Kapitel 44

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Ich:

Es war unerträglich stickig und heiß, obwohl das Stadion nach oben hin offen war. Das Konzert hatte noch nicht einmal angefangen, trotzdem wäre ich am liebsten schon wieder nach Hause gegangen. Die Menschenmassen drückten von hinten, sodass Bree und ich an das Absperrgitter vor der Bühne gepresst wurden und wir kaum Platz hatten uns zu bewegen. Während ich still vor mich hin leidete, schien Bree trotz allem Spaß zu haben. Sie hatte sich mit einer Gruppe Mädchen angefreundet und unterhielt sich nun schon seit geraumer Zeit mit ihnen über das anstehende Konzert. Ich hatte gar nicht erst den Versuch gemacht mich in das Gespräch einzubringen, sondern beschäftigte mich seit wir das Stadion betreten hatten mit meinem Handy, sodass ich kaum etwas um mich herum mitbekam.

„Es kann jeden Moment losgehen!“, meinte Bree in diesem Moment nach einem prüfenden Blick auf ihre Uhr und drehte sich mit strahlenden Augen zu mir um.
„Na super. Kann‘s gar nicht erwarten“, murmelte ich sarkastisch, blickte allerdings ebenfalls auf die Uhr auf meinem Handy. In dem Moment erschien eine Nachricht von Harry, der mir die letzte Stunde über SMS Gesellschaft geleistet hatte.
Muss jetzt los, sorry. Wir reden nachher weiter, okay? Love H xx

Gerade als ich eine Antwort tippen wollte, erlosch das Licht im Stadion und um mich herum brach der Teufel los. Alle kreischten in einer ohrenbetäubenden Lautstärke und die ganze Masse schob sich noch ein paar Millimeter weiter Richtung Bühne, sodass ich nun komplett zwischen schwitzenden Körpern und dem Metallgitter eingeklemmt war. Ich warf Bree einen hilfesuchenden Blick zu, den diese allerdings nicht bemerkte. Stattdessen hatte sie wie alle anderen die weitaufgerissenen Augen auf den Bühnenaufgang geheftete und gab seltsame quietschende Laute von sich.
„Bree.. keine Luft…“, japste ich, während sich langsam Panik in meiner Brust breitmachte. Ich verstand nicht, wie irgendwer so etwas genießen konnte.
Wie durch ein Wunder schien Bree mich doch zu hören, denn sie warf den Mädchen hinter mir wütende Blicke zu, worauf hin diese tatsächlich aufhörten zu schieben. Sobald ich wieder frei atmen konnte, entspannte ich mich augenblicklich ein wenig.

Obwohl sich auf der Bühne nichts tat, steigerte sich das Gekreische ins Unermessliche und eine elektrische Spannung lag in der Luft. Zu meiner Überraschung fühlte ich, wie ich ein wenig von der allgemeinen Aufregung mitgerissen wurde und inzwischen selbst gespannt auf die Bühne schaute.
Wann ging es endlich los?

Harry:


Wir waren mal wieder viel zu spät dran. Liam lief nur in seinen Boxershorts bekleidet an mir vorbei, während Lou versuchte Niall zum Stillhalten zu bewegen, um seine Haare mit etwas Spray zu fixieren.
Ich blickte auf die Nachricht, die ich Anna geschrieben hatte, als Paul verkündete, dass es Zeit war auf die Bühne zu gehen. Muss jetzt los, sorry. Wir reden nachher weiter, okay? Love H xx
Wenn ich gewusst hatte, wie lange es trotz allem noch dauern würde, bis wir alle fertig waren, hätte ich noch eine Weile länger mit ihr schreiben können. Aber andererseits schien Anna inzwischen selbst keine Zeit mehr zu haben, da sie immer noch nicht geantwortete hatte.
„Liam, zieh die endlich was an und komm her!“, rief Zayn, sichtlich genervt von seiner Aufgabe uns alle unter Kontrolle zu bringen. „Die Fans nehmen bald das ganze Gebäude auseinander, wenn wir nicht endlich auftauchen. Wir lassen sie schon viel zu lange warten.“
Erstaunlicherweise schienen seine Worte tatsächlich Wirkung zu zeigen, denn nur wenig später standen wir alle bühnenfertig beisammen.
Da wir eh schon spät dran waren, hielten wir uns diesmal nicht mit irgendwelchem sentimentalen Gerede auf, sondern sprinteten ohne zu Zögern nach einander auf die Bühne.
Obwohl ich schon unzählige Konzerte hinter mir hatte, überwältigte mich der Anblick der tausenden Fans immer wieder aufs Neue. Ich konnte es einfach nicht begreifen, dass sie alle nur unseretwegen hier waren.
Die Scheinwerferlichter richteten sich auf uns und für einen Moment wurde es komplett still. Dann sang ich die erste Note des ersten Liedes und die Halle explodierte regelrecht. Wir grinsten uns gegenseitig an und verteilten uns tanzend und springend auf der Bühne. Das Adrenalin pumpte durch meine Venen und ich ließ mich einfach von dem euphorischen Gefühl davontragen. Nur auf einer Bühne, umgeben von tausenden strahlenden Gesichtern, konnte man sich so lebendig fühlen.  
Die Zeit, in der ich nicht singen musste, verbrachte ich damit in die Menge zu winken, Luftküsse zu verteilen und so viele Menschen wie möglich auf einmal glücklich zu machen.  Sie hatten es alles verdient, ohne die Fans würden wir jetzt nicht hier stehen.
Eine kleine Bewegung in meinem Augenwinkel zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Ich konnte mir selbst nicht erklären, wie ich es zwischen all den anderen Menschen bemerkte, aber irgendetwas brachte mich dazu, mich dahin umzudrehen und genauer hinzusehen.
Es dauerte einen kurzen Moment bis meine Augen sich an das veränderte Lichtverhältnis gewöhnten. Doch sobald ich wieder einigermaßen sehen konnte, scannte ich die Personen, nach irgendetwas dass dieses seltsame Gefühl in mir ausgelöst haben könnte.
Es dauerte lächerlich lange bis ich ihr Gesicht erkannte.
Ein kleiner Teil meines Gehirns fragte sich, wieso ich sie nicht schon von Anfang an bemerkt hatte. Ihr mir so vertrautes Gesicht hob sich deutlich von den anderen ab.
Doch der größte Teil meines Gehirns war unfähig irgendetwas zu denken. Mein ganzer Körper war wie gelähmt, während ich nichts anderes tun konnte, als sie anzustarren. Anna erwiderte meinen Blick mit einem Ausdruck auf dem Gesicht, der mir die Luft zum Atmen nahm und die gesamte Welt auf mich niederschmettern ließ.

Ich:

 Als die Jungen endlich auf der Bühne auftauchten, war ich erleichtert. Noch viel länger hätte ich es nicht unter diesen Umständen ausgehalten. Hoffentlich waren sie das lange Warten tatsächlich wert. Sie positioniertem sich im Halbdunklen nebeneinander auf der Bühne, sodass ihre Gesichter im Schatten verborgen lagen. Dann begann die Musik und die Lichter gingen an.

In dem Moment als ich sein Gesicht sah, setzten sich mit einem Schlag alle Puzzelteile in meinem Kopf zusammen. Auf einmal machte alles Sinn. Die Erkenntnis traf mich wie ein Schlag ins Gesicht und ich hatte das Gefühl der Boden würde mir unter den Füßen weggerissen werden. Das Gekreische der Fans und der hämmernde Bass der Musik vermischten sich zu einem rauschenden Hintergrundgeräusch, dessen Töne wie Wellen über mich hinwegschwappten, während ich mich wie eine Ertrinkende an das Gitter vor mir klammerte. Alles um mich herum verschwamm zu einem Strudel aus Farben und Formen, sodass ich mich auf nichts anders als den Jungen auf der Bühne konzentrieren konnte. Harry lächelte in die Menge, sorglos und unbeschwert, nichts ahnend was nur wenige Meter von ihm entfernt geschah.

Um mich herum tobten die Fans, während ich verzweifelt nach Luft rang. Doch dieses Mal war es nicht die Enge, die mir den Atem nahm. Tausend Gefühle und Gedanken wirbelten in meinem Kopf herum, während Übelkeit mir vorrübergehend schwarz vor Augen werden ließ.
Harry musste irgendetwas bemerkt haben, denn er drehte sich mit einem verwirrten Gesichtsausdruck in meine Richtung. Ich sah seinen Blick über die Menge wandern und hätte mich am liebsten weggeduckt und mich in der anonymen Masse aufgelöst. Doch meine Beine gehorchten mir nicht mehr. Also musste ich in hilfloser Verzweiflung mit ansehen, wie seine Augen jedes einzelne Gesicht musterten und schließlich auf meins trafen.
Für den Bruchteil einer Sekunde schauten wir uns direkt in die Augen und ich fühlte, wie tief in mir drinnen etwas zerbrach.
Gewaltsam löste ich meinen Blick von seinem und schaute mich panisch, wie ein in die Enge getriebenes Tier, um. Ich konnte es keine Minute länger hier drinnen aushalten. Da es unmöglich war, durch die Massen zum Ausgang zu kommen, blieb mir nur noch die Flucht nach vorne. Ich wusste selbst nicht wozu ich die Kraft dazu nahm, aber schon im nächsten Moment hatte ich mich über die Absperrung gehievt und befand mich nun auf dem schmalen Streifen zwischen Bühne und Zuschauerraum.
„Was zur Hölle machst du da?!? Bist du verrückt geworden?!??“ Brees Rufe erreichten mich nur wie aus weiter Ferne. Ich schenkte ihr keine weitere Beachtung, sondern konzentrierte mich ganz auf die Tür, die sich seitlich unter der Bühne befand. Ich hatte keine Ahnung wohin sie führte, aber es war mir auch egal, solange sie mir half Abstand zwischen mir und Harry zu bringen.
Ich kam nur wenige Schritt weit bevor ich von hinten gepackt und zurückgezogen wurde.
„Nicht so schnell..“, knurrte die Stimme eines Security-Typen, während sein Hände meine Arme fest umklammert hielten. Ich kämpfte gegen seinen Griff an, doch er schien meine Bemühungen noch nicht einmal zu bemerken.
„Lass mich los“, flehte ich, nicht mehr in der Lage die Tränen noch länger zurück zu halten. Heißen liefen sie mir über die Wange und tropften auf mein T-Shirt. „Bitte, lass mich los.“
Die Miene des Mannes wurde ein bisschen weicher, doch er schüttelte den Kopf.
„Paul..“ Harry kam langsam über die Bühne zu uns herüber. Ich schaute zu ihm hoch und blickte sofort wieder weg. Es tat einfach zu weh ihn anzugucken.
„Lass mich bitte gehen“, schluchzte ich, den Blick auf den Boden gerichtet. „Bitte.“
Paul guckte zu Harry hoch und obwohl es mit beinahe körperlichen Schmerzen verbunden war, folgte ich seinem Blick.
Harry schaute mich mit einem Ausdruck an, der mir sagte, dass er sein Schicksal schon in dem Moment akzeptiert hatte, als er mich in der Menge erblickte. Er würde nicht versuchen mich aufzuhalten, er wusste, das es dafür zu spät war.
„Lass sie gehen“, sagte Harry mit brüchiger Stimme an Paul gewandt und drehte sich dann weg. Paul wirkte einen Moment unschlüssig, lies mich dann aber los.
Ohne mich noch einmal umzudrehen, rannte ich los auf die Tür zu.
Sobald ich durch sie hindurch war und sie hinter mir geschlossen hatte, brach ich zusammen. Zu kraftlos für irgendetwas anderes, kauerte ich mich auf dem Boden zusammen und ließ den Tränen freien Lauf.

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