte.
Es machte mich wahnsinnig, dass sie mir ständig über die Schulter schaute und mir ihre Unzufriedenheit in einem getakteten Rhythmus mitteilte. Allerdings hatten ihre Besuche auch ihre Vorteile. Ab und zu steckte sie mir Gebäck zu, das die Bediensteten des Adels sonst nur aus der Ferne bestaunen durften.
„Zugegeben, diese Stiele sind noch kein Blickfang." Ich strich über die Blätter, um sie von den Sandkörnern zu befreien. „Pflanzen bitten nicht um Erlaubnis und entschuldigen sich nicht für ihre Existenz, selbst wenn sie Euch nicht zusagt, junge Herrin", erklärte ich und legte die Ranken des Efeus über die weißen Steine, die das Hortensienbeet vom Gehweg trennten. „Eine Pflanze wächst, wie ihr beliebt und nicht, wenn Ihr es ihr befehlt. Sie werden wachsen und blühen, wenn sie dafür bereit sind."
Für die Geduld beneidete ich diese Hortensien. Sie benötigen nur Wärme, Erde für ihre Wuzeln und Wasser, um die menschgemachten Grenzen zu überwinden. Sie ignorierten die Worte, das Bitten, das Flehen ihrer Schöpfer. Ich hingegen musste gehorchen, egal wie sehr ich mich zur Sonne streckte.
„Aber ich habe keine Zeit darauf zu warten, dass sich diese Stiele dazu entscheiden, zu blühen!"
Elenor stapfte an mir vorbei, so wie es ein trotziges Kind tat, und wollte gerade eine der jungen Pflanzen abreißen, da ergriff ich ihre Hand.
„Verzeiht, ich wollte nicht ..."
„Mir läuft die Zeit davon!"
Kaum ließ ich ihren Arm los, raffte sie ihren Rock und stieg mit einem langen Schritt über das Beet hinweg. Sie spitzte die Lippen, blinzelte kurz und hob die Hand, winkte mich heran.
Ich wischte mir die Finger an der Hose ab und knibbelte den Dreck unter den Nägeln im Gehen ab. Normalerweise würde ich ihr nicht folgen, aber heute schien sie ihre Sorge zur Abwechslung nicht zu dramatisieren und wirkte verletzlich.
„Sie schicken mich fort, Caja", schluchzte sie und setzte sich auf eine weiße Bank, die ein Rosenbogen überragte, den ich vor zwei Jahren aufgestellt hatte. „Meine Eltern schicken mich an die nordwestliche Front! Ich will nicht gegen die Nordmänner kämpfen, mich in Dreck und Blut wälzen, nur damit unsere Familie ein Stück von der Kriegsbeute abbekommt."
„Aber Ihr kämpft gut mit dem Schwert."
„Ich weiß, deswegen entsenden sie auch mich und nicht Elli. Der Knirps kann trotz seiner zwölf Jahre kein Schwert gerade halten. Und er ist zu jung, aber das wäre für meine Eltern kein Grund, ihn hierzubehalten." Sie rückte ihre Kette mit der goldenen Rose, die knapp über ihrem Herzen auflag, zurecht. „Ich habe Vorkehrungen getroffen, die mir die Schlacht und den Kampf ersparen."
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Griva - Die Windreiter
Fantasia~Caja sieht ihre Welt brennen, doch statt die Feuer zu löschen, schließt sie sich dem Brandstifter an~ Ein grausamer Fremder, der ihr Henker sein könnte. Ein Fremder, der ihr eine Chance gibt. Ein Fremder, in dem sie mehr vermutete als die schiere G...