Kapitel 30

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Ich:

„One Direction geht auf Tour!!!“, war das erste, das Bree sagte, als sie sich neben Mary und mich hinsetzte. Wie fast jeden Freitagnachmittag saßen wir in dem kleinen Eis-Café, gegenüber von unserer Schule und feierten, dass schon wieder eine anstrengende Schulwoche vorbei war. Luigi, der Besitzer des Cafés, hatte uns bereit erblickt und kam mit unseren obligatorischen Milchshakes auf uns zu, ohne dass wir irgendetwas zu sagen brauchten. Er kannte uns inzwischen gut genug um zu wissen, dass wir immer das Gleiche bestellten.
„One Direction geht auf Tour!“, wiederholte Bree, als niemand von uns reagierte. Ich zwang mich zu einer Grimasse, von der ich hoffte, dass sie wenigstens einigermaßen Begeisterung und Interesse wiederspiegelte. Doch an Brees irritierten Blick konnte ich erkennen, dass mir das wohl nicht wirklich gelungen war.
„Toll, erzähl mehr“, sagte Mary trocken, der Sarkasmus in ihrer Stimme war nicht zu überhören.
Doch Bree ließ sich das natürlich nicht zweimal sagen.
„Sie haben es gestern erst verkündet. In einem halben Jahr geht es los! Ganz am Ende kommen sie auch zurück nach London!“ Sie schnappte nach Luft. „Oh mein Gott, ich muss unbedingt Karten kaufen! Am besten für den Innenraum ganz vorne an der Bühne. Wir werden so nahe an ihnen dran sein. Ahh ich kann es jetzt schon kaum erwarten!“

Wir?!“, unterbrach ich sie und verschluckte mich fast an meinem Michshake. „Keine Chance.“
„Ach komm schon…“ Bree warf mir einen flehenden Blick zu. „Es wird sicherlich lustig.“
Ich schüttelte stur den Kopf. „Ganz sicher nicht. Ich werde doch nicht so viel Geld ausgeben nur um diese komischen Typen auf der Bühne rumhampeln zu sehen.“
Mary neben mir gluckste aber verstummte sofort als Bree ihr einen bösen Blick zu warf.

„Ich war übrigens letzten Samstag mit Harry auf einer Party“, verkündete ich schnell um das Thema zu wechseln. Bisher war ich noch nicht sicher gewesen, ob ich meinem Freunden wirklich davon erzählen wollte, aber jetzt gerade schien ein guter Moment zu sein. Alles war besser als noch länger Brees Gerede über diese nervige Band anzuhören.

Die Ablenkung schien zu funktionieren, denn sofort hingen meine beiden Freunde förmlich an meinen Lippen und wollte jedes noch so kleine Detail wissen.
Ich erzählte ihnen alles ausführlich, obwohl sich bei der Erwähnung von Taylor und Harrys Kuss mein Magen schmerzhaft zusammenzog.

„Ich weiß wirklich nicht was ich von Harry halten soll…“, murmelte ich. „In einem Moment ist er der netteste und lustigste Junge, den ich kenne. Aber schon im nächsten Moment verhält er sich komplett anders und lässt nichts mehr an sich ran. Das macht mich echt verrückt.“
Bree nippte nachdenklich an ihren Milchshake und Mary schaute mich mit besorgt gerunzelter Stirn von der Seite aus an.
„Der Typ hat eindeutig irgendwelche schwerwiegenden Komplexe in seinem Leben, mit denen er nicht umgehen kann“, analysierte sie fachmännisch. „Vielleicht irgendein Erlebnis in seiner Kindheit, das er nicht verarbeitet hat?“
Ich zuckte ratlos mit den Schultern. „Nicht das ich wüsste. Allerdings gibt es irgendetwas, das er vor mir geheim hält. Aber ist es unmöglich irgendwas aus ihm oder seinen Freunden darüber herauszubekommen.“
Bree schnaubte. „Meiner Meinung nach klingt der Typ einfach wie ein Arschloch, der sich ein wenig in seinem eigenen Spielchen verstrickt hat.“
Instinktiv wollte ich etwas erwidern um Harry zu verteidigen, doch dann beschloss ich, dass es vielleicht ganz sinnvoll sein könnte, Bree zuzuhören. Von uns allen hatte sie am meisten Erfahrung mit Jungen.
„Hör zu, so kompliziert ist das ganze eigentlich gar nicht.“ Bree beugte sich ein bisschen über den Tisch zu mir herüber.
„Magst du ihn?“
Ich zögerte. „Kein Ahnung... manchmal denke ich ja, aber dann tut er wieder irgendetwas oder sagt irgendwas, was alles wieder komplett ändert. Ich weiß es ehrlich gesagt selbst nicht so genau… Seit ich ihn kenne sind meine Gefühle ein einziges riesen Chaos.“
Bree schüttelte den Kopf. „Die Antwort akzeptiere ich nicht. Magst du ihn; ja oder nein?“
Ich starrte auf meine Hände, die den Milchshake vor mir umklammert hielten.
„Ich denke schon“, flüsterte ich schließlich und spürte wie augenblicklich eine schwere Last von mir abfiel. Mir war gar nicht klar gewesen, wir sehr ich das gebraucht hatte. Es fühlte sich gut an sich die Wahrheit endlich einzugestehen. Ich empfand etwas für Harry und ich hatte viel zu lange versucht dagegen anzukämpfen.

Mary grinste breit, doch Bree sah immer noch nicht zufrieden aus.

„Okay, du denkst du empfindest etwas für ihn. Aber nur weil du seit Wochen nur noch mit ihm rumhängst und anderen Jungs gar keine Chance gibst. Ich wette, wenn du dich mal mit anderen treffen würdest, würdest du merken, dass es viel bessere Typen als Harry gibt.“
Ich musste nicht sehr überzeugt ausgesehen haben, denn Bree richtete sich noch ein Stückchen weiter auf.
„Hör mir zu. Du nimmst jetzt dein Handy, rufst den erst besten Jungen an, der dir einfällt und triffst dich mit ihm. Kein Date oder so, einfach nur treffen als Freunde. Und danach erzählst du mir ob du diesen Harry immer noch so toll findest.“
Ich warf einen zweifelnden Blick zu Mary rüber, doch sie zuckte nur die Schultern.
„Klingt gut, finde ich. Dann kannst du dich endlich mal ein bisschen von ihm ablenken. Und vielleicht hat Bree ja wirklich Recht und Kontakt zu einem anderen Jungen wird dir gut tun.“
Ich seufzte ergeben und zog mein Handy aus der Tasche. Da mich Brees und Marys abwartende Blicke ein wenig nervös machten, stand ich auf und ging ein paar Schritte von unserem Tisch weg.
Ratlos schaute ich auf mein Handy und scrollte unentschlossen durch meine Kontakte.
Ich hatte nicht wirklich Lust mich mit irgendeinem Jungen außer Harry zu treffen, aber andererseits würde es mir vielleicht wirklich weiterhelfen. Und selbst wenn nicht, konnte ich dann wenigstens sagen, dass ich es versucht hatte.
Kurz entschlossen drückte ich auf einen Namen und hielt mir das Handy ans Ohr.
Liam ging fast augenblicklich dran.
„Hey, was gibt’s?“, fragte er. Im Hintergrund waren mehrere Stimmen zu hören, doch dann schien er sich eine ruhige Ecke gesucht zu haben.

„Hast du vielleicht Lust dich mit mir zu treffen?“, fragte ich gerade raus und hielt dann abwartend die Luft an. Ich hatte beschlossen, dass es am leichtesten wäre einfach direkt auf den Punkt zu kommen.
„Jetzt gleich?“ Die Überraschung und Verwirrung in Liams Stimme war nicht zu überhören.
„Natürlich nur wenn du Lust hast…“, antwortete ich schüchtern.
Liam stieß ein kleines, nervöses Lachen aus. „Ja, natürlich habe ich Lust. Aber was ist mir dir und Harry? Findet er das okay, wenn wir uns treffen?“

„Ja, er hat nichts dagegen“, log ich und schämte mich augenblicklich dafür. Lügen war noch nie meine Stärke gewesen, aber anderseits sah ich es nicht ein, warum Harry so viel Kontrolle darüber haben sollte, mit wem ich mich traf.  

„Okay…“, erwiderte Liam zögernd, doch an seiner Stimme konnte ich hören, dass er mir nicht glaubte. Er holte tief Luft und schien kurz mit sich zu ringen.
In dem Moment piepte mein Handy um mir zu signalisieren, dass ich eine SMS bekommen hatte. Ich ignorierte es und wartete angespannt darauf, was Liam sagen würde.
„In einer halben Stunde bei dir?“, fragte er schließlich, jedes Wort schien ihn Überwindung zu kosten.

„Klingt gut. Bis dann“, sagte ich lächelnd und legte auf.
Ohne noch einmal auf mein Display zu gucken, steckte ich mein Handy weg und ging zurück an den Tisch.
„Sieht so aus als würde ich mich in einer halben Stunde mit einem Jungen treffen“, teilte ich meinem Freunden mit einem breiten Grinsen mit.
Bevor sie mich mit Fragen bombardieren konnten, schmiss ich ein wenig Geld auf den Tisch, winkte ihnen zwinkernd zu und machte mich auf den Weg nach Hause.

Harry:

Es war schon länger als eine Stunde her, dass ich Anna geschrieben hatte und sie hatte immer noch nicht geantwortet. Nach dem Interview waren wir alle zusammen zu meiner Wohnung gefahren, die immer mehr zu einem inoffiziellen Bandraum wurde, und hatten ein wenig rumgehangen. Liam war relativ schnell wieder gegangen und auch die anderen hatten sich nach und nach verabschiedet. Sobald alle weg gewesen waren, hatte ich mich in mein Auto gesetzt und fuhr jetzt schon seit einer Weile ziellos durch die Gegend.
Mein Blick wanderte zu dem großen Blumenstrauß auf dem Beifahrersitzt, den ich frisch gekauft hatte. Wenn Anna sich noch länger Zeit ließ, würde ich gezwungen sein zurück zu meiner Wohnung zu fahren und ihn in eine Vase zu stellen.
Zum gefühlten tausendsten Mal blickte ich auf mein Handy und hoffte, dass wie durch Zauberei eine Nachricht von Anna auftauchen würde. Doch nichts passierte.
„Scheiß drauf“, murmelte ich schließlich durch zusammengebissene Zähne und trat aufs Gas.
Es schien so, als hätte ich keine andere Wahl, als auf gut Glück bei ihr vorbei zu fahren und zu hoffen, dass sie da war und Zeit hatte.
Sobald ich den Entschluss gefasst hatte ging es mir schon viel besser. Die spontanen Ideen sind ja angeblich eh die besten…

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