Aaron war sofort in Alarmbereitschaft. Noch während das Heulen in der Ferne ertönte, sprang er aus dem Bett.
Das Heulen endete. Für mich klang es so, als sei es abrupt und gewaltsam unterbrochen worden und Aaron schauderte. Hastig sah er sich um, ich wusste nicht, wonach er suchte, aber dann griff er einfach nach meiner Hand und zog mich aus dem Bett.
„Komm mit", sagte er. Noch in Schlafshorts und Shirt verließen wir das Zimmer, eilten die Treppe herunter und verließen das Anwesen. Auch Tyson, Anna und Lia waren dicht hinter uns, alle in Alarmbereitschaft.
„Was ist hier los?", fragte ich verängstigt, doch niemand antwortete. Die anderen drei verwandelten sich noch während des Laufens in Wölfe. Der große Hellgraue, der eben noch Tyson gewesen war, hielt inne und warf Aaron einen eindringlichen Blick zu. Beide verstanden sich ohne Worte und dann rannte der große Wolf in Richtung Dorfplatz davon, Anna und Lia folgten ihm.
„Miles, komm", drängte Aaron und mir wurde bewusst, dass er sich nur meinetwegen noch nicht verwandelt hatte. Was hatte das alles zu bedeuten?
Wir kamen auf dem Versammlungsplatz an, wo schon eine riesige Wolfsmeute wartete. Einige liefen Richtung Ausgang, andere sahen sich nach Aaron um. Ein paar Wölfe kamen in Formation aus der Trainingshalle gelaufen, angeführt von einem Wolf, den ich als Tristan identifizierte.
Der löste sich von der Gruppe, als er uns beide sah und kam direkt auf uns zu.
„Tristan", sprach Aaron eilig. „Ich konnte Miles nicht allein lassen. Ich will, dass du ihn zurück zum Glashaus bringst und ..." Er wurde unterbrochen, als Wölfe ins Lager eindrangen. Fremde Wölfe. Aggressive Wölfe. Angreifende Wölfe!
Ich blickte mich um. Da waren Wölfe, die sich sofort auf die Eindringlinge stürzten, aber auch welche, die angegriffen wurden und sich nun verteidigten. Ich sah die fremde Wölfin, die heute erst ins Lager kam. Sie richtete sich schützend vor einem anderen Wolf auf, sehr wahrscheinlich ihrer Mate. Sie ist gerade erst hier angekommen und war nun schon gezwungen für ein fremdes Rudel gegen ein fremdes Rudel zu kämpfen. Ihre Kampfmotivation schien das nicht zu lindern. Todesmutig stürzte sie sich auf einen Wolf, der ihr gefährlich nahe gekommen war.
Ich verlor den Überblick, welcher Wolf zu welchem Rudel gehörte und für welche Seite es nun gut stand. Alles, was ich bemerkte, war meine eigene Panik und meine Hilflosigkeit.
Nachdem Tristan einen Wolf abgewehrt hatte, der auf mich und Aaron zugerannt kam, sprach Aaron weiter: „Bring ihn zum Glashaus und pass auf, dass ihm nichts geschieht!" Tristan neigte den Kopf und Aaron warf mir ein gehetztes: „Geh!" zu.
„Beschütze ihn mit deinem Leben!", befahl er Tristan, der keine Zeit mehr verlor und mich in die Richtung stieß, aus der ich gerade gekommen war.
Ich warf einen letzten Blick zurück und sah gerade noch, wie sich ein großer schwarzer Wolf in das Getümmel stürzte.
„Aaron!", rief ich verzweifelt, doch er hörte mich nicht mehr. Tränen stiegen mir in die Augen, während Tristan mich weiter in Richtung Wald drängte.
Ich wollte Aaron und die anderen Wölfe nicht zurücklassen, doch ich wusste auch, dass ich in diesem Kampf nutzlos war. Ich würde bestenfalls sofort getötet werden, andernfalls stände ich den Lancon-Wölfen nur im Weg.
Und so riss ich mich zusammen und suchte mit tränenverschmiertem Blick den Weg zurück zur Alpha-Hütte.
Tristan lief neben mir her, doch obwohl er sich die ganze Zeit umsah, bemerkte er die nahende Gefahr zu spät. Zwei Wölfe stürzten vor uns aus dem Unterholz, Tristan zögerte nicht lange und warf sich ihnen in den Weg, bevor sie auch nur in meine Nähe kamen. Ich blieb wie erstarrt stehen, verfolgte gebannt die Kampfszene. Die Wölfe attackierten einander und jedes Mal, wenn sich einer aus dem Kampf löste, um sich mir zu nähern, wurde er von Tristan zurück gezerrt.
Ein Geräusch hinter mir ließ mich herum fahren. Ein dunkelbrauner Wolf näherte sich. Bitte sei gut, bitte sei gut, flehte ich innerlich, doch dann sah ich die Augenfarbe. Ein glühendes Rot. Das hier war ein Alpha, der wütend die Zähne fletschte. Der war definitiv nicht auf unserer Seite.
Tristan winselte, als auch er den Wolf bemerkte, doch so sehr er auch kämpfte, er konnte sich nicht von den anderen beiden lösen. Und dann heulte er, laut und verzweifelt und ich schaffte es endlich, mich aus meiner Starre zu lösen.
Instinktiv drehte ich um und lief davon, doch der Alpha folgte mir sofort.
Mit Leichtigkeit holte er mich ein und brachte mich zu Fall, sodass ich auf dem Boden lag und ihm hilflos ausgeliefert war. Ich schloss die Augen, um das Ende nicht kommen sehen zu müssen, doch ein wütendes Knurren brachte den Wolf dazu, von mir abzulassen. Er drehte sich um und ich schaute in dieselbe Richtung. Ein dunkelgrauer Wolf stand da, mit goldenen Augen und bedrohlich aufgerichtet. Der Alpha und der Beta fletschten die Zähne, knurrten sich an und dann schoss der graue Wolf nach vorne und sprang dem anderen an die Kehle.
Meine Augen waren schreckgeweitet, ich war nicht mehr in der Lage, mich von dem Kampf zu lösen. Ich schaffte es nur, mich wieder aufzurappeln, musste aber weiter zusehen, wie dieser Kampf ausgehen mochte.
Ich schallte mich innerlich, nannte mich einen Idioten, weil ich die perfekte Chance zur Flucht verstreichen ließ, doch ich war wie in Trance.
Es war dumm, stehen zu bleiben. Das merkte ich, als der Rotäugige in die Kehle des anderen biss und sie mit einem aggressiven Knurren heraus riss. Erschrocken schlug ich die Hände vor dem Mund zusammen, konnte es kaum verhindern, meinen Schrei zu ersticken. Blut floss, es sah brutal aus. Der dunkelgraue Wolf sackte leblos zusammen, blieb am Boden liegen. Um ihn bildete sich eine Blutlache, seine leeren Augen hatte er auf mich gerichtet. Der Schmerz der Niederlage war darin zu erkennen. Es trieb mir die Tränen wieder in die Augen.
Der braune Wolf wandte sich von seinem Opfer ab, starrte nun mich an und näherte sich mir bedrohlich langsam. Mit jedem Schritt, den er tat, wich ich einen zurück, doch ich wusste, dass das nicht ewig so gehen konnte. Irgendwann würde dem Alpha dieses beängstigende Spiel zu viel werden und er würde mich mit einem einzigen Satz töten. Oder leiden lassen, das wusste ich nicht, aber ersteres wäre mir dann doch lieber.
Ich schüttelte verzweifelt den Kopf, flehte, mich in Ruhe zu lassen, doch natürlich interessierte das den Wolf nicht. Er knurrte nur bedrohlich.
Doch wieder wurde er von mir abgehalten, als ein weißer Wolf durch die Büsche preschte.
„Tristan!", rief ich erleichtert. An seinem Fell klebte Blut, es schien jedoch nicht sein eigenes zu sein – nicht nur jedenfalls.
Ohne zu zögern stürzte er sich auf den Alpha, ich quiekte verängstigt auf, wollte nicht dasselbe noch einmal mit ansehen. Der Alpha war stark, das wusste ich und ich hatte keine Ahnung, ob Tristan da mithalten könnte.
Doch es sah gut für ihn aus. Zunächst schienen beide ebenbürtig, dann gewann der Alpha die Oberhand. Meine Hände umklammerten noch immer meinen Mund, verängstigt und flehend. Es dauerte eine Weile, doch dann wendete sich das Blatt.
Vielleicht wurde der Alpha müde, vielleicht fasste Tristan irgendwoher neue Stärke. Es war auch egal, wichtig war nur, dass es ihm gelang, das Blatt zu wenden und den braunen Wolf unter sich zu begraben. Er nagelte ihn am Boden fest und für einen kurzen Moment sah er zu mir auf.
Aus seinem weißen Maul floss Blut, es tropfte herab und fiel auf Boden und Alpha.
Tristan schnaufte, es klang beinahe wie eine Aufforderung. Dann deutete er mit dem Kopf in die Richtung, in der das Glashaus lag. Es war also tatsächlich eine Aufforderung.
Diesmal zögerte ich nicht, sondern rannte sofort in die vorgegebene Richtung. Ich hörte die Wölfe hinter mir noch immer miteinander ringen, doch ich warf keinen Blick zurück.
Ich erreichte das Haus, die Tür stand noch sperrangelweit offen, doch ich schlug sie hinter mir ins Schloss. Der Schlüssel steckte wie immer auf der Innenseite des Türschlosses und ich drehte ihn zwei Mal herum. Sicher war sicher.
Ich wusste nicht, ob die Tür und die Glaswand einem Werwolfangriff standhalten würden, aber sie waren sowieso meine einzige Chance. Sollte eins von beidem nachgeben, wäre ich verloren. Ich hätte keine Möglichkeit mich zu verteidigen, ich wusste nicht mal, wie man einen Werwolf töten könnte, selbst wenn ich es schaffte, den Mumm dazu aufzubringen!
Es hatte keinen Sinn, sich irgendwo zu verstecken, sicherer als hier in der Eingangshalle wäre ich auch nirgends sonst im Haus. Deshalb kauerte ich mich in eine der hinteren Ecken, zwischen Küchentür und Treppe, lehnte mich an die Wand und vergrub den Kopf in meinen Armen.
Ich weinte, still und leise. Ich fühlte mich hilflos. Und nutzlos. Das Rudel riskierte da draußen sein Leben, während ich mich hier drin verschanzte und auf Rettung hoffte. Wie erbärmlich konnte man eigentlich sein? Würde das ab jetzt immer so laufen? Ich würde mich von den anderen beschützen lassen, ohne auch nur das Geringste für sie tun zu können?
Ich dachte an den Wolf, der gestorben war, um mich zu beschützen. An all das Blut, das ihn umgeben hatte. Mir wurde schlecht bei der Erinnerung.
Als ich es für einen Moment schaffte, das Schluchzen zu unterdrücken, merkte ich die bedrückende Stille im Haus. Nicht ein Geräusch war zu hören mit Ausnahme meines eigenen Atems. Der Boden fühlte sich kalt unter mir an, aber das war mir egal. Meine Wut und die Frustration, nichts tun zu können, verdrängten das Kältegefühl. Innerlich war ich aufgeheizt.
Wie lange ich so da gesessen hatte, konnte ich nicht sagen, aber plötzlich hörte ich jemanden an der Tür. Zunächst versuchte er, sie zu öffnen, als er merkte, das abgeschlossen war, klopfte er heftig dagegen. Ich zuckte verschreckt zusammen. Aus meiner Position konnte ich nicht erkennen, wer dort stand, aber das war gar nicht nötig, denn derjenige machte schon auf sich aufmerksam.
„Miles? Miles, bist du da?", hörte ich Tristans Stimme. Natürlich war ich da, wer hätte sonst abschließen sollen? Doch ich wollte Tristan nicht sehen. Sollte er doch meinetwegen draußen Wache halten, ich wollte nur die Gegenwart von einem. Aaron. Und ich wusste nicht mal, wie es ihm ging, wusste nicht, wie der Kampf gerade lief, wie es um die Lancon-Wölfe stand.
Ich begann zu zittern bei dem Gedanken, dass sie womöglich schon längst tot sein könnten, dass Bekannte von mir dasselbe Schicksal ereilte, wie dem dunkelgrauen Wolf vorhin. Ich wimmerte leise, wiegte mich vor und zurück. Nein, ich wollte Tristan wirklich nicht sehen.
Er rief noch zwei Mal meinen Namen, ich reagierte beide Male nicht und dann wurde es wieder leise. Ich lauschte, konnte aber nichts hören und so gab ich mich wieder dem beklemmenden, verängstigten Gefühl in meiner Brust hin. Was, wenn Aaron etwas geschehen war? Wenn er verletzt war oder ... Ich konnte es nicht mal zu Ende denken. Allein die Vorstellung, ihn möglicherweise zu verlieren, trieb mir erneut die Tränen in die Augen, ließ mich aufschluchzen und verzweifelt wimmern. Ich durfte ihn nicht verlieren. Ich durfte einfach nicht!
Kurze Zeit später klopfte es schon wieder an der Tür.
„Miles? Miles, mach auf, ich bin es. Der Kampf ist vorbei, es ist alles gut." Dieses Mal galt mein Schluchzer der Erleichterung. Ich sprang auf, eilte zur Tür und drehte den Schlüssel hastig im Türschloss herum. Ohne zu zögern sprang ich Aaron in die Arme, ignorierte die Kratzer und Bisswunden überall auf seinem Körper. Er war da, es ging ihm gut.
Ich schluchzte noch einmal und Aaron strich mir ebenso erleichtert über den Rücken, presste mich dann fest an sich.
„Ich bin so froh, dass dir nichts geschehen ist", seufzte er. „Tristan hat erzählt, was passiert ist. Ich ... ich hätte es nicht ertragen, dich zu verlieren!" Er drückte mich noch fester, als befürchtete er, dass ich gleich wieder verschwinden könnte. Niemals! Ich würde niemals gehen.
Dennoch löste ich mich ein wenig von ihm, sah ihm ins Gesicht. Er strich mir die Salzspuren von der Wange.
„Was ist passiert?", fragte ich. Außer der offensichtlichen Tatsache, dass wir angegriffen wurden, hatte ich nichts verstanden.
„Die Ken", erklärte Aaron. Natürlich, wer sonst? Es überraschte mich nicht mal. Die Wut, mit der der Alpha mich angesehen hatte, das war etwas Persönliches. Es konnte nur Aleksander gewesen sein.
„Ich nehme an, nach unserem Besuch hat Aleksander eins und eins zusammengezählt. Immerhin haben sie gemerkt, dass du dich auf der Flucht nicht verwandelt hast und offensichtlich hat er den Fehler gemacht, uns zu unterschätzen. Dachte wohl, wir wären geschwächt, weil ich die Zeremonie noch nicht beenden konnte." Aaron küsste mich kurz auf den Mund. „Es gab auch einige Verluste, aber letzten Endes haben wir gesiegt." Ich rang mich zu einem Lächeln durch. Nach den Verlusten wollte ich gar nicht fragen. Ich wollte nicht, dass jemand dabei war, den ich kannte.
„Wir konnten die Ken besiegen, sie sind nun Gefangene, bis ich entschieden habe, was mit ihnen geschieht. Sie warten auf dem Versammlungsplatz auf das Urteil. Eigentlich sollte Tristan dich holen, aber du wolltest wohl nicht mit ihm gehen, hm?" Aaron schmunzelte und strich mir eine Strähne aus dem Gesicht.
Ich war mir sicher, dass meine Wangen rot anliefen und senkte beschämt den Blick, doch Aaron gluckste nur.
„Na komm, ich muss noch ein Urteil verkünden."
Auf dem Versammlungsplatz herrschte ziemliches Chaos, aber irgendwie schien all das auch seine Ordnung zu haben. Da waren ein paar Menschen, die auf dem Boden saßen, umringt von einigen Wölfen. Die Lancon-Wölfe waren teils als Menschen, teils als Wölfe um den Rand verteilt. Ich sah Cami, die mit einer kleinen Tasche zwischen den Leuten umher huschte und Verletzungen versorgte. Ich hielt die Augen nach Tobias offen, doch ihn konnte ich in dem Gemenge nicht erkennen.
Stattdessen sah ich die fremde Wölfin, die in Wolfsgestalt neben ihrer Mate im Gras lag, die beiden hatten die Köpfe aneinander abgestützt, wirkten erschöpft, aber zufrieden.
Dann fiel mein Blick wieder auf die Menschen, die am Boden saßen. Unter ihnen erkannte ich Aleksander, der mich hasserfüllt anstarrte. Ich schaffte es, dem Blick Stand zu halten. Er hatte verloren, auch wenn ich nichts dazu beigetragen hatte.
Aaron griff nach meiner Hand, trat mit mir gemeinsam in die Menge. Er schaute Aleksander an, starrte voller Abscheu auf ihn hinab. Den jedoch schien das nicht zu interessieren. Der Ken-Alpha sah nur mich an, grinste breit.
„Dich habe ich zwar nicht bekommen, aber ich habe deine Mutter getötet", sagte er, das widerwärtige Grinsen wurde er dabei nicht los. „Und ich kenne dein Problem, Tennex. Du bist kein Wolf und wirst es dank mir auch nie werden können." Nun lachte er höhnisch und ließ sich erst stoppen, als Aaron anfing zu sprechen.
Ich hörte nicht genau hin, was er verkündete. Viel zu eingenommen war ich von Aleksanders sadistischem Grinsen und der Emotionslosigkeit, als er vom Tod meiner Mutter sprach. Aaron erzählte irgendwas von Verbrechen und gerechte Strafe, doch erst, als er das endgültige Urteil verkündete, konnte ich wieder genug Konzentration aufbringen, um ihm zuzuhören.
„Die Ken-Wölfe haben lediglich dem Befehl ihres Alphas gehorcht. Sie werden freigelassen und dürfen gehen. Aleksander allerdings muss sich für seine Verbrechen verantworten." Ich lauschte, was Aaron nun zu sagen hätte. „Für all seine Taten bleibt mir nichts anderes übrig, als ihn zum Tode zu verurteilen."
Ein Raunen ging durch die Menge. Manche klangen zustimmend, andere, vor allem die Ausrufe der Ken-Krieger, waren schockiert. Ich dachte daran, dass diese Wölfe unter anderen Umständen mein Rudel gewesen wären, meine Freunde und meine Familie. Dann dachte ich an alles, was Aaron mir jemals über Alpha-Wölfe erzählt hatte.
Ich wusste nicht genau, was es war, aber etwas in mir protestierte. Ich hatte keine Kontrolle mehr über meinen Mund.
„Nein!", sagte ich laut und riss mich von Aaron los. Der schaute mich schockiert an. Er legte den Kopf schief, musterte mich fragend. „Du kannst Aleksander nicht töten", erklärte ich, was mir ein Lachen des Verurteilten einbrachte. Ich ignorierte ihn.
„Bitte, Aaron, das kannst du nicht tun!" Durfte man die Entscheidung eines Alphas überhaupt infrage stellen? Vor dem gesamten Rudel! Nun, wenn einer das Recht dazu hatte, dann vermutlich sein Mate. Und selbst wenn nicht, dann war mir das auch egal. Ich tat, was ich für richtig hielt. Aleksander war nicht nur mein Vater, sondern auch der Alpha eines ganzen Rudels.
„Miles, er hat Tobias getötet." Aarons Stimme war aufgebracht, fluchend und ich hielt sofort inne. Tobias ... er war der Wolf gewesen, der mich beschützt hatte. Der graue Wolf, dem Aleksander vor meinen Augen die Kehle ausgerissen hatte. Ich schluckte, Wut stieg in mir auf. Wut auf mich selbst, weil ich nicht hatte helfen können, aber vor allem Wut auf Aleksander. Einen Moment überdachte ich meinen Einspruch noch einmal, dann aber sah ich in die Gesichter der anderen Wölfe. Ich dachte an Robin, der nicht hier war. Ich hoffte, dass er gar nicht erst mit hergekommen war, denn die Alternative würde seinen Tod bedeuten.
Tobias hätte alles für seinen Bruder getan, das hatte er selbst gesagt. Nun, da Tobias sein Leben für mich geopfert hatte, musste ich das übernehmen. Das war ich ihm schuldig.
„Aaron, bitte. Du kannst das nicht tun. Gerade wegen Tobias kannst du es nicht tun. Das Rudel stände ohne Aleksander führerlos da. Du hast gesagt, die meisten führerlosen Wölfe sterben. Dann müsstest du sie gar nicht erst freilassen, sondern könntest sie auch gleich töten. Wo besteht denn da der Unterschied? Ich werde nicht zulassen, dass diese Wölfe unter der Herrschaft ihres Alphas zu leiden haben!"
Aaron seufzte, schaute einmal über die Ken, dann über sein eigenes Rudel und schließlich schaute er mir wieder ins Gesicht.
„Was schlägst du denn vor?", fragte er. Er klang nicht so provokant wie ich erwartet hatte, sondern tatsächlich einsichtig. Auch wenn ich ihn noch nicht komplett von seinem Entschluss losgebracht hatte.
Dieses Mal schaute ich über die Wölfe, ließ mir damit allerdings mehr Zeit, als es Aaron getan hatte. Keiner sagte ein Wort, alle waren gespannt, was ich zu sagen hatte. Ich blickte Aleksander in die Augen, der wirkte genauso neugierig, wie alle anderen. Und dann fasste ich einen Entschluss.
„Ich weiß, was zu tun ist", sagte ich. „Aber dafür brauche ich deine Hilfe, Aaron. Du musst mir erklären, wie es geht." Ich wusste selbst nicht, was mich zu dieser Entscheidung trieb, aber ich wusste, dass es richtig war. Es war nicht ich, sondern ein innerer Zwang, der mich verkünden ließ: „Ich werde der Alpha der Ken."
DU LIEST GERADE
Plötzlich Wolf
WerewolfMiles führt ein normales Leben. Er hat einen besten Freund und eine Familie, die ihn liebt. Eigentlich könnte er kaum glücklicher sein. Seine einzigen Sorgen sind die Anforderungen des letzten Schuljahres und die Frage, was er danach mit seinem Lebe...