Vor dem Spiegel stehend, sehe ich mich einige Minuten an. Ich streiche das schwarze schulterfreie Kleid glatt. Es betont meinen Körper, zwar ist es etwas kurz, dennoch auch nicht zu kurz. Es war das erste, was mir beim Öffnen meines Schranks ins Auge gesprungen ist und nebenbei auch das Einzige. Meine restlichen Kleider sind irgendwo in den Kartons verstreut, zu denen ich noch nicht gekommen bin, sie auszupacken. Passend dazu, habe ich meine Overknees heraus gekramt, welche dem Kleid den letzten Schliff verleihen. Meine Finger bewegen sich automatisch zu meiner Halskette und fahren den Umriss entlang.
Der Satz < D. loves you > ziert die Herzform. Ein Kloß bildet sich in meinem Hals. Als ich sie zu meinem elften Geburtstag bekommen habe, war ich das glücklichste Mädchen auf der Welt. Ich sehe mich vor mir, in meinem Blümchenkleid und mit der roten Masche auf meinem Kopf. Wie sehr ich sie doch gehasst habe, doch ihm zuliebe habe ich sie getragen. Meine Backen sind so rot und meine Augen glänzen als er endlich kommt und ich in seine Arme springe, dabei überreicht er mir die Kette und ab da an, habe ich sie jeden Tag getragen.
Ein klopfen bringt mich wieder auf dem Boden der Tatsachen zurück. Meine Wange ist feucht. Schnell wische ich darüber, atme tief aus und blinzele mehrmals ehe ich mich zu meiner Mum umdrehe. Ihre Haut ist blass, die Lippen spröde und tiefe Schatten bedecken ihre Augen. Mit der einen Hand steht sie lässig am Türrahmen und lächelt, doch es erreicht nicht ihre Augen.
"Schatz, Cole ist da und wartet."
"Danke Mum. Ich gehe dann mal. Ruh du dich bitte ein wenig aus." Beim Vorbeigehen gebe ich ihr noch einen Kuss auf die Wange.
"Hab viel Spaß.", höre ich sie noch hinterherrufen ehe ich die Haustür schließe.
Ich würde am liebsten bei ihr bleiben und sie wissen lassen, dass ich da bin. Das ich für sie da bin. Das habe ich auch lange gemacht bis sie mich nicht mehr so sehen konnte und mich gedrängt hat unter Leute zu gehen. Selbst ist sie aber immer zuhause geblieben. Seine Mutter leiden zu sehen ist ein unvorstellbarer Schmerz für das Kind. Überhaupt wenn man etwas dagegen tun möchte, es aber nicht kann.
Ich atme tief durch und gehe auf das Auto zu.
Schnell setzte ich mich zu Cole, der noch schnell einen lächelnden Blick auf sein Handy wirft und es schließlich in seine Hosentasche packt. Mit wem er wohl gerade geschrieben hat. Eine leise Ahnung hätte ich schon.
"Wurde auch mal Zeit." Sein Blick ist nach vorne gerichtet und er setzt dazu an den Motor zu starten.
"Sonderlich gestört hat es dich aber nicht zu warten, so wie du auf dein Handy geblickt hast. Wer ist denn die Unglückliche?", grinse ich ohne ihn dabei anzusehen.
"Ach das war nur Lisa.", er blickt einen Moment in den Rückspiegel. "Sie ist nur eine Freundin.", beendet er.
Seiner Reaktion zufolge scheint sie aber mehr zu sein.
"Ist klar.", schmunzele ich.
"Wie bitte?", fragt er verwirrt, aber seine Wangen zeigen eine andere Reaktion, indem sie einen rötlichen Ton annehmen.
"Ach nichts."
Von der Ferne höre ich schon die Musik dröhnen und je weiter er fährt, desto größer wird der Umriss des Hauses. Angekommen parkt er, möglichst in der Nähe ein. Bei gut 800m² Grundstücksfläche, ist es nicht schwer einen geeigneten Platz zu finden.
Gebaut aus Holz und Stein, sieht das Einfamilienhaus sehr modern aus. In den Fenstern kann man Leute tanzen sehen und auch im Garten ist es nicht gerade leer. Einige spielen Trinkspiele andere sind schon betrunken und liegen im Gras.
Als wir hereintreten, kommt mir ein Hauch aus einer Mischung von Alkohol, Zigarettenrauch und Schweiß entgegen. Toll.
Die letzte Party, auf der ich war, ist schon so lange her, doch einen Unterschied zu dieser macht sie auch nicht. Es ist immer dasselbe. Überall liegen Pappbecher, alkoholische Getränke und die Leute tanzen wild herum. Ein Blick auf mein Handy verrät mir, dass es erst halb neun ist. Wie wird das dann wohl um Mitternacht aussehen.
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Deep thoughts
Teen FictionMenschen sind so wie Bücher, einige so leicht zu lesen wie Bilderbücher, andere so schwer wie tausendseitige Romane, doch lesen kann man sie. Man muss sich nur eine Zeit genauer mit ihnen beschäftigen. Und die, die verschlossen sind, sind auch leich...