"Danke fürs nach Hause fahren. Bis morgen", ich umarme Lola und winke Nelly und Lisa kurz zu, ehe ich aussteige und zur Tür schreite. Schleunigst fische ich den Schlüssel aus meiner Clutch, was sich schwieriger als gedacht erweist, mit den ganzen Einkaufstüten in den Händen. Im Endeffekt habe ich mehr als erwartet gekauft, aber bei den ganzen Ausverkäufen, um diese Zeit, hätte jeder zugeschlagen.
Als ich den Schlüssel drehe, höre ich ein verdächtiges Schniefen. Ein ziehen durchfährt meinen Körper. Mit voller Wucht öffne ich die Tür, lasse die Tüten im Flur fallen und gehe mit großen Schritten auf das Wohnzimmer zu.
Meine Mutter sitzt wie ein Häufchen Elend am Boden, mit seinem Bild in den Händen. Ihr Gesicht ist tränenüberströmt, die Augen starr auf das Bild gerichtet und ein Wimmern verlässt ihren Mund. Neben ihr liegen mehrere Scherben und ich sehe zum offenen Schrank, wo unser Geschirr fehlt.
"Mum!" ein Kreischen entkommt mir und nun bannen sich auch meine Tränen ihren Weg hinauf.
Bei meiner Stimme zuckt sie zusammen und sieht nun endlich zu mir. Diese Leere in ihren Augen gibt mir den Rest und ich lasse meinen Tränen freien Lauf. Nein.
Ich muss mich zusammenreißen, auch wenn ich gerne hier und jetzt genauso zusammenbrechen möchte.
"Steh bitte auf und beruhige dich."
Ich versuche sie hochzubekommen und bin froh, dass sie von sich aus aufsteht. Ich greife nach ihrem Arm und lege ihn um meine Schulter. So versuche ich sie ins Schlafzimmer zu bekommen. Angelangt am Bett lasse ich sie behutsam los und sie legt sich tonlos hin. Ich gebe ihr noch eine Decke und möchte gehen ehe ich ihre leise Stimme höre. "Es tut mir so leid Schatz. Alles ist meine Schuld."
"Mum, ich vermisse ihn auch. Es ist ok. Mach dir bitte keine Gedanken mehr und schlaf jetzt", nach einem Kuss auf ihrer Stirn verlasse ich ihr Zimmer und schließe leise die Tür hinter mir.
Ich räume noch die Scherben weg, ehe ich in mein Zimmer gehe. Dabei schneide ich mir in den Zeigefinger. Der Schnitt ist nicht tief dennoch blutet es. Bevor ich hinaufgehe hole ich mir aus dem Küchenschrank noch ein Pflaster. Wie lange wird uns das noch verfolgen. Wie lange wirst du uns noch verfolgen. Wieso konntest du nicht bei uns bleiben, so wie du es immer versprochen hast. Wieso Dad...wieso.
Auch diese Nacht kann ich nicht ruhig schlafen, zu viele Erinnerungen und Gedanken schwirren mir im Kopf.
- - -
"Guten Morgen. Nehmen Sie bitte Platz", bittet uns Mr. Moore.
Ich schließe mein Notizheft, worin ich vor wenigen Minuten noch hineingekritzelt habe und lenke meine Aufmerksamkeit auf ihn. Das fällt mir aber schwer, da ich letzte Nacht kaum ein Auge zugedrückt habe.
"Ist alles gut bei dir?" Cole wirft mir einen besorgten Blick zu, welchen ich durch einen Daumen nach oben erwidere. Er sieht mich ungläubig an, doch hackt nicht weiter nach.
"Da in ferner Zukunft euer Abschluss ansteht, müsst ihr wissen, dass ihr eine Arbeit im Team erledigen müsst, um überhaupt antreten zu können. Natürlich muss jeder dabei auch seinen eigenen Teil bearbeiten aber dafür müsst ihr euch auch im Team abstimmen."
Alle werfen ihren Freunden einen vielsagenden Blick zu und auch Cole grinst mich an. Dann haben sich die Teams wohl schon gebildet.
"Netter Versuch aber..."
Plötzlich wird die Tür geöffnet und Theo tritt herein. Alle Augen liegen auf ihm, was ihm scheinbar egal ist denn er bannt sich seinen Weg zu seinem Platz.
"Sie sind zu spät." Mr. Moore wirft ihm einen strengen Blick zu. „Mal wieder", fährt er fort.
Theo aber setzt sich auf seinen Platz und blickt ihn emotionslos an. "Sie wissen ja wie das ist. Mal hat man Lust und mal nicht."
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Deep thoughts
Teen FictionMenschen sind so wie Bücher, einige so leicht zu lesen wie Bilderbücher, andere so schwer wie tausendseitige Romane, doch lesen kann man sie. Man muss sich nur eine Zeit genauer mit ihnen beschäftigen. Und die, die verschlossen sind, sind auch leich...