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"Du bist ganz schön vorlaut.", sagt er nach wenigen Minuten.

Ich blicke erneut zu ihm, diesmal erwidert er meinen Blick und als ich dieses blau sehe, verliere ich mich darin für einige Sekunden. Seine Augen strahlen solch eine Aura aus, dass ich kurz aufatmen muss. Sie wirken so leer aber dann doch voller Leben. Auch wenn es mittlerweile dunkel ist und ich seine Gesichtszüge nicht ganz erkennen kann, so scheinen seine Augen noch mehr. Augen haben mich schon immer fasziniert, aber so wie eben noch nie.

"Naja lieber bin ich ein ehrlicher Teufel, als ein scheinheiliger Engel.", antworte ich seinem Blick standhaltend. So viele Worte konnte ich mit jemanden den ich nicht kenne, noch nie wechseln.

Prüfend sieht er mich an, so intensiv als würde er direkt in mich hineinblicken. Ich schließe die Augen, Angst davor er könnte mich so lesen, wie ein offenes Buch. So schnell wie dieser absurde Gedanke kommt, verschwindet er auch. Mich wird man nicht so leicht durchschauen können, denn ich bin ein verschlossenes Buch, bei welchem der Schlüssel sehr schwer auffindbar ist. Und Theo Green. Ich denke er ist es auch.

"Weise Worte, dennoch kann ich das niemanden glauben, der früher eine komplett andere Einstellung hatte."

Seine Worte treffen mich. Alica hatte ihn von mir erzählt. Was ich ihr alles angetan habe und wobei ich alles nur zugesehen habe. Ich sehe die jüngere Alica vor mir, weinend an den Spinden gelehnt und die Hände über den Kopf haltend. Lina lässt wieder einmal einen Spruch über ihr abscheuliches Aussehen raus und das sie endlich mal abnehmen sollte, da so ein fettes Schwein, wie sie, sonst nie jemanden bekommen würde. Ich schlucke bei dieser Erinnerung den Kloß hinunter, der sich gebildet hat.

"Ich habe nie gesagt, dass ich keine Fehler gemacht habe. Du kannst nicht über mich urteilen, ohne mich zu kennen und lass dir eins gesagt sein Theo Green, ich habe genügend auch über dich gehört und dabei gab es nicht viel Positives. Weißt du je älter ich geworden bin, desto weniger habe ich darauf geachtet, was Menschen sagen. Ich achte darauf, was sie tun."

Der Playboy, der heiße Badboy, der Herzensbrecher. Das sind nur ein paar von den Begriffen, die ich aufgegriffen habe im Zusammenhang mit dem Namen Theo Green. Naja die Gerüchteküche in der Schule ist auch sehr groß. Vermutlich entspricht nicht alles der Wahrheit aber auch an Gerüchten ist manchmal etwas Wahres dran.

Ich weiß nicht wie sich diese normale Konversation in diese Richtung gelenkt hat. Warum verteidige ich mich vor jemanden, den ich kaum, bis gar nicht, kenne.

"Lass dir auch eines gesagt sein Minou, ich lasse mir von keinem etwas sagen und erst recht nicht von einem Mädchen, welches poetisch sehr vorlaut ist. Außerdem geht es mir am Allerwertesten vorbei, was du alles gehört hast.", meint er und entfernt sich langsam aus meiner Sichtweite.

Ich sehe ihm noch einige Sekunden hinterher, ehe ich mich fasse und realisiere, was er gesagt hat. Meine Französischkenntnisse waren nicht die besten in der Unterstufe und mittlerweile habe ich zwar Spanisch, dennoch reichen sie aus um zu verstehen wie er mich gerade genannt hat.

Obwohl er schon längst weg ist, spüre ich noch seine Aura. Es ist als würde er im Mittelpunkt stehen und alle Augen auf sich ziehen, sobald er einen Raum betritt. Nach wenigen Minuten schaffe ich es auch mich aufzurappeln und gehe die Straße entlang. Ich komme nun doch zu meinem nächtlichen Spaziergang. Es ist eine kühle Herbstnacht und langsam friere ich. Trotzdessen kann es nicht schaden, zu Fuß nach Hause zu gehen, überhaupt nach der Begegnung gerade eben. Sein intensiver Blick, die Aura, die er ausstrahlt und überhaupt das Gesamtpaket zeichnen aus, was für ein gutaussehender Junge Theo Green ist, und es ist nicht allzu übertrieben ihn mit einem Model zu vergleichen. Daran habe ich keine Zweifel. Doch ebenso ist er ein Snob mit einem viel zu großen Ego. Hierbei habe ich auch keine Zweifel.

Aber ich muss auch gestehen, dass er nicht ganz unrecht hat. Früher hatte ich in der Tat eine andere Lebensweise aber dafür hatte ich meine Gründe. Eher gesagt einen Grund. Einen der es nicht erträgt, wenn Menschen nicht ihrer Meinung sind und Leute dazu bringt etwas zu tun was sie nicht wollen. Lina.

Ich überquere noch die letzte Straße und mache große Schritte auf unser Haus zu. Es war anscheinend doch keine gute Idee ein Kleid anzuziehen, da ich mittlerweile meine Beine nicht mehr spüre. Schnell suche ich in meiner Tasche nach dem eckigen Schlüssel und schließe möglichst ohne Geräusche auf, um meine Mum nicht zu wecken.

In meinem Zimmer ziehe ich mich noch mit letzter Kraft um, ehe ich mich in mein Bett fallen lasse und kurz darauf schon in die Traumwelt abdrifte. Meine letzten Gedanken widmen sich ungewollt, heute wieder, blauen Augen. 

Deep thoughtsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt