„Das ist ja wohl nicht wirklich passiert, lüg mich doch nicht an", Cole stellt den Motor ab und wirft mir einen ungläubigen Blick zu.
„Doch, es war so. Er hat mir ja sogar einen Donut gegeben, den ich vorhin gegessen habe", ich zucke nur mit den Schultern und löse mich vom Gurt. Dabei fällt mir wieder mein Kaffeefleck auf. Heute haben Mum und ich fast verschlafen, denn so klug wie wir beide sind, haben wir nach unserem Filmeabend komplett vergessen einen Wecker zu stellen. Weder sie noch ich haben daran gedacht und sind einfach schlafen gegangen. Zum Glück wache ich nie so spät auf, weshalb ich erstmals einen Schock bekommen habe und dann panisch in das Zimmer meiner Mutter gelaufen bin. Die hat wohlmöglich jetzt das zweite Mal den Schock ihres Lebens bekommen, aber da sie jetzt wegen mir pünktlich zu Arbeit erscheint, wird sie mir das wohl verzeihen.
Aber ich bin sehr stolz auf mich, denn ich habe es in unter 5 Minuten geschafft mich anzuziehen, meine Haare zu machen und noch etwas zum Essen zu nehmen. Zwar habe ich jetzt irgendeinen schlabbrigen Pullover mit einer Leggins an, meine Haare können mit einem Vogelnest verwechselt werden und ich habe mich beim Kaffee eingießen angespritzt, doch immerhin bin ich pünktlich in der Schule.
„Ja du hättest mir auch was abgeben können. Immerhin füttern Vögel Mütter ja auch ihre Kinder", Cole schnappt sich seinen Rucksack vom Rücksitzt und dabei entgeht mir nicht sein verwirrter Blick an meine Haare gerichtet.
„Na vielen Dank auch. Ich weiß, dass ich schlabbrig aussehe, aber zumindest bin ich jetzt hier", ich nehme mir auch meine Tasche und schließe hinter mir die Tür.
„Deinem Nathaniel wirst du auch so bestimmt gefallen", Cole sperrt noch zu und sieht mich dann grinsend an.
Das meint er doch wohl nicht ernst? Den Zweitnamen hätte ich ihn gar nicht nennen sollen.
„Sei ruhig und wenn du weiter so vorlaut bist, kannst du das nächste Mal die Englisch Hör- und Leseübungen schön selbst machen", ein Grinsen macht sich in meinem Gesicht breit. Cole ist etwas schwächer in Englisch, weshalb wir bei plötzlichen Lernkontrollen zusammenarbeiten. Natürlich ist das nicht sehr empfehlenswert, da wir immer erwischt werden und dann bis zu dem Ende der Stunde keinen Laut von uns geben aber zumindest haben wir dann ein paar Antworten ausgetauscht. Dafür hilft er mir aber immer wieder in Mathe, denn ehrlich gesagt habe ich da die größten Probleme. Aber jetzt einmal ehrlich, ich interessiere mich nicht dafür und werde es somit in der Zukunft nicht gebrauchen können. Durchkommen muss ich aber trotzdem. Da erkennt man dann doch wieder einige Probleme im Schulsystem.
„Ich mache doch nur Spaß Gray, reg dich ab", er lacht und geht zur Tür.
Grinsend folge ich ihm. „Na klar. Das sagst du jetzt nur weil du weißt, dass du meine Hilfe brauchst"
„Ich doch nicht. Hast du alles mit oder musst du noch etwas holen?", er blickt mich fragend an.
„Du kannst schon gehen, ich muss noch mein Buch aus dem Spind holen", ich winke ihm zu und er geht dann auch schon schulterzuckend.
Jetzt wäre es echt noch der Hammer, wenn ich meine Schlüssel am Küchentisch habe liegen lassen. Diese Panik löst sich schnell wieder in Luft auf, als ich meinen Schlüsselbund in der Tasche fühle. Erleichtert atme ich aus und knie mich zu meinem Spind. Nein ich hatte nicht das Glück wie Cole einen der oberen zu bekommen. Klar bin ich mit meinen 160 cm nicht sehr groß aber schwer machen will ich es mir trotzdem nicht. Deshalb wäre ein Spind oben sehr bequem, doch wie erwähnt war das Glück nicht mit mir, beziehungsweise ist es immer noch nicht.
Natürlich bin ich wie immer zu lange in meinen Gedanken versunken und blicke dann auf die Wanduhr. Kurz vor acht. Das wird echt knapp. Ich hole mir schnell meine Bücher und renne. Doch dann muss ich kurz neben einem Raum stoppen, da ich gedämpfte Schreie höre.
Jetzt bin ich froh, dass die Türen in diesen Schulen nicht nur komplett aus Holz sind, sondern sich auch oben in der Mitte ein Glasfenster befindet, durch das man in den Raum blicken kann.
Ich halte meine Bücher an die Brust und versuche meine Atmung unter Kontrolle zu bekommen.
„Wohin soll das bitte führen, ich kann nicht mehr?"
„Es tut mir leid, aber ich kann nichts garantieren."
Ich nehme nur einzelne Sätze gedämpft war und traue mich dann endlich in den Raum zu blicken.
Mr. Moore und Alica, die Schwester von Theo, diskutieren lauthals. Alica sieht wieder einmal sehr fertig aus aber die Mimik von Mr. Moore kann ich nicht erkennen. Ich bekomme noch „Ich muss damit aufhören aber ich kann nicht" und „Es muss nicht so enden" mit, ehe ich unabsichtlich mein Buch fallen lasse und mir mein Herz stehen bleibt als die Stimmen verstummen. Schnell hebe ich es mit meinen schwitzenden Händen auf und laufe so schnell ich kann zu meinem Klassenzimmer. Ich hoffe, dass mich keiner von den beiden gesehen hat. Obwohl vermutlich die beiden auch hoffen, dass keiner sie gesehen hat, so leise wie sie gesprochen haben.
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Deep thoughts
Teen FictionMenschen sind so wie Bücher, einige so leicht zu lesen wie Bilderbücher, andere so schwer wie tausendseitige Romane, doch lesen kann man sie. Man muss sich nur eine Zeit genauer mit ihnen beschäftigen. Und die, die verschlossen sind, sind auch leich...