Kapitel 20

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Ich:

Verwirrte lehnte ich mich gegen den Türrahmen und konnte nicht verhindern, dass mein Blick suchend über die Straße vor meinem Haus wanderte. Ich wusste nicht wieso ich mir überhaupt die Mühe machte nach Harry Ausschau zu halten; dass er nicht dabei war, war mir schon nach der ersten Sekunde aufgefallen. Trotzdem machte sich ein kleiner Stich der Enttäuschung bemerkbar, der mich innerlich die Augen verdrehen lies. Gott, ich war so erbärmlich…
„Ich muss mit dir über etwas wichtiges reden“, sagte Louis und in seiner Stimme schwang ein seltsamer Unterton mit, den ich nicht ganz recht zuordnen konnte. Liam sagte nichts.
Ich fuhr mir mit der rechten Hand durch meine immer noch feuchten Haare und blickte unschlüssig zwischen den beiden hin und her.

„Ich will wirklich nicht unhöflich sein, aber habt ihr mal auf die Uhr geguckt?“, murmelte ich schließlich und unterdrückte ein müdes Gähnen.
„Sie hat Recht, Louis. Es ist schon spät. Wir können wann anders wieder kommen.“ Liam warf Louis einen Blick von der Seite zu, den dieser aber komplett ignorierte.
„Sorry Anna, aber dieses Gespräch wurde schon viel zu lange aufgeschoben“, erwiderte Louis.
Was für ein Gespräch? Worüber redete er?
„Na schön…“, gab ich zögernd nach und trat ein paar Schritte zurück ins Haus. „Kommt doch rein.“ Louis folgte mir augenblicklich, doch Liam griff nach seinem Arm und hielt ihn so zurück.
„Was?!“, fuhr Louis ihn genervt an und ich zuckte bei seinem harschen Ton unwillkürlich zusammen. Irgendwas musst zwischen den beiden passiert sein, bevor sie beschlossen hatten an meiner Tür zu klingeln. Als ich sie das letzte Mal getroffen hatte, hatten sie sich komplett anders verhalten. Damals waren sie mir fast wie Brüder vorgekommen, aber jetzt gerade schienen sie sich regelrecht zu hassen.
„Du kannst da nicht einfach so reingehen“, erwiderte Liam ruhig.
 Wieso?
„Wieso?“, sprach Louis meinen Gedanken aus.
Liam schien es nicht für nötig zu halten darauf zu antworten, sondern schaute Louis stattdessen nur durchdringlich an. Dieser seufzte schließlich ergeben und drehte sich wieder zu mir um.
„Bist du alleine zuhause, Anna?“, fragte er.
Wie bitte? Das klang wie eine Szene aus einem schlechten Horrorfilm. Wenn das hier nicht Harrys Freunde gewesen wären, hätte ich ihnen schon lange die Tür vor der Nase zugeschlagen.
„Nein“, antwortete ich wahrheitsgemäß.  „Zwei meiner Freunde sind zu Besuch.“
Liam und Louis wechselten einen schnellen Blick und ich bekam langsam das Gefühl, dass mir hier eine entscheidende Information fehlte.
„Wir bleiben hier draußen. Das Gespräch wird nicht lange dauern“, änderte Louis auf einmal überraschend seine Meinung. Ich schaute verwirrt zu Liam herüber, der jedoch seltsamerweise meinem Blick auswich. 
Also zuckte ich gleichgültig mit den Schultern und lehnte mich wieder gegen den Türrahmen. „Na dann, was ist denn so wichtig?“
Als Louis gerade den Mund öffnen wollte um zu antworten, meldete sich Liam zu Wort.
„Willst du ihm das wirklich antun?“ Er sprach leise, den Blick auf den Boden vor ihm geheftet.
Louis schien für einen Moment aus dem Konzept gebracht worden zu sein, fasste sich aber schnell wieder.
„Es ist das Beste für ihn.“
„Du bist nicht in der Position dass zu entscheiden.“ Liams Stimme hatte einen scharfen Klang angenommen.
Louis antwortete nicht, sondern drehte sich wieder zu mir.
Ich hatte den kurzen Schlagabtausch mit gerunzelter Stirn verfolgt und wartete darauf, dass mir endlich mal jemand erklärte, worum es hier eigentlich ging.
„Anna, erinnerst du dich noch daran, als du Harrys das erste Mal getroffen hast?“  Louis sprach auf einmal sanft und bedachte mich mit einem fast traurigen Blick.
Ich nickte. „Ja er wollte mir ein Autogramm andrehen.“ Bei dem Gedanken an unsere erste, seltsame Begegnung musste ich lachen.  „Ich habe ihn zu erst für total verrückt gehalten. Und das alles nur wegen eurer dämlichen Wette, Liam.“

„Wette?“, fragten Liam und Louis gleichzeitig und wechselten wieder einen ihrer vielsagenden Blicke.
„Ja, er meinte er hätte mit Liam gewettet, wie viele Menschen ihn für berühmt halten würden, wenn er einfach so auf der Straße Autogramme verteilte…“
Zu meiner Verwirrungen war es Louis, der auf einmal schallend loslachte während Liam dagegen fassungslos den Kopf schüttelte.
„Was ist daran so lustig?“, fragte ich, inzwischen leicht gereizt. Die Tatsache dass ich von nichts eine Ahnung zu haben schien nervte mich gewaltig.
Augenblicklich verstummte Louis und Liam warf mir einen seltsamen Blick zu.

„Anna? Alles klar bei dir da unten?“, ertönte Brees Stimme auf einmal von der Treppe die hoch zu meinem Zimmer führte.
„Ja. Komme gleich!“, rief ich zurück und hoffte dass das tatsächlich stimmte. Ich hatte keine Ahnung wie lange dieses „Gespräch“ noch dauern würde. Seufzend zog ich mein Handy aus der Tasche um zu sehen wie viel Uhr es inzwischen war. Aus dem Augenwinkel sah ich wie Liam sich zu Louis umdrehte und tonlos die Lippen bewegte. Erfolglos versuchte ich die Worte zu entziffern, ohne mir allerdings anmerken zu lassen, dass ich es mitbekommen hatte. Louis schien sofort zu verstehen was Liam ihm sagen wollte, denn er nickte knapp. Sobald ich mein Handy wegsteckte, drehten sich beide wieder mit neutraler Miene zu mir um.
„Ich wollte es dir eigentlich schonend beibringen, aber anscheinend bleibt uns nicht viel Zeit“; sagte Louis und mir viel auf wie er immer wieder einen nervösen Blick ins Haus hinter mir warf. „Harry ist  nicht der, für den du ihn hältst.“
Diese Worte kamen mir seltsam vertraut vor. Stirnrunzelnd versuchte ich mich daran zu erinnern, wo ich sie schon mal gehört hatte. Überrascht zog ich die Luft zwischen den Zähnen ein, als mir einfiel dass Harry genau das gleich gesagte hatte. Direkt nach unseren… naja meinem Versuch ihn zu küssen. Er wollte noch irgendetwas anders hinterher sagen, aber dann hatten wie so übereilt aus dem Schwimmbad verschwinden müssen, dass ich ganz vergessen hatte ihn danach zu fragen.
„Wer ist er?“, flüsterte ich schließlich mit zitternder Stimme, nicht ganz sicher ob ich es wirklich wissen wollte. Mir war von Anfang an klar gewesen, dass es da etwas gab, das Harry vor mir geheim hielt. Aber ich hatte ihn nie gedrängt es mir zu erzählen, weil wir erstens noch nie wirklich die Gelegenheit dazu geboten hatte und zweites war ich der Meinung, dass jeder das Recht auf ein paar Geheimnisse hatte, die nur einem selbst gehörten.
Als ich mir das klar machte, wurde mir etwas anders ebenfalls klar. Ich wollte gar nicht wissen was Harrys Geheimnis war. Jedenfalls nicht so lange er nicht bereit war es mir selbst zu erzählen.
„Warte!“, rief ich hastig als Louis gerade zum erzählen ansetzten wollte. „Ich weiß zwar nicht worum es geht und erst recht nicht, wieso es euch so wichtig ist, dass ich es erfahre…“ Louis öffnete den Mund um mich zu unterbrechen, aber ich hob abwehrend die Hand. „Aber es ist Harrys Geheimnis und von daher sollte er auch derjenige sein, der entscheidet, ob er es mir erzählen will oder nicht.“
Während ich sprach blickte ich auf meine Hände, die unbewusst an Harrys T-Shirt, dass ich immer noch trug, herumzupften.
Als ich wieder aufblickte, bemerkte ich dass Liam mich beobachtet hatte und mich jetzt mit einer Mischung aus Verwunderung und Bewunderung anschaute. Als sich unsere Blicke trafen, lächelte er und mir viel zum ersten Mal auf wie attraktiv er ebenfalls war. Oh man, es wurde echt Zeit, dass ich schlafen ging…
„Annaaaa!“, rief Bree erneut und ich hörte wie sie anfing die Treppe herunter zu kommen.
Liam und Louis schienen dass ebenfalls zu hören, denn sie wechselten erneut einen Blick.
„Verdammt, wir müssen gehen“, presste Louis schließlich zwischen den Zähnen hervor. „Ich hoffe dir ist bewusst auf was du dich mit ihm einlässt, Anna. Manche Geheimnisse sind nicht dazu gedacht Geheimnisse zu sein. Das wird Harry irgendwann auch bemerken. Ich hoffe nur, dass es dann nicht schon zu spät ist.“
Mit diesen Worten drehte er sich um und lief zu einem, am Straßenrand geparktem Auto, das genauso neu und teuer aussah wie Harrys Wagen. Wie zur Hölle konnten die sich alle so etwas leisten?
Liam schien noch einen Moment zu zögern, kam dann aber die paar Schritte auf mich zu und umarmte mich zum Abschied. Er roch fast genauso gut wie Harry und von so nah konnte ich deutlich die Muskeln sehen, die sich unter seinem T-Shirt abzeichneten.
„Du hast die richtige Entscheidung getroffen, Anna“, flüsterte Liam mir ins Ohr, bevor er mich wieder los lies. „Und  du hast mir meinen Arsch gerettet. Harry hätte mich umgebracht, wenn Louis dazu gekommen wäre, alles zu erzählen. Ich schulde dir was.“ Er zwinkerte mir grinsend zu und folgte dann Louis mit großen Schritten.
Nachdenklich blickte ich den beiden Jungen hinterher, als sie in ihr Auto stiegen und dann mit viel zu hoher Geschwindigkeit davon fuhren.
„Wer war das?“, ertönte Brees Stimme hinter mir. Mary stand einige Meter hinter ihr und beide blickten mich neugierig an.
Ich seufzte erschöpft. „Nur zwei Bekannte… nichts Wichtiges.“
Während wir gemeinsam wieder die Treppe hoch zu meinem Zimmer gingen, ließ ich nochmal das Gespräch von eben Revue passieren. Nachdenklich zog ich mein Handy aus der Tasche und ließ meinen Daumen über Harrys Namen schweben.
Wir müssen reden, tippte ich schließlich eine Nachricht an ihn, ließ mich dann vollkommen erschöpft in mein Bett fallen und schlief einigen Sekunden später ein.

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