Tristan musste uns am nächsten Morgen wecken, weil wir sonst sicherlich bis zum Mittag geschlafen hätten. Ich fühlte mich ausgelaugt, erschöpft und müde. Auch die Chance, meine leiblichen Eltern kennenzulernen, Antworten zu erhalten und meinen Wolf zu erwecken, konnte mich nur bedingt aufheitern.
Trotzdem riss ich mich zusammen, nahm das Frühstück in Form von etwas Brot und Obst entgegen, und machte mich dann zum Aufbruch bereit.
Aaron schätzte, dass wir bis zur Grenze etwa drei Stunden unterwegs wären, am Ende schafften wir es in zweieinhalb.
Wir gingen genauso vor wie bei den anderen beiden Moor-Rudeln. Uns nah an der Grenze aufhalten, in Menschenform, und darauf hoffen, auf eine Patrouille zu stoßen. Bisher hatte das funktioniert, dieses Mal anscheinend nicht.
Nicht, weil uns kein Wolf begegnete, sondern weil sie sofort in Angriffsstellung erschienen.
Offensichtlich hatte uns ein einzelner Wolf bemerkt und sofort die Krieger informiert. Nun standen uns sieben Wölfe gegenüber, sechs davon mit goldenen Augen und jeder von ihnen mit dem warnenden Blick, sofort anzugreifen, sollten wir uns auch nur einen Zentimeter rühren.
Tristan stellte sich sofort vor mich und Aaron und wollte sich anscheinend ebenfalls verwandeln, doch Aaron hielt ihn zurück.
„Nicht!", sagte er. „Ich mache das." Er schob sich an Tristan vorbei, mit erhobenen Händen. Es ging bei dieser Geste sicher nicht darum, zu signalisieren, dass er unbewaffnet sei. Mit dem gesenkten Blick wirkte es eher wie ein Zeichen der Unterwürfigkeit. Er machte sich angreifbar und ich betete innerlich, dass diese aggressiv knurrenden Wölfe das nicht als Einladung ansahen.
Tristan blieb bei mir, in Menschengestalt, aber achtsam und jederzeit bereit, sich zu verwandeln oder notfalls auch als Mensch zu kämpfen. Ich wusste, er würde mich mit seinem Leben verteidigen und ich bereute meinen Wunsch, zuerst die Ken zu besuchen. Wenn jetzt etwas schief ging, dann war das meine Schuld.
„Ich bin Aaron, Alpha des Lancon-Rudels", hörte ich eine ruhige Stimme, ein starker Kontrast zu dem, was ich fühlte. „Das sind mein Mate Miles und unser Begleiter Tristan. Wir haben keine bösen Absichten, wir erbitten nur, mit eurem Alpha zu reden." Ich hörte ein Knurren, einer der Wölfe war nach vorn getreten und fletschte die Zähne. Aaron wich keinen einzigen Schritt zurück.
Nach außen hin blieb er ruhig und gelassen – wie tat er das nur? Ich verging hier fast vor Sorge und zappelte ungeduldig hin und her. Zum Glück schenkte mir niemand Beachtung.
„Wir wollen nur reden", versicherte Aaron. „Beim Wort eines Alphas, wir spionieren nicht, wir planen keinen Hinterhalt. Wir haben nur eine einzige Frage." Derselbe Wolf knurrte erneut und schüttelte den Kopf als wolle er eine lästige Fliege loswerden.
„Ich kann die Frage nur an den Alpha richten. Bitte." Verstand Aaron etwa, was dieser Wolf sagte, dachte oder wollte? Wie kommunizierten Wölfe eigentlich? Ausschließlich mit der Körpersprache? Die des Wolfes vor uns verstand jedenfalls sogar ich. Er reckte den Kopf in die Höhe, wirkte damit noch größer, noch bedrohlicher und angsteinflößender. Die Zähne hatte er gebleckt, die Augen funkelten wütend und der Schwanz peitschte hin und her. Eine Warnung, dass wir verschwinden sollten, doch das taten wir nicht.
Mit einem lauten Brüllen verwandelte Aaron sich in Sekundenschnelle in den großen schwarzen Wolf und richtete sich vor dem anderen Wolf auf. Es herrschte kaum ein Größenunterschied, aber in diesem Moment wirkte Aaron definitiv respekteinflößender. Tristan war schon in eine geduckte Position gegangen, um seinen Alpha im Falle eines Angriffs zu unterstützen und für einen kurzen Moment wirkten die Wölfe tatsächlich noch so, als wollten sie auf uns losgehen, aber dann zog sich der Wolf vor uns ein Stück zurück und auch die anderen entspannten sich etwas.
Keiner der Anwesenden wirkte zufrieden, aber sie wandten sich ab und deuteten uns, ihnen zu folgen. Aaron blieb in Wolfsform und ich gesellte mich an seine Seite, um meine Hand in seinem Fell zu vergraben. Das gab mir die Sicherheit, die ich nun brauchte.
„Warum hören sie jetzt auf ihn?", fragte ich leise und wenn die Wölfe kein übertrieben gutes Gehör hatten, dann konnten nur Aaron und Tristan mich verstehen.
„Er ist zwar nicht ihr Alpha, aber dennoch ist er ein Alpha. Als Rudelwolf muss man jedem Anführer gegenüber Respekt erweisen", erklärte Tristan. „Natürlich nur, solange sich das nicht gegen ausdrückliche Befehle des eigenen Alphas richtet oder wenn die Gefahr auf einen Angriff bestände. Aaron hat Glück gehabt, dass Aleksander nicht direkt verboten hat, Fremde ins Lager zu bringen, sonst hätten wir ein Problem gehabt."
Ich schluckte. Das klang, als hätte Aaron uns in Gefahr gebracht. Hatte er etwa auf Risiko gespielt, was wir möglicherweise mit unserem Leben hätten bezahlen müssen?
Ich wollte Aaron vertrauen, aber der Gedanke, fahrlässig in Gefahr gebracht worden zu sein, trieb mich dazu, mein Griff in Aarons Fell ein wenig zu lockern. Ich konnte gerade noch verhindern, ihn komplett loszulassen.
Aaron bemerkte es natürlich trotzdem und vermutlich auch, wie sehr mich das gerade aufwühlte. Er wandte uns den Kopf zu und bleckte die Zähne, als er zu Tristan sah. Ich konnte ein leichtes Knurren vernehmen und sein Fell unter meinen Fingern vibrierte. Tristan senkte sofort den Blick und räusperte sich.
„Verzeihung Miles. Das sollte nicht anklagend klingen", murmelte er leise. Noch immer achteten wir darauf, dass uns die Wölfe nicht hörten. Sie hatten uns zwar umringt, hielten aber alle ein paar Meter Abstand. Vermutlich war das Aarons Wolfsform zu verdanken.
„Sie hätten uns sowieso angegriffen", erklärte Tristan dann. „Aarons Alpha-Status war das Einzige, was all das noch friedlich hätte lösen können. Er hat richtig gehandelt, das war unsere letzte Chance."
Ich nickte. Okay, das verstand ich. Das angriffslustige Verhalten der Wölfe hatte ja sogar ich bemerkt, ich hätte nur nicht damit gerechnet, dass sie wirklich auf uns losgehen würden, nur weil wir eine einzige Frage an den Alpha hatten. Nach der Gastfreundschaft des letzten Rudels irritierte mich die Aggressivität der Ken.
„Es tut mir leid", murmelte ich, da ich immer mehr das Gefühl hatte, Schuld an unserer Situation zu sein. Wir wurden wie Kriegsgefangene in das Rudel-Lager geleitet und das nur, weil ich zuerst hierher hatte kommen wollen. Wir hätten diese Situation zumindest noch ein wenig hinauszögern können. Oder ganz vermeiden, wenn sich am Ende doch das Summer-Rudel als meines herausstellte.
Aaron setzte einen Schritt aus, sodass sein Kopf jetzt in meiner Nähe war. Er drückte ihn gegen meine Hand und ich tat ihm den Gefallen, ihn zu kraulen. Natürlich ging es dabei nicht um Zuwendung für ihn, sondern um Aufmunterung für mich. Aaron zeigte mir, dass er nach wie vor meine Nähe wollte, dass ich nichts falsch gemacht hatte und das alles okay war. Ich lächelte, denn seine Aufmunterung funktionierte.
Anders als bei den bisherigen Moor-Rudeln befand sich das Lager der Ken in einem bewaldetet Gebiet. In der Mitte gab es eine große Wiese, die als Versammlungsplatz genutzt werden konnte, aber offensichtlich auch als Trainingswiese diente. Gerade kämpften dort drei Wölfe gegeneinander, zwei gegen einen. Und es stand nicht mal schlecht um diesen einen.
Ich riss meine Aufmerksamkeit von den Wölfen los, um mir das restliche Lager anzusehen. In einem unregelmäßigen Kreis um die Wiese herum standen Hütten, manche aus Stein, die meisten aus Holz.
Vor einer dieser Hütten stritten zwei Männer, einer Mitte zwanzig, der andere bestimmt doppelt so alt. Ich war zu weit weg, um etwas zu verstehen, doch ich beobachtete die Szene mit Faszination.
Der Jüngere schien müde und des Streitens leid zu sein, er ließ erschöpft den Kopf hängen. Der andere war trotz seines Alters energiegeladen und gestikulierte wild in der Gegend herum.
Der Jüngere wendete sich gerade ab und wollte offensichtlich fortgehen, da packte ihn der Ältere an der Schulter und stieß ihn durch die geöffnete Tür in die Hütte. Unsanft landete der Mann auf dem Boden.
Ein Knurren ließ mich erschrocken zusammenfahren. Vor mir richtete sich ein Wolf auf, mit gefletschten Zähnen und wütend funkelnden Augen. Tristan packte mich sofort am Handgelenk und zog mich ein Stück zurück, wieder zwischen sich und Aaron. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich mich den streitenden Männern genähert hatte.
„Nicht starren, Miles. Das sehen sie als Bedrohung", zischte er mir ins Ohr. Ich murmelte eine kurze Entschuldigung und hielt meinen Blick dann lieber auf den Boden gerichtet. Ich konnte es jedoch nicht lassen, aus dem Augenwinkel noch einmal zu der Hütte zu schielen. Die Tür war geschlossen.
Ich blickte erst wieder auf, als eine tiefe, raue Stimme Aarons Namen sagte und ihn aufforderte, sich zurück zu verwandeln. Es sei nicht mehr nötig, von den Kriegern Respekt zu verlangen, sie wüssten jetzt, was sich gehörte, sagte ein Mann mit dunkelbraunen Haaren. Er trug lediglich eine Lendenbekleidung, ähnlich der, die man gerade Aaron reichte. Der Mann hatte sich vor uns aufgerichtet, war groß und stark, wirkte aber auf mich irgendwie gebrochen. Seine braunen Augen schienen leer und lieblos. Verlassen.
Ich schluckte. Sah so jemand aus, der seinen Mate verloren hatte? Nach all den Jahren noch? Ich klammerte mich instinktiv an Aarons Arm, der nun zum Glück wieder in der Lage war, meine Hand zu halten.
„Aleksander", Aaron neigte respektvoll den Kopf und ich war zumindest so höflich, dem Mann nicht weiterhin unverwandt ins Gesicht zu starren. „Das hier ist mein Mate Miles und das unser Begleiter Tristan." Aaron deutete auf uns, um uns vorzustellen, Aleksander musterte uns beide von oben bis unten.
Wenn das mein Vater war, würde ihm dann etwas an mir auffallen? Eine Ähnlichkeit zu meiner Mutter, oder zu sich selbst? Ich riskierte noch einen Blick. Er hatte eine andere Augenfarbe als ich, dafür aber dieselben Haare. Doch das musste nichts heißen, viele Menschen hatten dunkelbraune Haare, daran war nichts besonders und vor allem konnte man daran noch lange keine Verwandtschaft erschließen.
Aleksanders Blick blieb auch nicht lange an mir hängen, nicht so lange wie bei Tristan. Ich war zu unbedeutend für ihn und in Tristan sah er zumindest eine potentielle Gefahr, die er genau analysieren musste. Das war okay, ich hatte mich nicht der romantischen Vorstellung hingegeben, sofort von meinen Eltern erkannt und in die Arme geschlossen zu werden. In meinem Kopf kam das ‚in-die-Arme-schließen' erst, wenn ich von meiner Herkunft erzählte.
„Man sagte mir, ihr habt eine Frage an mich?" Aleksander klang auffordernd, herrisch. Er stellte sich selbst über Aaron und schaute auf uns hinab, das spürte ich, auch wenn es nach außen hin nicht sofort den Anschein machte.
Wahrscheinlich hatte er sogar das Recht, das zu tun, immerhin waren wir ungebetene Gäste in seinem Lager und hatten eigentlich schon Glück, dass er uns nicht sofort wieder hinaus jagte. Vielleicht war er neugierig, welches Anliegen uns zu ihm trieb.
„Können wir an einem ungestörten Ort reden?", bat Aaron. „Tristan kann hier bleiben, wir wären nur zu dritt." Aleksander kniff die Augen misstrauisch zusammen. „Dein Mate bleibt auch hier", verlangte er und ich machte mich noch kleiner als ich ohnehin schon war. Die Herablassung in Aleksanders Stimme jagte mir einen Schauer über den Rücken.
Mir war klar, was er für eine Meinung über mich hatte. Ich war nichts in seinen Augen, was ihn auf der einen Seite sofort unsympathisch machte, auf der anderen aber tatsächlich auch sympathisch. Er war der erste Wolf, der sich nichts aus meinem Status machte. Der erste, der mich nicht nur besser behandelte, weil ich der Mate eines Alphas war.
Aaron allerdings schien diesen Funken der Sympathie nicht zu empfinden. Er umfasste reflexartig mein Handgelenk, dann seufzte er resigniert.
„Wenn du das wünschst. Allerdings wäre es mir trotzdem lieber, er wäre dabei. Es geht um ihn." Zum ersten Mal betrachtete mich Aleksander genauer, diesmal mit einem gewissen Interesse. Er sah einmal hinter sich und nickte dann.
„Nun gut, kommt mit", forderte er auf und wandte sich ab. Aaron ließ meinen Arm nicht los, während wir Aleksander zu der Hütte folgten, die vor kurzem noch meine Neugier geweckt hatte.
Der Alpha stieß die Tür auf und ließ sie hinter uns sofort wieder ins Schloss fallen.
Automatisch suchte ich den Raum nach den beiden streitenden Männern ab, fand aber nur einen von ihnen.
Den Älteren, gebeugt über ein paar Dokumente und trotz unserer Anwesenheit sehr konzentriert. Als wären wir gar nicht da.
„Also, Aaron Lancon, was ist dein Anliegen?", fragte Aleksander, als wir mitten im Raum stehen blieben. Aarons Blick schweifte zu dem Mann, der nun auch neugierig den Kopf gehoben hatte. Die Anwesenheit eines weiteren Alphas war dann wohl seine Aufmerksamkeit wert.
„Mach dir um Robin keine Sorge. Du hast einen Wolf aus deinem Rudel dabei, ich einen aus meinem. Das ist fair, meinst du nicht?" Aarons Blick war bei dem Namen zurück zu dem alten Mann gehuscht. Irgendwie erkennend. Hatte Aaron etwa schon mal von diesem Robin gehört?
Ehe ich mich weiter an der Frage aufhängen konnte, begann Aaron schon zu sprechen, als sei nichts gewesen.
„Wie wollen nicht respektlos sein. Ich versichere, wir sind mit der Frage auf dem Weg zu jedem Moor-Rudel und ..." Er wurde von einem entnervten Seufzen unterbrochen.
„Was ist dein Anliegen?", zischte Aleksander. Er wollte offensichtlich schnell auf den Punkt kommen und hielt nicht viel von ewigem Drum-rum-Gerede. „Stell einfach deine Frage."
„Miles ist bei Menschen aufgewachsen, als Einzelläufer. Wir sind auf der Suche nach seinen Eltern und wissen, dass einer von beiden der Alpha eines Moor-Rudels ist", erklärte Aaron und ich war mir ziemlich sicher, dass er die Sache mit dem Tennex bewusst verschwieg. Vorerst.
Aleksander musterte mich mit zusammengekniffenen Augen.
„Wie alt bist du, Junge?", fragte er, das erste Mal direkt an mich gerichtet. Ich schluckte. Das war kein Nein! Kein ‚Ich habe keine Kinder'. Das war ein ‚Ich muss wissen, wie alt du bist, weil es doch möglich wäre'!
„Fast 19", antwortete ich unruhig. Ich verlagerte mein Gewicht von einem Bein auf das andere, immer wieder, bis plötzlich Wut in Aleksander aufkochte.
„Du wagst es, mit der Beschuldigung, einen Tennex gezeugt zu haben, hier aufzutauchen?!", schrie er wütend in Richtung Aaron. Woher wusste er das mit dem Tennex? Keiner von uns hatte etwas gesagt, doch dann fiel es mir wieder ein. Jeder Wolf hatte nur eine oder einen Mate und Aleksander hatte seine noch vor meiner Zeugung verloren. Wenn er tatsächlich mein Vater wäre, konnte ich gar nichts anderes sein als ein Tennex.
„Wir beschuldigen nicht, Aleksander. Wir fragen nur und wie gesagt, diese Frage stellen wir jedem Moor-Alpha." Kurz darauf lieferten sich Aaron und Aleksander eine hitzige Diskussion. Es fielen Worte wie ‚dummer Bastard' und ‚widerliche Kreatur'. Aleksander wurde immer aggressiver, Aaron verstrickte sich immer mehr in den aufkommenden Emotionen bei seinem Versuch, mich zu verteidigen.
Erschrocken wich ich einen Schritt zurück. Auf keinen Fall wollte ich riskieren, zwischen die Fronten zu geraten, auch wenn all das hier nur meinetwegen geschah. Ich war so nutzlos. Im Falle eines Kampfes konnte ich absolut nichts ausrichten, würde nur hilflos zusehen und hoffen können.
Ich wandte mich zu dem älteren Mann um, der, wie ich mich gerade erinnerte, auch noch im Raum war. Ich wollte wissen, wie er auf die Auseinandersetzung der beiden Alphas reagierte.
Er schenkte den beiden gar keine Beachtung, sondern musterte nur mich misstrauisch von oben bis unten. Er wirkte nachdenklich. Was überlegte er? Und warum unternahm er nichts gegen den aufgekommenen Streit?
Plötzlich packte mich Aaron am Handgelenk und zog mich aus der Hütte. Ich hatte das Ende des Streitgesprächs gar nicht mitbekommen, aber offensichtlich waren sie zu dem Schluss gekommen, dass wir umgehend das Lager verließen. Und wohl auch so schnell wie möglich das Territorium.
Tristan folgte uns ohne zu zögern. Offensichtlich war auch er erleichtert, zu gehen.
Erst als wir schon einige Minuten Laufschritt vom Lager entfernt waren, fragte er, was los sei.
„Aleksander war nicht begeistert", sagte Aaron, als wäre das nicht schon offensichtlich. „Wir würden ihm vorwerfen, ein Monster gezeugt zu haben. Sein Hass auf Tennexe war nicht zu übersehen." Er presste die Zähne zusammen, konnte seine eigene Wut scheinbar kaum noch zügeln.
Ich für meinen Teil war froh, nicht viel von der Diskussion der Alphas mitbekommen zu haben, denn diese Beleidigungen schmerzten, obwohl sie von einem Fremden kamen. Ich wollte gar nicht wissen, als was Aleksander mich noch bezeichnet hatte. Ich war kein Monster und das wollte ich auch keine Sekunde lang glauben. Warum hatte er so etwas gesagt? Woher kam dieser unbändige Hass auf Wölfe wie mich?
Wie liefen ein paar weitere Minuten zielsicher in eine bestimmt Richtung, ohne zu reden, ohne zurückzublicken. Doch plötzlich blieb Tristan stehen und schaute sich alarmiert um.
„Aaron!", sagte er angespannt. Beide Wölfe schauten nun in eine Richtung, als würden sie etwas hören.
Tristan zögerte nicht lange und verwandelte sich, Aaron stellte sich schützend vor mich, blieb aber noch in Menschengestalt.
„Wenn ich es dir sage, Miles, dann läufst du so schnell du kannst und ohne dich umzudrehen. Hast du das verstanden?", presste er hervor, seine Stimme war ernst und duldete keinen Widerspruch. Ich bekam es mit der Angst zu tun, doch ich nickte.
„Okay", brachte ich schließlich hervor. Ich würde es tun, auch wenn ich Angst davor hatte, was das bedeuten würde.
Und dann brach plötzlich ein Wolf zwischen den Bäumen hervor. Er war hellgrau, an der Brust sogar eher weiß und hatte goldene Augen. Tristan stürzte sich sofort auf ihn, aber für Aaron schien die Bedrohung nicht groß genug, mich schon fortzuschicken.
Vor allem wohl, weil sich der Graue unter dem weißen Riesen wieder in einen Menschen verwandelte.
Der ältere Mann! Was hatte er hier zu suchen?
„Robin?", fragte nun auch Aaron und Tristan wich ein Stück von dem Mann zurück, blieb allerdings in Wolfsgestalt. „Was machst du hier? Was soll das?", fragte Aaron weiter. Robin richtete sich ein wenig auf.
„Ich möchte euch warnen. Als ihr das Lager verlassen habt, hat Aleksander ein paar seiner besten Krieger beauftragt, euch zu jagen und den Tennex zu töten", erklärte der Mann atemlos.
Ich krallte mich instinktiv an Aaron fest. Er war angespannt, zitterte. Robin fuhr fort: „Sie stellen gerade die Truppe zusammen, lange werden sie nicht brauchen, um euch einzuholen, wenn ihr weiter als Menschen geht!" Aaron erwiderte nichts darauf, also erklärte Robin wieder: „Wenn ihr es rechtzeitig bis zur Grenze schafft, solltet ihr sicher sein. Sie jagen nicht außerhalb. Aber ihr müsst euch beeilen!"
Aaron neigte den Kopf. „Werden wir. Danke Robin." Ich hielt mir meine Fragen für später auf. Jetzt war mein einziger Gedanke Flucht. Ich wollte nur noch hier weg!
Doch Robin hielt uns noch einmal zurück: „Wegen eures Anliegens ..." Er sprach schnell, hastig. Seine Stimme überschlug sich beinahe.
„Vor neunzehn Jahren hatten wir eine schwangere Omega im Rudel. Sie hatte kurz vorher ihren Mate verloren, war hilflos und verängstigt. Ich wusste nicht warum, aber Aleksander wollte sie dazu bringen, das Kind zu töten. Ein grausamer Befehl, dem sie sich widersetzte. Sie bekam das Kind heimlich und setzte es in eine Decke gewickelt fernab unseres Territoriums aus. Aleksander hat sie getötet, weil sie seinen Befehl missachtete, kaum einer weiß davon. Von dem Kind haben wir nie wieder gehört. Es tut mir leid. Und jetzt beeilt euch. Sie sind sicher bald auf dem Weg und dann habt ihr keine Chance, gegen sie zu kämpfen." Mit diesen Worten verwandelte er sich wieder in einen Wolf und verschwand in die Richtung, aus der er gekommen war.
Ich starrte ihm nach, war wie gelähmt – nicht fähig, mich zu rühren. Ich bekam nichts mehr mit, alles fühlte sich taub an. Meine Gedanken kreisten, blieben aber nirgends lange genug hängen, um sich darauf zu konzentrieren. Tennex. Schwangere Omega. Töten. Aleksander.
Vor meinem Blick verschwamm alles.
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Plötzlich Wolf
WerewolfMiles führt ein normales Leben. Er hat einen besten Freund und eine Familie, die ihn liebt. Eigentlich könnte er kaum glücklicher sein. Seine einzigen Sorgen sind die Anforderungen des letzten Schuljahres und die Frage, was er danach mit seinem Lebe...