Kapitel 10

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Langsam ließ ich mich auf einen der Barhocker fallen und schaute Louis abwartend an. Dieser erwiderte meinen Blick mit einer Ernsthaftigkeit, die für seine sonst so fröhliche und humorvolle Persönlichkeit, total untypisch war.
„Du bist mein bester Freund, Harry“, begann er schließlich. Ich merkte, dass er seine Worte mit Bedacht wählte. „Und ich vertraue dir. Aber manchmal habe ich das Gefühl, dass ich dich beschützten muss…“
Ich starrte ihn verständnislos an. „Beschützten? Vor wem?“
„Vor allem vor dir selbst.“ Louis trat ein paar Schritte auf mich zu. „Ich will einfach, dass du vorsichtig bist. Ich weiß, du hast dich in diese aberwitzige Idee verrannt, dass du und Anna Freunde werden könnt. Aber sei doch mal ehrlich, wie lange wird es dauern bis sie die Wahrheit erfährt?“
Ich verdrängte die Gewissheit, dass er Recht hatte und schaute ihn stattdessen wütend an.
„Nicht lange, da du ja anscheinend vorhast es ihr zu sagen.“ Volltreffer. Ich konnte an der Art, wie Louis sein Gesicht verzog, erkennen, dass er genau das vorgehabt hatte.

„Anna hat ein Recht darauf die Wahrheit zu erfahren“, verteidigte er sich leise.  „Ich kenne dich Harry. Du hasst lügen. Also tu dir selbst einen Gefallen und beende dieses Spiel, bevor es zu spät ist.“
Ich ballte meine rechte Hand zu einer Faust. „Es ist kein Spiel.“
„Ich weiß.“ Ein seltsamer Unterton schwang in Louis Stimme mit. „Ich habe gesehen, wie du sie anschaust. Du magst sie. Und genau das ist der Grund wieso du es beenden musst. Du kannst keine Beziehung mit jemandem anfangen, der nicht mal weiß wer du wirklich bist.“
Ich blickte an Louis vorbei, auf Anna, die immer noch auf dem Sofa saß und sich angeregt mit Liam, Niall und Zyan unterhielt. Niall sagte anscheinend irgendetwas Lustiges, denn Anna fing an zu lachen, wobei ihr langes, seidiges Haar auf und ab hüfte. Ich schaute wieder Louis an. „Du irrst dich. Von all den Mädchen da draußen, ist sie vermutlich die einzige, die weiß wer ich wirklich bin.“
Mit diesen Worten stand ich auf und schob mich an ihm vorbei. Doch bevor ich aus der Küche trat drehte ich mich noch einmal zu ihm um. „Louis, wenn du wirklich mein bester Freund bist, dann musst du mir vertrauen. Versprich mir, dass du Anna nicht die Wahrheit sagst.“ Ich blickte Louis flehend an. Dieser zögerte einen Moment, nickte dann aber.
„Ich hoffe für dich, dass du weißt was du tust…“, murmelte er so leise, dass ich ihn kaum verstehen konnte. Ich wich seinem Blick aus und ging zurück zum Sofa zu den anderen.

 Zu meiner Überraschung hielt Louis sein Versprechen. Den Rest des Abends war er vorlaut, frech und zu jedem Spaß bereit, ganz wie ich ihn kannte. Keiner von uns beiden erwähnte nochmal das Gespräch in der Küche. Es war so, als hätte es nie stattgefunden.

„Kannst du singen, Harry?“, fragte Anna auf einmal und sofort wurde es totenstill im Raum. All Blicke ruhten auf mir, gespannt ob ich endlich mit der Wahrheit herausrücken würde. Ich schaute rüber zu Louis. Hatte er doch sein Versprechen gebrochen und mit Anna geredet? Doch dieser schüttelte, als Antwort auf meine stumme Frage, den Kopf und zuckte ratlos die Schultern. Ich fing an nervös auf meiner Unterlippe rumzukauen und räusperte mich schließlich.
„Wie kommst du darauf?“, fragte ich an Anna gewandt, angestrengt um einen neutralen Gesichtsausdruck bemüht.

„Naja, warum sollten dort sonst Mikrofone rumstehen?“, antwortete sie mit einem Lächeln und deutete auf die erhöhte Plattform mit den Instrumenten.  Ich lachte erleichtert auf und sah aus dem Augenwinkel wie sich auch die anderen wieder entspannten.

„Ach so ja klar.“ Ich schmunzelte. „Ich singe. …. In meiner Freizeit“, fügte ich noch schnell hinzu und ignorierte dabei Louis vorwurfsvollen Blick. Annas Augen fingen an zu funkeln.
„Kannst du mir was vorsingen?“
Ich rutschte unbehaglich auf meinem Stuhl hin und her.
„Ich weiß nicht… Ich singe nicht so gerne vor anderen Leuten“, log ich ausweichend. Kaum hatte ich das gesagt, fing Liam an zu husten, was sich allerdings verdächtig nach einem unterdrückten Lachen anhörte. Ich konnte es ihm nicht verübeln. Schließlich war ich immer derjenige, der davon schwärmte, wie toll es war vor so vielen Fans singen zu können und wie sehr ich es liebte auf der Bühne zu stehen. Trotzdem warf ich ihm einen warnenden Blick zu.
„Bitte Harry“, bettelte Anna und schaute mich mit einem flehenden Hundeblick an. Verdammt, ich konnte ihr einfach nichts abschlagen.
„Na schön“, gab ich mich schließlich geschlagen, schnappte mir eine Gitarre und ließ mich auf einen Hocker vor eines der Mikrofone nieder. „Welches Lied soll ich singen?“
Anna dachte einen Moment nach, dann leuchtete ihr Gesicht auf. „Kennst du Hurt Lovers von Blue?“
Ich blickte sie überrascht an. „Ja, es ist einer meiner Lieblingslieder.“
Ich holte ein letztes Mal tief Luft und stimmte dann die ersten Akkorde auf der Gitarre an. Sofort merkte ich wie sich das gewohnte Glücksgefühl in mir breitmachte, dass ich immer spürte, wenn ich Musik machte. Ich schaute Anna tief in die Augen, dann fing ich an zu singen.

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