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Ich hatte nicht erwartet, dass heute so viele hier sein würden. Der Wettbewerb findet im Festsaal der Schule statt. Man kann sich ihn eigentlich ganz gut als Fußballfeld vorstellen, nur muss man sich statt dem Tor eine Bühne herdenken. Darunter mehrere kleine Stände von den Schülern und ihren neusten Projekten. Die Schule dachte sich es wäre eine nette Idee, wenn die Eltern auch von anderen Projekten, welche die Schule momentan veranstaltet etwas mitbekommen. Was ich mir dabei aber denke ist, dass das Ganze eher als Publicity gedacht ist. Als der Leiter des Wettbewerbs die Teilnehmer, darunter natürlich auch meinen Cousin, zu sich auf die Bühne gerufen hat und jeden auf einen Platz verwiesen hat um loszulegen, dachte ich mir erstmals nichts. Ich habe mit IT nicht viel am Hut aber da wir Live mitverfolgen durften was die Kandidaten da wild herumtippten, muss ich mir eingestehen, dass es wirklich beeindruckend ausgesehen hat. Ich habe zwar keinen Plan was sie eigentlich gemacht haben aber es sah einfach cool aus. Sally war natürlich mal wieder ganz aus dem Häuschen. Brandon hat mich schon gebeten sie etwas zurückzuhalten, da sie ihn schon oft blamiert hat aber ich finde es süß, dass sie sich so für ihren Sohn freut. Nichtsdestotrotz habe ich mein Wort gehalten und sie etwas zurückgehalten als sie mal etwas lauter geworden ist.

„Ich freue mich, dass so viele von Ihnen uns heute durch den Wettbewerb begleitet haben. Die Jury wird sich jetzt etwas zurückziehen und in einer Stunde den Gewinner bekanntgeben. Wir würden Sie bitten sich in der Zwischenzeit ein Auge auf die anderen tollen Projekte zu werfen.", der etwas ältere Herr setzt das Mikrofon zurück an seinem Platz und geht mit einem Lächeln nach hinten.

Ich werfe einen Blick auf die klatschende Menge. Lola und die anderen habe ich nur beim Reinkommen gesehen und ihnen nur zugewinkt, da ich mit Sally bleiben wollte. Mittlerweile sehe ich keinen mehr von ihnen hier. Sie sind vermutlich nach draußen verschwunden als die Kandidaten fertig waren und im Anschluss noch eine Rede gehalten worden ist.

Mich hat die Rede von der Fakultät Angestellten über mögliche Stipendien nicht interessiert, aber Sally wollte noch bis zum Schluss bleiben.

„Ich werde mich etwas bei den Ständen umsehen bis die Gewinner bekannt gegeben werden. Du kannst derweil zu deinen Freunden gehen und wir sehen uns dann einfach in einer Stunde."

Ich blicke zu Sally. „Ich kann auch mit dir die Stände durchgehen. Für mich ist das wirklich kein Problem."

„Ich komme schon klar. Diesmal gehe ich nicht verloren.", sie lächelt und deutet mir zu gehen.

Bei dem Gedanken an unseren letzten Italienurlaub muss ich grinsen. Sally und ich sind immer gerne zu zweit spazieren gegangen und als ich dann aber nicht mehr konnte, da mir die Beine so wehgetan haben von der Stadttour hat Sally gemeint treffen wir uns einfach wieder an demselben Platz in einer Stunde. Aus der einen Stunde wurde dann eine weitere und ich hatte schon vor meine Mutter und die Polizei zu rufen als Sally dann doch angehinkt kam und meinte sie habe sich den Weg nicht gemerkt und sei dann auch noch gestürzt. Dieser Tag war auch ausschlaggebend für sie sich ein neues Handy zu kaufen und es wirklich immer bei sich zu haben.

„Na gut, dann bis später", ich umarme sie schnell noch und überlege mir bevor ich die anderen draußen suchen gehe mir ein Wasser aus der Kantine zu holen. Zwar ist es schon 16 Uhr und es wird da keiner mehr arbeiten aber dann muss eben der Automat her.

Die Flure sind wie leergefegt. Die meisten sind vermutlich schon zuhause oder im Festsaal. Meine Schritte werden schneller und ich atme aus als ich in die Kantine trete. Öffentliche Orte, an denen fast kein Mensch ist, sind die an denen in Büchern die meisten Verbrechen vergehen. Vielleicht ist das in der Realität auch so, aber vielleicht habe ich auch einfach zu viele Thriller und Krimis in letzter Zeit gelesen.

Nachdem ich mir mein Automatenwasser hole, möchte ich schleunigst nach draußen ehe mir um die Ecke ein Junge entgegenkommt und mich fast umwirft. Erschrocken lasse ich die Flasche fallen und blicke nach hinten.

„Ey spinnst du."

Der Junge bleibt stehen und sieht zu mir. In seinem Gesichtsausdruck spiegelt sich Panik und er sieht rechts neben mir nach hinten.

Verwirrt folge ich seinem Blick und treffe auf Theos Augen welcher gefolgt von Luke in unsere Richtung spaziert. Aus seinem Blick kann ich nichts lesen, jedoch wirkt seine Haltung angespannt.

Ich blicke zurück zu dem Jungen nur um auf den leeren Platz vor den Spinden zu sehen, wo er vorhin noch gestanden ist.

„Dir ist doch bewusst, dass wir im zweiten Stock Wasserspender haben."

Theo. Bei seiner Stimme schnürt sich mir den Atem für eine Sekunde zu ehe ich mich umdrehe. Mein Blick richtet sich auf sein Gesicht, welches wieder etwas kühl wirkt und wandert nach unten zu seiner Hand, die er mir mit meiner Flasche entgegenstreckt. Seine Haare liegen heute verstreut auf seinem Kopf und sind nicht verdeckt von eine seiner Kappen. Er sollte sie öfters so tragen.

Mein Blick wandert weiter zu Luke neben ihm, welcher mich nur mit dem Blick ansieht der klar aussagt „Ich bin etwas Besseres als du."

Augenverdrehend greife ich nach meiner Flasche. Tatsächlich habe ich vergessen, dass im zweiten Stock zwei Wasserspender angebaut sind. Die hat mir Lola sogar stolz gezeigt bei ihrer Schultour.

„Und euch ist doch sicher bewusst, dass es Feige ist zu zweit einen einzelnen zu jagen." Ich denke nicht, dass sie mit dem Jungen fangen gespielt haben, so wie der geschaut hat. Sie müssen ihn eingeschüchtert haben.

„Halt deine vorlaute Fresse du Mists...", Luke mustert mich genervt und möchte fortfahren ehe Theo ihm einen Blick zuwirft welcher klar ausdrückt er solle den Mund halten.

Ich hätte zu gern gehört wie er mich nennen wollte.

Ehe ich Luke den Todesblick zuwerfen kann fangen mich Theos Augen auf.

„Du hast keine Ahnung also probiere nicht die schlaue zu spielen und dir was hineinzuinterpretieren."

Sein Ton ist hart. Etwas zu hart. Es ist nichts mehr von der Wärme in seiner Stimme zu hören mit der er gestern mit mir gesprochen hat. Mit der er mit seiner kleinen Schwester gesprochen hat.

Tatsächlich habe ich keine Ahnung was da jetzt wirklich abgegangen ist aber ich habe den panischen Gesichtsausdruck vom Jungen gesehen und 1 und 1 zusammengezählt. Die Situation war doch offensichtlich oder nicht? Auch wenn es vielleicht nicht ganz so gewesen war hätte er mir normal sagen können, dass sie den Jungen nicht gejagt haben um wer weiß was mit ihm anstellen wollten. Aber was mache ich mir da vor. Er ist mir keine Rechenschaft schuldig. Wir sind keine Freunde. Wir sind Garnichts. Zwei Fremde.

Ich atme tief ein, blicke in seine Augen und gehe ohne ein Wort zu sagen.  

Deep thoughtsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt