Ja, ich will.

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„Ich glaub's nicht, der Streuner ist tatsächlich wieder da!" Ein Mädchen stand grinsend in der Küchentür. Aufgrund der roten Locken vermutete ich, dass es sich bei ihr um Aarons Schwester handelte. Sie war etwa so groß wie Cami, hatte aber eine sportlichere Figur. Sie wusste scheinbar ganz genau, was ihr stand, denn sie trug ein figurbetontes Sommerkleid. Kati hätte sie darum beneidet, so etwas im Herbst tragen zu können, ohne zu frieren. Und die langen Beine, die hätte Kati definitiv beneidet.

„Ich hatte ja die leise Hoffnung, dass du das Rudel verlassen würdest, solange ich unterwegs war", scherzte Aaron. Jedenfalls hoffte ich, dass er scherzte, aber so oder so schien das Mädchen keineswegs beleidigt. Sie knuffte ihn in die Seite.

„Das sagt ausgerechnet derjenige, der selbst bis zur Zeremonie warten musste, um seinen Mate zu finden." Und das war scheinbar ihr eigenes Stichwort, denn nun wandte sie sich mir zu. „Du musst Miles sein. Hallo. Freut mich, dich kennenzulernen. Ich bin Lia." Ohne zu fragen setzte sie sich zu uns, nahm sich Aarons Gabel und stibitzte sich etwas Rührei von ihm. Er protestierte.

Lia beachtete ihren Bruder nicht.
„Aus welchem Rudel kommst du?", fragte sie mich. Wie oft würde diese Frage denn noch kommen? Ich wusste doch nicht, wem ich was erzählen durfte und sollte!
„Ähm –also ...", begann ich stotternd, doch Aaron übernahm für mich, während er die Gabel von seiner Schwester zurück eroberte. „Haben Mum und Dad dir noch nichts erzählt?"

Lia hielt inne, hörte auf, sich gegen ihren Bruder zu wehren.
„Also ist es wahr?" Scheinbar hatte man ihr doch schon davon erzählt. Ich nickte. Lia schwieg. Sie schien in ihren Gedanken zu versinken.
„Du brauchst dir keine Gedanken machen, Lia. Wir finden schon einen Weg." Aaron wusste scheinbar ganz genau, was in seiner Schwester vorging - ich konnte nur raten.

Lia seufzte und Aaron redete weiter.
„Heute Abend gehen wir zum Heiler und wenn der nichts rausfindet, fragen wir die Ältesten. Irgendwer wird etwas wissen und uns helfen können. Dann wird alles gut und du brauchst dir keine Sorgen um meinen Status machen." Also ging es wirklich um die Rolle des Alphas. Ich war mir sicher, Lia war es egal, wer Alpha dieses Rudels war, solange sie es nicht selbst sein musste. Nach allem, was ich bisher über sie erfahren hatte, wäre das eine Horror-Vorstellung für sie. Warum wusste ich nicht, aber sie hatte sicherlich ihre Gründe.
Andererseits würde sie ihr Rudel wohl auch nicht im Stich lassen, sollte Aaron als Alpha wirklich ausfallen. Nur würde sie dann ein Leben leben müssen, gegen das sie sich beinahe sechzehn Jahre lang gewehrt hatte.

Ich merkte, dass immer mehr davon abhing, ob ich meinen Wolf erweckte oder nicht. Auch wenn Aaron zuversichtlich war, je größer meine Verantwortung wurde, desto größer wurde auch meine Angst. Was, wenn es keinen Weg gab? Wenn ich ein Mensch bleiben müsste. Das hätte nicht nur Folgen für mich selbst, sondern auch für Aaron, Lia und möglicherweise das gesamte Rudel. Mir wurde schlecht.

„Was soll's? Warten wir einfach ab, was der Heiler sagt", verkündete Lia. „Ich bin dann mal oben." Sie schnappte sich Aarons Teller und die Gabel, die sie ihm wieder gestohlen hatte und dann verschwand sie aus der Küche.
„Thalia Lancon, du Kröte. Gib mir mein Essen wieder!", rief Aaron ihr hinterher und wollte scheinbar schon aufspringen, um sein Essen im Kampf zurückzuerobern, doch ich schob ihm stattdessen meinen Teller zu.
„Hier, nimm. Ich habe keinen Hunger mehr." Mir war der Appetit vergangen.


„Miles, ist alles in Ordnung?", fragte Aaron besorgt und ich nickte. Entgegen meiner Geste begann ich zu erzählen: „Es ist nur ... so viel hängt davon ab, ob ich ein Wolf werde. Was ist, wenn ich ihn nicht aktivieren kann? Wenn es nicht geht und ich ein Mensch bleibe ... dein ganzes Rudel könnte führerlos werden, sterben! Oder deine Schwester wird zu einem Leben gezwungen, das sie niemals wollte. Und das alles meinetwegen."

„Erstens ist mein Vater kerngesund", erwiderte Aaron beruhigend und legte seine Hand auf meine. Mit dem Daumen streichelte er meinen Handrücken. „So schnell wird er sicher nicht sterben, also haben wir genügend Zeit nach einer Möglichkeit zu suchen. Zweitens lassen wir dich heute Abend von einem erfahrenen Heiler untersuchen, ja? Und wenn der nichts findet, wenden wir uns an andere Wölfe, meinetwegen auch andere Rudel. Irgendwo wird es jemanden geben, der irgendetwas weiß, hast du das verstanden?" Aaron klang so hoffnungsvoll. Und entschlossen. Ich nickte.

„Willst du ein Wolf werden?", fragte er plötzlich noch. „Ich meine ganz ehrlich und nur für dich. Nicht für mich, nicht für das Rudel, nicht für sonst wen. Wenn all das nicht wäre, würdest du dann trotzdem noch ein Wolf werden wollen?"
Die Frage hatte ich mir selbst nun schon einige Male gestellt und die Antwort sah jedes Mal gleich aus.
„Ja, ich will.", sagte ich fest entschlossen. Aaron lächelte.
„Gut, dann werden wir alles dafür tun, deinen Wolf zu erwecken. Ich verspreche es dir."



Der Heiler war sowas wie der Arzt des Rudels. Anders als bei den Menschen jedoch war er nicht auf ein Gebiet spezialisiert, sondern er kannte sich in allen Angelegenheiten aus, die einen Arzt erforderten. Er wusste von sämtlichen Krankheiten, heilte Wunden und Brüche, half bei Geburten und sorgte sowohl für Jung als auch Alt.

Tobias Graham war ein Mann in den Fünfzigern, mit ergrautem Haar und einer Brille auf der Nase, über die er scheinbar immer hinwegsah. Er hatte eine gerade Körperhaltung und ein freundliches Lächeln.
Als er von uns in der Eingangshalle empfangen wurde, neigte er den Kopf zur Begrüßung.

„Ist es in Ordnung, wenn meine Assistentin mich begleitet? Es wäre einfacher, wenn sie dabei wäre." Ich wusste nicht, ob er die Frage an Aaron oder an mich richtete, aber Aaron beugte sich zu mir und flüsterte: „Er redet von Cami. Wenn es für dich in Ordnung ist, darf sie dabei sein. Ich vertraue ihr." Ich nickte. Aaron vertraute ihr, also tat ich es auch.
Kurz darauf stieß das Mädchen auch zu uns. Offensichtlich hatte sie noch ein paar Materialien besorgen müssen und kam deshalb etwas später als der Heiler.

Es wurde angeboten, uns ins Gästezimmer zurückzuziehen, damit wir unsere Ruhe hatten. Aarons Hand hatte ich nicht losgelassen, also war er einfach mitgekommen. Ich wusste nicht, ob er sowieso vorgehabt hatte, dabei zu sein oder ansonsten vor der Tür gewartet hätte. Doch ich wollte Aaron bei mir haben für den Fall, dass Fragen auftraten, die ich nicht beantworten konnte.


Tobias stellte sich und Camille noch einmal vor, bevor er mir grob erklärte, was in den nächsten Minuten geschehen würde.
Ich müsste einige Fragen beantworten, hauptsächlich zu meiner Vergangenheit, dann würde er meinen Gesundheitszustand checken und schließlich etwas Blut für ein paar Tests abnehmen.

Die Fragen waren der einfache Part. Ich beantwortete sie so gut ich konnte, Aaron musste nur einmal einspringen, um eine meiner Antworten zu präzisieren.
Der zweite Teil war dann schon etwas unangenehmer. Ich musste mich bis auf die Unterhose entkleiden. Ich schämte mich nicht für meinen Körper, aber ich fühlte mich dennoch nicht wohl, halbnackt vor drei Leuten zu stehen. Ob ich doch darum bitten sollte, Cami und Aaron vor der Tür warten zu lassen?

Allerdings gaben sich alle drei große Mühe, mein Unwohlsein nicht zu steigern. Cami schrieb fleißig Notizen, die Tobias während der Untersuchung immer wieder ansagte. Aaron beherrschte sich, mir lediglich ins Gesicht zu sehen und mich mit Blicken aufzumuntern und Tobias tat nur seinen Job. Es war also eigentlich aushaltbar und schneller als ich erwartet hatte, durfte ich mich wieder anziehen.

Tobias sagte nichts und ich wusste nicht, ob das gut oder schlecht war. Auch Cami schwieg, als sie ein paar Röhrchen von meinem Blut abnahm.
„I-ist alles okay?", fragte ich unsicher. Auch Aaron war das Schweigen aufgefallen und es schien ihm ebenso wenig zu gefallen wie mir. Tobias seufzte tief.

„Ich habe eine Vermutung, aber die möchte ich lieber erst bestätigen, bevor ich sie jemandem mitteile." Alles ist gut klang anders. Ich schlang die Arme um meinen Oberkörper, weil mir plötzlich seltsam kalt wurde. „Ich werde die Bluttests heute Nacht auswerten und schicke morgen früh Camille mit den Ergebnissen zu euch. Macht euch bis dahin nicht so viele Sorgen." Tobias packte seine Sachen zusammen, Cami half ihm dabei und dann verließen sie auch schon das Anwesen.

Macht euch keine Sorgen! Das sagte er so leicht, aber wie sollte das nach diesem Verhalten möglich sein? Irgendetwas schien doch ganz und gar nicht in Ordnung zu sein.


Anna und Tyson kamen aus dem Wohnzimmer, als sie hörten, dass der Heiler gegangen war.
„Und? Was sagt er?", erkundigten sie sich sofort, doch Aaron tat es mit einem Murren ab. Offensichtlich gefiel ihm gar nicht, was gerade vorgefallen war.
„Wir bekommen morgen die Ergebnisse", erklärte ich also, damit die Lancons nicht vollkommen im Dunkeln blieben. Anders als wir beide schienen sie mit dieser Information zufrieden zu sein, wünschten uns schon mal eine Gute Nacht und gingen dann wieder ins Wohnzimmer.

„Aaron?", fragte ich unsicher. Es machte mir nur noch mehr Angst, dass er auch nicht wusste, was das seltsame Verhalten des Heilers zu bedeuten hatte.
Aaron sah mich an.
„Es wird schon alles gut gehen", sagte er und ich hatte das Gefühl, dass er damit mehr sich selbst beruhigen wollte. Ich nickte. Er hatte versprochen, einen Weg zu finden, also würden wir das auch tun! In Momenten, in denen bei Aaron die Hoffnung zu schwinden drohte, musste ich dafür umso mehr glauben – für uns beide zusammen. Und ich glaubte daran, dass alles gut werden würde!


„Wie wäre es, wenn wir uns ein bisschen ablenken?", fragte Aaron plötzlich. Ich schaute ihn fragend an. „Einfach mal ein bisschen den Kopf freibekommen, was meinst du?" Ich nickte, bevor ich fragte: „Was meinst du?"
Er packte mich am Handgelenk und zog mich die Treppe hinauf in sein Zimmer. Ich hatte das Gefühl, meine Gedanken drifteten viel zu schnell in die falsche Richtung ab.

Aaron öffnete seinen Kleiderschrank und suchte ein Shirt und eine bequeme Hose heraus. Beides reichte er mir und dann schob er mir noch ein Paar Schuhe zu.
„Lust, laufen zu gehen?"


Und wie ich das hatte! Aarons Wald war anders als meiner daheim. Der Boden war irgendwie weicher, was mich beim Laufen ein wenig irritierte, und die Pflanzen wirkten grüner und voller, als könnten sich Lebewesen in diesem Gebiet besser entfalten. Nicht nur die pflanzlichen. Auch Tiere konnte ich hier mehr sehen. Es herrschte eine größere Artenvielfalt und irgendwie fühlte man sich nicht so sehr wie ein Fremdkörper, sondern mehr wie ein Teil der Natur.

Auch wenn dieser Wald objektiv betrachtet schöner war, so vermisste ich doch meinen Wald zuhause. Es war kein penetrantes, schmerzhaftes Vermissen, sondern eher ein kleiner Stich im Herzen. Wie ein Fleck, den man einfach nicht loswurde. Man konnte ihn jedoch ausblenden, vor allem, wenn man versuchte, mit einem Wolf um die Wette zu rennen.

Ein unfairer Wettkampf selbstverständlich, aber ich forderte ihn trotzdem immer wieder heraus. Vielleicht könnte ich ihn irgendwie überlisten? Abkürzungen hatte ich schon versucht. Selbst wenn Aaron trotzdem die vorgegebene Route lief, war er immer schneller als ich am Ziel. Doch was, wenn ich den Spieß einmal umdrehte?

Ich wählte eine relativ kurze Strecke und als ich das Startsignal gab, drehte ich ab und schlug einen Umweg ein. Und tatsächlich. Wie ich erwartet hatte, war Aaron so irritiert von meinem Handeln, dass er seinen eigenen Weg vergaß und mir ins Unterholz folgte. Als ich das bemerkte, versuchte ich unbemerkt wieder auf die Strecke zu kommen und irgendwie gelang es mir. Ich nutzte den Moment, in dem Aaron mich suchte und sprintete ins Ziel.

„Gewonnen!", jubelte ich, als ich auf der kleinen Lichtung auftauchte, die ich als Ziel bestimmt hatte. Aaron kam nur wenige Sekunden nach mir aus dem Wald.
Ich stemmte die Hände in die Hüften. „Was wählst du auch einen Umweg? Da brauchst du mich jetzt gar nicht so irritiert anschauen. Ich war zuerst hier, also habe ich gewonnen", verkündete ich und konnte mir am Ende das Lachen nicht mehr verkneifen. Aaron bellte und hechelte und erinnerte mich so tatsächlich mehr an einen Hund, mit dem ich gerade spielte.

Doch plötzlich sprang er mit einem Satz auf mich zu. Er landete direkt vor mir, nutze den Schwung allerdings, um mich auf den Boden zu werfen. Ich landete im weichen Gras, zu geschockt, um im ersten Moment zu reagieren.
Der Wolf drückte eine Pfote auf meine Brust und bellte noch einmal. Er sah mich von oben herab an. Ich konnte den goldenen Schimmer in Aarons Augen verspielt funkeln sehen. Ah, so war das also. Der Herr wollte mir seine Überlegenheit beweisen.

„Das hättest du wohl gerne. Ich habe dieses Rennen gewonnen, daran kannst du nichts ändern." Ich versuchte, Aarons Pfote von mir zu schieben, doch es gelang mir nicht. Er war zu stark und das wusste er auch. Er legte den Kopf schief und sah mich an. Vielleicht bildete ich mir das freche Grinsen nur ein, vielleicht auch nicht – konnten Wölfe überhaupt grinsen? Jedenfalls meinte ich einen gewissen Schalk in seiner Mimik zu erkennen.

Und dann ganz plötzlich schnellte Aaron vor und leckte mir einmal über die Wange bis hin zu meinem Ohr. Ich versuchte den Kopf abzuwenden und den Wolf von mir zu drücken.
„Bah, Aaron!", rief ich. Igitt, Wolfssabber. Mit der Hand wischte ich mir über das Gesicht, um das Gefühl wenigstens etwas wieder loszuwerden und trotzdem lachte ich. Ich lachte laut und ehrlich und konnte gar nicht mehr damit aufhören. Diese Situation war einfach so komisch, doch ich fühlte mich wohl und geborgen, sicher und schwerelos, verliebt und geliebt. Das Lachen half mir, all diese Emotionen zu begreifen und zu verarbeiten.

Aaron drückte sich an mich und ich konnte selbst nicht sagen, ob ich ihn zu mir zog oder von mir drückte. Irgendwie tat ich beides. Ich zog und schob an seinem Fell, bis ich plötzlich stattdessen Haut spürte und nicht mehr der Einzige war, dessen Lachen auf der Lichtung erklang.

Aaron war über mich gebeugt, stützte sich neben meinem Kopf ab, um nicht mit seinem ganzen Gewicht auf mir zu liegen. Aber wir waren uns so nah. Ich spürte die Wärme, die von ihm ausging. Ich spürte seinen Atem auf meiner Haut und das Vibrieren seines Körpers, während wir lachten.

Aaron drückte sich nach oben, um mir ins Gesicht zu sehen. Er strich mir eine verschwitzte Strähne aus dem Gesicht und lächelte mich so liebevoll an.
Ich starrte auf seine Lippen. Wie gern ich ihn jetzt küssen wollte!
Ich müsste mich nur ein wenig vorbeugen, oder der Einfachheit halber Aaron näher zu mir ziehen, dann könnte ich meine Lippen auf seine legen. Ein Teil von mir wollte es so sehr, doch irgendetwas hielt mich davon ab. Ich konnte scheinbar doch nicht.

Frustriert stöhnte ich auf und wandte meinen Kopf ab. Es brachte mich um den Verstand, dieses hin und hergerissen sein zwischen wollen und nicht wollen.
Aaron zog sich ein Stück zurück und so konnte ich mich aufsetzen.
„Tut mir leid", murmelte ich kleinlaut. Ich wollte es erklären, denn ich hatte auch in seinen Augen das Verlangen gesehen, doch ich wusste nicht, wie ich es ausdrücken sollte.

„Miles, es ist okay. Verbindungen zwischen Mensch und Wolf sind unnatürlich, weil Werwölfe einen Mate brauchen und ein Mensch das niemals sein könnte. Außerdem ist es für Menschen gefährlich, mit einem Werwolf zusammen zu sein, ich meine ein Biss ... Durch die Mate-Verbindung fühlst du dich zu mir hingezogen, aber dennoch sträubt sich der menschliche Teil in dir gegen eine wirkliche Beziehung."

Ich schlang die Arme um meinen Oberkörper. Was Aaron da sagte, gefiel mir nicht. Sogar in dieser Sache stand ich mir selbst im Weg!
Ich stand auf und lief auf und ab. Ich versuchte, meine Gedanken zu ordnen. Es gelang mir nicht. Das alles ärgerte mich mehr als ich ausdrücken könnte.

Ich ballte meine Hände zu Fäusten und versuchte, meine Gedanken durch einen Schrei zum Schweigen zu bringen. Es half nichts und so endete das Ganze nur damit, dass ich mich wieder selbst umklammerte und mir die Tränen mit stummen Schluchzern über die Wangen liefen. Was suchte ich überhaupt hier, wenn mir mein Menschsein bei allem im Weg stand? Wenn es mich nur durcheinander brachte und aufwühlte. In einem Moment schwebte ich auf Wolke Sieben, lernte neue Welten kennen und fühlte mich glücklicher als je zuvor und im nächsten wurde all das zunichte gemacht, weil ich eben so war wie ich war. Wo war denn dann bitte der Sinn des Ganzen? Warum tat man mir das an?


Ich merkte erst nach einer Weile, dass ich aufgehört hatte, umherzulaufen, weil Aaron mich von hinten festhielt und mir beruhigend ins Ohr sprach.
„Miles, entspann dich doch. Es ist alles gut. Miles, bitte, hör auf, bitte Miles." Er klang flehend, aber ruhig. Er schaffte es, dass meine Tränen versiegten.
„Warum bist du eigentlich immer so verständnisvoll?", fragte ich und die Wut schien wieder Oberhand gewinnen zu wollen. Meine Stimme war schneidend und bissig. Es gefiel mir nicht, dass Aaron so ... perfekt war, während ich von vorne bis hinten Probleme verursachte.

„Glaub mir Miles, mich frustriert das Ganze genauso wie dich. Ich würde dich so gerne küssen, dir endlich richtig nahe sein, aber was soll ich denn machen? Dich zu irgendetwas zwingen und dich dadurch verschrecken – oder sogar verletzen? Ich kenne die Gefahren, die unsere Verbindung mit sich bringt und glaub mir, das jagt mir eine ungeheure Angst ein. Aber ich kann meinen Frust auch nicht an dir auslassen, denn du bist nicht Schuld an dem Ganzen, hast du mich verstanden, Miles?" Aaron sprach eindringlich und zwang mich dabei, ihn anzusehen. Ich nickte zögernd. Zumindest die Worte hatte ich verstanden, ob ich sie verinnerlicht hatte, stand auf einem anderen Papier geschrieben.

Plötzlich WolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt