Kapitel 32

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Ich:

Langsam drehte ich mich zurück zu Harry. Sein Gesicht zeigte keine Regung, doch die Art, wie er mich anschaute, sagte genug.
„Harry…“, setzte ich an, ohne zu wissen, was ich sagen sollte.
Bei dem Klang seines Namens schien Harrys perfektes Pokerface für einen kurzen Moment zu verrutschen, sodass ich für den Bruchteil einer Sekunde die tiefe Enttäuschung sehen konnte, die er darunter verborgen hielt.
Doch schon im nächsten Moment kehrte die ausdruckslose Fassade zurück.
Liam kam langsam ein paar Schritte näher auf uns zu, stellte sich neben mich und legte mir dann beruhigend die Hand auf die Schulter.
Ich war mir sicher, dass die Geste nur gut gemeint war, trotzdem wünschte ich mir, dass er ein wenig Abstand halten würde. Es machte die Situation nicht wirklich besser.

Harrys Kiefermuskeln spannten sich kaum merklich an, als er den Blick von mir löste und stattdessen auf Liams Hand auf meiner Schulter schaute.
Einen kurzen Moment lang sah es so aus, als würde er irgendetwas sagen wollen.
Ich ertappte mich dabei, dass ich mir sogar wünschte, dass er die Kontrolle verlieren und uns anschreien würde. Wenigstens würde ich dann wissen, was gerade in ihm vorging.
Doch stattdessen atmete Harry einmal tief ein und schloss für einen kurzen Moment die Augen. Als er sie wieder öffnete, war sein Blick leer und emotionslos.
Wie in Zeitlupe beobachtete ich, wie sich seine rechte Hand öffnete und der Blumenstrauß lautlos zu Boden fiel.
Ohne einen weiteren Blick in meine Richtung drehte er sich um und ging die Ausfahrt vor meinem Haus herunter. Seine Körperhaltung war aufrecht und selbstbewusst, doch sein Gang hatte den federnden Schritt verloren, mit dem er sich sonst fortbewegte. 

Harry war schon fast bis zur Straße gekommen, als ich endlich wieder einen klaren Gedanken fassen konnte.
„Warte!“, rief ich ihm hinterher und wie durch ein Wunder blieb Harry tatsächlich stehen.

Sofort wollte ich zu ihm hinrennen, doch dann wurde mir wieder bewusst, dass Liam direkt neben mir stand. Als ich mich zu ihm umdrehte, schaute er mich mit enttäuschtem Blick an. Seine runterhängenden Schultern zeigten mir, dass er sich denken konnte, was ich gleich sagen würde und es bereits akzeptiert hatte. Doch sein Blick gab mir zu verstehen, dass gehofft hatte, dass ich mich anders entscheiden würde.
„Ist schon okay…“, sagte er, bevor ich überhaupt dazu kam, den Mund aufzumachen. „Ich bin es inzwischen gewohnt. Schließlich ist er Harry Styles.“ Er sprach Harrys Namen mit einem komischen Unterton aus, der mir das Gefühl gab, dass es hierbei um mehr ging als nur um mich.

Ich schaute Liam entschuldigend an.
„Ich kann ihn einfach nicht gehen lassen“, versuchte ich verzweifelt mich zu erklären, flehte beinahe um sein Verständnis.
„Ich glaube, ich liebe ihn.“ Schon während die Wörter meine Lippen verließen, wurde mir klar, dass sie tatsächlich wahr waren. Ich liebte ihn.

Meine Worte schienen Liam wenig zu überraschen. Trotzdem flackerte kurz Schmerz in seinem Blick auf.

„Du solltest besser gehen“, flüsterte ich, nicht mehr in der Lage ihm länger in die Augen zu sehen. Ich fühlte mich schrecklich Liam so wegzuschicken. Aber alles woran ich denken konnte war, dass Harry nur wenige Meter von mir entfernt stand und auf mich wartete.

Liam nickte ergeben und drehte sich von mir weg.
„Ich würde keine Geheimnisse vor dir haben“, murmelte er so leise, dass ich mir nicht sicher war, ob ich ihn richtig verstanden hatte.
Doch bevor ich nachfragen konnte, war er bereits gegangen.

Harry:

Den Blick, den Liam mir zuwarf, als er an mir vorbei zu seinem Auto ging, ließ mich nur erahnen, was Anna eben zu ihm gesagt hatte. Obwohl ich mich natürlich freute, dass sie sich allem Anschein nach für mich entschieden hatte, konnte ich nicht umhin Mitleid für Liam zu empfinden. Trotz allem war er immer noch einer meiner besten Freunde und niemand wünschte seinem Freund so etwas.
„Tut mir leid“, sagte ich leise, doch Liam tat so als hätte er mich nicht gehört.

Bevor ich mir jedoch weiter Gedanken darüber machen konnte, kam Anna langsam auf mich zu.
Ihre Wangen waren gerötete und ihre Augen leicht glasig, was mich befürchten ließ, dass sie jeden Moment anfangen könnte zu weinen.
Mit wenigen Schritten kam ich ihr entgegen und nahm sie in den Arm. Erst schien sie sich ein wenig dagegen zu sträuben, doch dann gab sie schließlich nach und schmiegte sie an mich.
Wann würde sie sich jemals nicht meinetwegen aufregen müssen? Warum tat ich bloß immer genau das Falsche, selbst wenn ich versuchte das Richtige zu tun? Es war wie verflucht.
„Sorry, dass ich einfach so unangemeldet bei dir aufgetaucht bin und so ein Chaos erzeugt habe“, murmelte ich in ihre Haare. „Ich hatte nur einfach nicht erwartet Liam bei dir anzutreffen.“
Gegen meinen Willen schwang Bitterkeit in meinen Worten mit. Ich hatte mich immer noch nicht ganz damit abgefunden, dass sie sich ohne mein Wissen getroffen hatten und, wie es aussah, auch viel Spaß zusammen gehabt hatten. Mir war klar, dass ich Anna schlecht vorschreiben konnte mit wem sie sich traf… Aber, verdammt noch mal, musste es unbedingt Liam sein?!
Ich kannte Liam lange und gut genug um zu wissen, dass er niemals mutwillig versuchen würde mir Anna wegzunehmen. Meine eigentliche Angst war, dass, wenn Anna nur lange genug Zeit mit ihm verbringen würde, merkte, wie viel besser Liam eigentlich für sie war. Und sobald sie das einmal erkannt hatte, würde ich keine Chance mehr haben.

Der einzige Weg um das zu verhindern, war Liam so gut wie möglich von ihr fernzuhalten.
Anna antwortete nicht, also löste ich mich von ihr und hielt sie eine Armlänge von mir entfernt. Sie sah nicht mehr ganz so aufgelöst aus, wie noch vor einem Moment, trotzdem war mir klar, dass ich mal wieder einiges gut zu machen hatte.
„Vielleicht solltest du dir was anderes anziehen“, wechselte ich schmunzelnd das Thema und ließ sie los. Anna schaute erst an sich runter und dann verwirrt hoch zu mir.
„Es sei denn du willst in Jogginghose bekleidet in das teuerste Restaurant der Stadt gehen“, fügte ich hinzu und ihre Augen weiteten sich vor Überraschung. „Obwohl… das hätte vermutlich auch einen gewissen Unterhaltungsfaktor.“ Ein breites Grinsen stahl sich bei der Vorstellung auf mein Gesicht.

„Du willst immer noch auf ein Date mit mir gehen?“, fragte sie ungläubig.
Ich lächelte schief. „Natürlich. Und jetzt beeil dich. Meine Reservierung ist in einer halben Stunde überfällig.“
Anna zögerte noch einen kurzen Moment, doch dann sprintete sie los ins Haus.

Ich:

Panisch blickte ich in den Spiegel. Wie sollte ich mich nur in so kurzer Zeit einigermaßen passabel aussehen lassen? Das teuerste Restaurant der Stadt, hatte er gesagt. Was trug man bitte, wenn man im teuersten Restaurant Londons zu Abend aß? Hektisch wühlte ich durch meinen Kleiderschrank.
Erst schien meine Suche ergebnislos zu verlaufen und ich begann zu hyperventilieren. Ich sah mich schon dabei, Harry gestehen zu müssen, dass wir das Date leider abblasen müssten, da ich nichts Anständiges zum Anziehen besaß.  
Doch dann blieb mein Blick an einem Stück blau glänzendem Stoff, ganz hinten im Schrank, hängen. Vorsichtig zog ich das Kleid heraus und dankte Mary innerlich, dass sie mich damals überredet hatte es zu kaufen. Sie hatte damals darauf beharrt, dass jedes Mädchen mindestens ein schönes Abendkleid besitzen musste. Obwohl ich die Ansicht damals lächerlich gefunden hatte, war ich jetzt umso dankbarer dafür.
Schnell streifte ich das Kleid über, bürstete mir ein paar Mal durch die Haare und trug dezent Make-up auf.

Ohne noch einmal in den Spiegel zu schauen, griff ich nach meinen Schuhen und meiner Handtasche und stürmte dann die Treppe herunter.
Ein kurzer Blick aus der, immer noch offen stehenden Haustür, zeigte mir, dass Harry neben seinem Wagen stand und auf mich zu warten schien. Schnell zog ich mir die Schuhe an und ging dann, auf einmal ungewöhnlich schüchtern, auf ihn zu. Harry hatte mir den Rücken zugewandt und schien mich nicht zu bemerken, als ich langsam näher kam.
Erst als ich nur noch wenige Schritte von ihm entfernt war, schien er sich meiner Anwesenheit auf einmal bewusst zu werden und drehte sich langsam um.

Seine Augen weiteten sich bei meinem Anblick, was mich dazu veranlasste unsicher stehen zu bleiben.
„Soll ich lieber etwas anderes anziehen?“, fragte ich verunsichert.
Doch Harry schüttelte nur den Kopf, während sein Blick langsam über meinen Körper wanderte. Er schien meinen Anblick regelrecht in sich aufzusaugen, als würde er versuchen, es ganz tief in seine Erinnerungen einzubrennen.
Als er mir endlich wieder in die Augen blickte, war das Grün in seinen Augen strahlender als jemals zuvor.
„Anna“, sagte er mit rauer Stimme, „habe ich dir jemals gesagt, dass du wunderschön bist?"


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