Grace
Green.
Schon zum dritten Mal lese ich diesen Namen an der Haustür.
Nachdem Loren mich panisch angerufen hat und erklärt hat, dass sie als Aufpasserin beim Geburtstag bleiben muss und deshalb nicht mitkommen kann, wäre ich am liebsten im Erdboden versunken. Hätte ich das früher gewusst, wäre ich gar nicht gekommen, doch zu meinem Pech war ich schon in der Einfahrt der Familie Green, als ich ihren Anruf entgegengenommen habe.
So schlimm kann es ja nicht werden und außerdem ist Bill ja auch da. Ich lasse mich einfach nicht von ihm provozieren. Erneut blicke ich auf das kleine Schild, atme ein paarmal ein und aus und läute endlich. Ich warte eine Minute und da sich immer noch nichts tut läute ich ein zweites Mal. Ich werde langsam ungeduldig und fange an mit dem Fuß zu wippen, gleichzeitig betrachte ich nun das Haus. Lola hat mir schon erzählt, dass seine Familie sehr wohlhabend ist, doch dieses Haus übertrifft alles. Zwar ist unser Haus auch nicht sehr winzig, doch im Vergleich zu diesem ein Witz. Als ich erneut auf die Klingel drücken will, wird die Tür mit voller Wucht geöffnet.
„Kannst du nicht mal zwei Minuten warten oder macht es dir etwa Spaß auf das nervige Ding zu drücken." Theo lehnt an der Tür bekleidet mit einer grauen Jogginghose und einem einfachen weißen T-Shirt. Seine nassen Haare, von denen einige Strähnen in sein Gesicht fallen, lassen drauf hindeuten, dass er noch vor wenigen Minuten unter der Dusche gestanden ist und deshalb so lang gebraucht hat, um die Tür zu öffnen. Mein Blick bleibt wiedermal an seinen Augen hängen. So trostlos und dann doch wieder so ausdrucksstark, dass sie einem den Atem rauben.
„Mach doch ein Bild Minou, hält bestimmt länger.", sagt er und grinst leicht. Ich habe nicht gemerkt, dass ich meinen Atem angehalten habe und als ich realisiere was er gerade gesagt hat, sehe ich ihn belustigt an.
„Der war flach Theo und außerdem verschwende ich für sowas keinen Speicherplatz."
Ich bilde mir ein für einen Moment ein kleines Lächeln zu sehen, aber dann sieht er mich wieder genervt an und tretet zur Seite.
Schnell husche ich an ihm vorbei und stehe daraufhin in einem großen Flur. Die Wände haben einen schönen Grauton und sind bedeckt mit lauter Gemälden.
„Die Schuhe ausziehen?", sehe ich ihn fragend an und er erwidert mit einem knappen nicken und schlendert an mir vorbei in den Raum etwas weiter links von uns. Ich streife mir schnell die Schuhe ab, hänge meinen braunen Mantel auf und gehe ihm nach. Kurz danach stehe ich in einem sehr großen Wohnzimmer mit einem edlen weißen Sofa, einem riesen Fernseher und mehreren Glastischen. Der Stil ist echt modern und nicht alt und antik wie ich erwartet hätte. Theo befindet sich in der Mitte und greift nach seinem Handy, ehe er sich zu mir dreht.
„Ich muss noch kurz etwas klären, du kannst schon hinauf gehen. Mein Zimmer ist das zweite links.", sagt er kurz und hält sich daraufhin das Handy ans Ohr. Ich sehe ihn kritisch an, doch da hat er mir auch schon wieder den Rücken zugekehrt. Sehr gastfreundlich. Aber ganz ehrlich was habe ich erwartet. Dass er mir Tee und Kekse serviert? Er ist genauso ein arroganter Trottel wie in der Schule.
Trotzdessen lasse ich mich nicht verunsichern und befolge seine Wegbeschreibung. Wie ich feststelle ist diese Etage noch größer als das Erdgeschoss. Gleich neben der Treppe befindet sich ein Zimmer, bei dem die Tür offen ist und der Rosa Ton, der die Wände und die restlichen Möbel beschmückt, sticht heraus. An den Wänden sind Poster von Einhörnern, Feen und Prinzessinnen und die ganzen Puppen lassen daraus schließen, dass es sich um das Zimmer von einem kleinen Mädchen handelt. Ich möchte gerade weiter zu den anderen Zimmern gehen als ich aus einem ein leises wimmern und schluchzen wahrnehme. Ich blicke nach hinten und sehe, dass die Tür einen Spalt offensteht, was mich umso neugieriger macht. Mach es nicht Grace. Mach es nicht. Du befindest dich im feindlichen Revier.
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Deep thoughts
Teen FictionMenschen sind so wie Bücher, einige so leicht zu lesen wie Bilderbücher, andere so schwer wie tausendseitige Romane, doch lesen kann man sie. Man muss sich nur eine Zeit genauer mit ihnen beschäftigen. Und die, die verschlossen sind, sind auch leich...