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Die Stunde zieht sich in die Länge und langsam fühle ich mich schon etwas unwohl. Cole habe ich weder gesehen noch eine Nachricht von ihm erhalten. Toller bester Freund.

Ein Blick auf die Tanzfläche und man sieht typische Jugendliche ihre Tugend in vollen Zügen genießen. Die Stimmung ist genauso wie am Anfang, man kann jedoch sagen, dass es langsam noch verrückter wird. Ist klar, der Alkoholintus wirkt sich schon auf die Sinne der Leute aus und sie verlieren die Kontrolle über ihren Geist.

Ich schließe die Augen.

Es wäre heute nicht so, wie es ist, wäre es damals nicht so gewesen wie es war. Ich wäre nicht in dieser Stadt, nicht im neuen Haus, nicht auf der neuen Schule und nicht auf dieser Party. Innerlich bin ich kaputt, müde, verletzt und kann oft nicht mehr, doch äußerlich kämpfe und lache ich weiter, damit niemand merkt, wie es mir wirklich geht. Schon seit langem spüre ich einen Druck an meinem Herzen und in Momenten wie diesen, überrumpeln mich meine Gefühle und Gedanken. Seitdem ich in dieser Stadt bin, habe ich es versucht zu unterdrücken, doch jetzt passiert das Gegenteil. Ich habe schon sehr viel Leid in meinem Leben erleben müssen, es ist zwar schon eineinhalb Jahre her, doch jede Nacht erlebe ich die Szene immer und immer wieder, aber man wahrt eben den äußeren Schein. Meiner Mutter zuliebe bleibe ich stark und versuche mein Leben weiterzuleben. Das ist aber wohl einfacher gesagt als getan.

Ich schlucke hart und atme tief aus.

Hier drinnen wird es immer stickiger und darum begebe ich mich auf den Weg zum Garten. Dabei laufe ich gegen den Jungen, der vorhin dachte, er sei lustig und läuft einfach mal nackt durch das Wohnzimmer. Peinlich berührt murmelt er ein leises "Sorry" und geht dann tonlos an mir vorbei. Mittlerweile hat er es wenigstens geschafft sich eine Hose anzuziehen. Das kann morgen was werden, denn genügend haben das Szenario in voller Länge gefilmt.

Kaum setze ich einen Fuß hinaus, umhüllt mich eine Kälte, die mir ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Endlich Luft. Richtige Luft. Die frische Luft lässt mich auch die Gänsehaut, welche sich auf meinem Körper breit macht, vergessen.

Es ist schon stockdunkel, dank ein paar Straßenlaternen wird mir die Sicht nicht versperrt, was eigentlich auch nicht schlecht wäre, denn was sich mir jetzt bietet, ist nicht gerade schön mitanzusehen. Ein braunhaariger Junge mit einer Baseballcap übergibt sich mit einer Flasche Wodka in der Hand. Ehe er fertig ist nimmt er noch einen Schluck und muss kurz danach wieder den Kopf in die Mülltonne halten. Ein Mädchen, gekleidet mit einer normalen Jeans und einem schlichten T-Shirt diskutiert weiter rechts lauthals mit dem Jungen vor ihr, verpasst ihm dann eine Ohrfeige, nachdem er etwas sagt, was sie nicht so gut aufnimmt und steigt dann auch schon ins Taxi. Wo kam den das so schnell her? Drama pur hier.

Abwendend von ihnen steuere ich auf eine braune Schaukel etwas weiter vom Haus entfernt zu und lasse mich nieder. Ich frage mich, wann ich zuletzt geschaukelt habe. Zu lange muss es her sein, denn ich kann mich nicht mehr erinnern. In sehe nur Erinnerungsfetzen mit ihm.

"Hey, nicht so krass die Party was."

Mein Blick schnellt zur Seite, wo ich einen Jungen lässig am Mast lehnend sehe, in der einen Hand hält er eine Zigarette, an der er kurz zieht ehe er weiterspricht.

Wie lange steht er schon da?

"Immer müssen die alle übertreiben. Pubertierende Kleinkinder."

Ich muss lächeln. Eine schwarze Cap verdeckt seine brünetten Haare, Ringe schmiegen an seinen Fingern und seine braunen Augen vermitteln eine leichte Wärme.

"Und was genau bist du dann, wenn ich fragen darf?", schmunzele ich.

"Wahrscheinlich nicht besser, als die da drinnen, doch ich kenne meine Grenzen und übertreibe es nicht mit dem Saufen."

Er zuckt die Schultern und atmet erneut Rauch ein. Die kleine Papierrolle gestopft mit Tabak sieht schon verlockend aus. Eine Raucherin war ich noch nie, dennoch habe ich mir ein oder zwei bei Partys nicht entgehen lassen und auch in stressigen Situationen beruhigt mich das kleine Ding ein wenig.

"Bediene dich, meine Lunge wäre dir sehr dankbar, denn diese Packung ist mindestens in einer Stunde leer.", er hat meinen Blick gesehen und hält mir die rote Packung entgegen, worauf ein Bild, einer kaputten Lunge abgebildet ist.

Unentschlossen greife ich dann doch zu und zünde sie mir an. Er wäre nicht stolz. Ich packe sie zwischen meinen Lippen und atme das Nikotin ein. Ein kurzes Gefühl der Entspannung durchdringt mich und lässt meine Muskeln weich werden.

Erneut möchte ich einziehen, als sie mir plötzlich aus der Hand gerissen wird.

"Eyy!" kreische ich auf und blicke zum Übeltäter und dabei direkt in zwei leuchtende Meere.

Theo Green höchstpersönlich. Mal wieder.

"Verpiss dich Bill. Luke macht wieder irgendeine scheisse, geh dir das anschauen.", sagt er zu dem brünetten mir gegenüber, der sich lachend wieder ins Haus begibt. Einen Moment mal Bill? Hat Lola nicht gemeint, dass es die Party von einem Bill ist. Ich muss kichern bei dem Gedanken, dass er seine eigene Feier als lahm betitelt hat.

"Trinken tust du nicht, aber rauchen ist in Ordnung. Da passt, doch irgendetwas nicht zusammen findest du nicht?", ertönt seine raue Stimme, die mir wieder aus einem unerklärlichen Grund eine Gänsehaut bereitet. Kann doch nicht sein, dass er mir jedes Mal eine Gänsehaut bereitet. Erst vor kurzem ist sie weggegangen und nun wieder da. Ich hatte fast schon den Klang seiner Stimme vergessen. Bei den vier Worten, die er mit mir beim Autorennen gewechselt hat, kann man mir das doch auch nicht verübeln. Aber dieser Klang ist beruhigend.

Mein Kopf hebt sich ein wenig und ich blicke zu meiner Rechten. Er hat sich auf die freie Schaukel gesetzt und zieht an der Zigarette, die sich noch vor wenigen Sekunden in meiner Hand befunden hat. Sein Blick ist dabei starr nach vorne gerichtet.

Ganz Unrecht hat er nicht.

"Ich habe nicht gesagt, dass ich nie trinke, nur mache ich das eben selten und dafür habe ich meine Gründe. Rauchen tue ich ohnehin, nur wenn ich an den Punkt angelangt bin, wo ich einfach nicht anders kann. Außerdem sollte man nicht in hohen Tönen sprechen, wenn man es selbst auch macht." Ich weiß nicht, woher plötzlich dieser Mut kommt und warum ich mich überhaupt bei jemanden rechtfertige, den ich kaum kenne aber trotzdem verlassen diese Worte meinen Mund.

Er scheint nachzudenken. Vermutlich weiß er selbst nicht was er gerade macht. Ich beobachte ihn. Seine linke Hand ist versteckt im roten Supreme Hoodie und die Haare sind unter der Kapuze.

Warum hast du nur so eine Auswirkung auf mich Theo Green...Warum finde ich dich interessant.

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