7: Mit Misstrauen getränkt

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Ich saß am Feuer, schaute den Holzscheiten beim Zerfall zu und lauschte dem Knistern der Glut, die sich tiefer in den Stapel fraß. Meine Glieder hingen schlaff an meinem Körper und mein Magen freute sich bereits auf das Brot, das an langen Stöcken über den Flammen hing.

Der Kriegsrat hatte mich ausgelaugt, zerstört. Die Sommer in Birla waren warm und die Arbeit auf den Wiesen außerhalb der Stadt anstrengend. Meine Fingernägel bekam ich nicht mehr sauber, meine Haare verloren ihren Glanz und meine Muskeln schmerzten so sehr, dass ich sie kaum noch spürte. Jeder Tag auf den Feldern lähmte meine Arme und Beine mehr. Doch keine Gartenarbeit hatte mich jemals so einsinken lassen wie diese Ratssitzung. Ein Häufchen Elend, mehr war nicht von mir übrig.

Ich streckte meine Beine aus und das rechte Kniegelenk knackte. Lauer Wind wehte durch mein Haar und ich strich über die Stelle oberhalb meiner Brust, die Laris mit seinem Schwert angekratzt hatte. Die Wunde war kaum zu spüren und verkrustet. Er hätte mich in Birla umbringen können.

Birla war Geschichte und den Rest des Westens hatte ich an den Norden verraten. Würde ich Laris wütend machen, so wütend, dass er mich nicht einfach tötete, sondern allein in den Wäldern zurückließ, besaß ich kein Anrecht darauf, ihm zu folgen oder nach Birla zurückzukehren. Falls es noch eine Stadt gab, zu der es sich lohnte zurückzukehren.

Die Flammen bleckten hinauf, streiften die Brotklumpen und färbten sie an der Unterseite schwarz. Ich nahm eines an mich und biss hinein. Das Verbrannte legte sich auf meine Zunge, schmeckte bitter und erst nach einigen weiteren Bissen schmeckte ich das Salz des Teiges.

Ich dachte daran, wie sich der Winter im Norden anfühlte. In Birla schneite es nie. Es gab keine Winter, einzig milde Temperaturen. Perfekt für den Garten und meine Arbeit, die nicht mehr meine war. So viel Unbekanntes lag vor mir. Meine Ausflüge hatten mich nie weiter als bis in die Wälder rund um Birla geführt. Die Männer und Frauen, die im Lager werkelten und ihren Aufgaben nachgingen, hatten eine Welt kennengelernt, die mir bisher verschlossen war. Sie hatten fremde Grüntöne der Sträucher und Blätterdächer gesehen, andere Speisen gekostet und sangen unbekannte Lieder, summten sie zum Abendbrot. Der Klang lullte mich ein.

„Mach Platz." Ita stieß ihr Knie in meinen Rücken und mit ausgestreckten Händen landete ich Zentimeter von den Flammen entfernt. „Iss dein Brot und verschwinde."

Meine Finger berührten den Brotklumpen, der mit mir auf die Erde gefallen war und im selben Moment, trat ein junger Mann ihn in die Glut. „Verräterin", nuschelte er und ließ sich auf den Stamm fallen, auf dem ich eben gesessen hatte. „Keine Ahnung, was Laris mit dir vorhat, aber wir trauen dir nicht."

Ach tatsächlich? Das wäre mir gar nicht aufgefallen, hätten sie mich nicht zum zehnten Mal an diesem Tage erniedrigt. Ob es nun die Flammen waren, die beinahe meine Haut versengten oder die Eimer voll Dreckwasser, die mich erwischten – ihre Abneigung mir gegenüber blitzte so deutlich in ihren Augen auf wie in ihren Taten.

„Ich kann mir auch nicht vorstellen, woher sie all die Informationen über Operra haben soll", feixte Ita und wischte sich den Mund ab, nachdem sie einen Schluck aus ihrem Wasserschlauch genommen hatte. „Eine Gärtnerin kann nichts, bis auf ein paar hübsche Blumen auf Tischen und Schädeln der Hochgeborenen zu drapieren."

Ich hatte kleinbeigeben wollen, doch sie forderte mich vor allen Anwesenden heraus und ich brauchte einen Wert für sie, um hier bestehen zu können. Ich musste und wollte dazugehören. Also musste ich für mich einstehen, das erste Mal seit langem.

„Du kennst dich offenbar gut mit meiner Arbeit aus", entgegnete ich lauter als sie und zupfte ein neues Brotstück von einem Ast. Die Hitze brannte sich in meine Finger hinein, ebenso wie die Blicke. „Mit Blumen kann man weitaus mehr anstellen, als sie nur zum Schmücken von Köpfen zu benutzen. Zum Beispiel ..." Langsam ging ich ums Feuer herum, sodass es zwischen uns loderte. „Mit Blumen lassen sich ungeliebte Ehefrauen mundtot machen, ohne einen Konflikt zwischen den beteiligten Herrschaftsfamilien heraufzubeschwören."

Griva - Die WindreiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt