„Bis später Mum.", ich gebe ihr noch schnell einen Kuss, ehe ich gehe.
Gestern ist nichts Besonderes mehr passiert. Ich habe nur Hausaufgaben gemacht und ein paar Folgen meiner Serie geschaut bis dann meine Mum gekommen ist und etwas zum Essen gemacht hat. Ich kann eigentlich ganz gut selbst kochen, doch gestern hatte ich überhaupt keine Motivation irgendetwas zu machen. Am liebsten wäre ich nur im Bett gelegen, was meiner Mum aber nicht so gefallen hätte.
Ich werfe einen Blick auf mein Handy. Coles Nachricht habe ich nicht geöffnet aber schon gelesen. Wir sind nichteinmal lange in der Schule und schon verschläft er. Ich sende ihm schnell ein Ok und nehme die Autoschlüssel meiner Mum. Zum Glück muss sie heute erst später in die Arbeit. Zu Fuß würde ich wahrscheinlich viel länger brauchen und genauso wie Cole zu spät kommen. Das Glück befindet sich wohl einmal auf meiner Seite. Bis jetzt.
Nach 10 Minuten komme ich auch schon an und ich habe ehrlich gesagt jetzt schon keine Lust mehr. Trotzdem steige ich aus, setze meine Brille auf und versuche die Blicke von den anderen an mir vorbeiziehen zu lassen. Ich sollte mir schleunigst wieder Kontaktlinsen besorgen. Der neuste Tratsch muss ja unglaublich langweilig sind, wenn sie mich so anstarren. Obwohl, ich habe ja vergessen, dass ich der neuste Tratsch bin.
An meinem Spind angekommen suche ich mein Geschichtsbuch heraus und als ich ihn abschließe, stellt sich mir ein Mädchen mit kurzem Rock und einem noch viel kürzeren Top vor mich, gefolgt von zwei Weiteren. Ich meine zum Feiern oder fortgehen ist sowas ja noch ok aber warum in der Schule? Da kommt man nur zum Lernen und nicht um sich zu präsentieren. Aber das verstehen viele wohl immer noch nicht.
Ich verschränke meine Arme und sehe sie fragend an. Natürlich ist mir bewusst, wer das ist, Cole hat schon gesagt, dass ich Nicole erkennen würde, wenn ich sie sehe, denn sie ähnelt Lina. Nur mit dem Unterschied, dass Nicole nicht tattowiert ist und nicht knutschend mit ihrem Freund durch die Schulgänge läuft. Jedenfalls sehe ich keinen Freund.„Ähm Hallo?", sage ich ruhig.
„Hey mein Name ist Nicole und das sind Zoey und Tamm...", will sie sagen, doch ich unterbreche sie.
„Interessant und wie kann ich euch helfen?"
Das aufblitzen in Nicoles Augen erkenne ich sofort, aber ihr lächeln, was erzwungen aussieht, bleibt. Sie soll ruhig wissen, dass ich nicht auf neue Freundschaften aus bin. Dass och eigentlich auf gar keine Fteundschaften aus bin.„Ich bin die Leiterin des Cheerleader-Teams und finde, dass du mal kommen solltest."
„Sehr nett aber keinen Bedarf und wenn ihr mich jetzt entschuldigen würdet, würde ich gerne in den Unterricht gehen, obwohl ich eigentlich keinen Bock darauf habe, aber besser als hier weiter zu stehen.", sage ich nur und gehe ins Klassenzimmer.
Zu meinem Pech kommt genau Nicole auch nach zwei Minuten und dann auch noch Theo.
„Ich habe vorher versucht nett zu sein aber wenn du meinst mich blamieren zu müssen lasse ich das nicht ungestraft davonkommen."
Ich sehe von meinem Handy auf und blicke in das zornige Gesicht von Nicole, was mich lächeln lässt. Ich gehe davon aus, dass sie nicht oft ein Nein zu hören bekommt. Ihre Eltern haben sie vermutlich auch von klein auf verwöhnt. Wieso verstehen manche nicht, dass es nicht immer so abläuft wie sie es sich vorstellen. Vermutlich versteht sie sich mit diesem einen Luke bestens.„Nicole hör mir jetzt mal bitte genau zu. Ich habe normal dein Angebot abgelehnt. Du solltest lieber keine Drohungen aussprechen nur weil jemand dir nicht gleich zu Füßen liegt. Lass mich einfach mein Ding machen und ich dich deines aber du solltest so schnell wie möglich dein Outfit ändern. Zwar ist es jedem frei erlaubt das zu tragen was man will aber es gibt eben auch Grenzen. Und außerdem ist die Schule nicht wirklich der beste Ort freizügig herumzulaufen."
Menschen sind so wie Bücher, einige so leicht zu lesen wie Bilderbücher, andere so schwer wie tausendseitige Romane, doch lesen kann man sie. Man muss sich nur eine Zeit lang genauer mit ihnen beschäftigen. Und die, die verschlossen sind, sind auch leicht zu entschlüsseln. Es muss nur der passende Schlüssel gefunden werden.
Bei der Erinnerung dieser Worte muss ich schlucken und eine Gänsehaut überzieht meinen Körper. Wie sehr ich ihn doch vermisse...
Ich sehe sie von oben bis nach unten an. Sie trägt ein rotes Top und passend dazu einen kurzen Rock mit Schlangenmuster, ihre Haut ist bedeckt mit Make-up, obwohl ich mir sicher bin, dass sie ohne viel schöner ist. Hinter ihrer hassvollen Fassade kann ich erkennen wie sehr sie meine Worte verletzt haben, dennoch ist sie stur und lässt sich nichts anmerken. Trotzdem habe ich es erkannt. Es sind dabei immer kleine Einzelheiten, man muss nur genauer hinsehen. In ihrem Leben muss sie wahrscheinlich sehr viel mitgemacht haben.
Ich möchte nicht so gemein zu ihr sein, im Gegenteil. Jedoch kenne ich Leute wie sie nur zu gut. So einer bin ich schon einmal blind gefolgt und je weiter sie in den Abgrund gefallen ist, desto mehr hat sie mich mitgezogen. Darum versuche ich möglichst Abstand von Nicole zu nehmen, doch wenn sie mir so ankommt, kann ich mich auch nicht zurückhalten. Vielleicht waren meine Worte vorhin nicht sehr gut gewählt. Immerhin ist es jedem frei überlassen, wie er sich kleiden möchte und wie nicht. Aber, wenn man dann so in die Schule kommt und andere jüngere Schülerinnen so etwas sehen, werden sie denken, dass sie sich auch genauso kleiden müssen, um Anerkennung zu bekommen und beliebt zu sein. Das wären auf jeden Fall aber die falschen Werte, die vermittelt werden.
Ich selbst habe mich immer beeinflussen lassen und wollte immer das tragen was die anderen „coolen" auch getragen haben. Das hat mich aber nicht weitergebracht. Wohl eher hat es mich weiter zurückgetrieben.
„Das wirst du bereuen!" ist das einzige was sie dann herausbekommt, ehe sie nach hinten zu ihrem Platz geht.
Mir ist gar nicht aufgefallen, dass die Aufmerksamkeit der Klasse auf mir liegt und ein unwohles Gefühl breitet sich in mir aus, doch leise atme ich aus, als der Lehrer den Raum betritt und mit Geschichte anfängt.
Dafür das ich eigentlich im Hintergrund bleiben wollte und nicht viel Aufmerksamkeit auf mich ziehen wollte, habe ich ganz schön Aufsehen erregt. Aber für gewöhnlich läuft nicht alles nach Plan.
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Deep thoughts
Teen FictionMenschen sind so wie Bücher, einige so leicht zu lesen wie Bilderbücher, andere so schwer wie tausendseitige Romane, doch lesen kann man sie. Man muss sich nur eine Zeit genauer mit ihnen beschäftigen. Und die, die verschlossen sind, sind auch leich...