15. Kapitel

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Wir aßen im Schweigen und ich versuchte ihn keines weiteren Blickes zu würdigen, was mir jedoch nicht ganz gelang. Er trug einen Schwarzen Hoodie, hatte sich jedoch die Ärmel bis knapp unter die Ellenbogen hochgekrempelt, so, dass ein Teil seiner Tattoos zum Vorscheinen kamen. Dieses Mal sah ich genauer hin, da ich nun die Bedeutung etwas genauer wusste und entdeckte zwischen den Wirren Mustern auf einmal Wellen und Felsen, die aus ihnen hervortraten. Die Wellen schienen um sie herum zu prosen und ich fragte mich, wo dieser Ort wohl war.

„Interessant?" Ich schrag hoch und fühlte mich wie in jener Nacht, als ich schon mal seine Tattoos etwas zu großzügig unter Augenschein genommen hatte. „Wo ist das?" Ich zeigte auf seinen Unterarm, wo die Felsen hervorstachen. „So läuft das hier nicht", er blickte mich aus seinen tiefen Augen an und ich bekam das Gefühl ich würde gleich in sie eintauchen und darin verschwinden. „Wenn ich es dir Verrate, erzählst du mir dann von deinem Traum von letzter Nacht?" Er sah mich mit ernster Miene an und mein Puls erhörte sich wieder und bevor ich rot werden konnte blickte ich zur Seite. Mein Interesse war groß, aber ich wollte ihn nicht mit meinen monströsen Träumen belasten. Ich wollte gar nicht wissen, was er wohl schon so von mir dachte und die Bilder von letzter Nacht schlichen sich wieder vor meine Augen.

„Ich bin satt", ich nahm resigniert meinen Teller, der so gut wie leer war und ging Richtung Küche, in der Hoffnung er würde mir nicht folgen. Warum konnte er mir nicht mal etwas von ihm verraten, ohne eine Gegenleistung zu erwarten? War es denn so schlimm, wenn ich mal etwas über ihn wusste?

In der Küche räumte ich meinen Teller in die Spülmaschine und schenkte mir ein Glas Wasser ein, welches ich in wenigen Zügen leer trank, als die Küchentür aufging und Alec mit ernstem Blick hineintrat. Ich drehte mich von ihm weg und beschäftigte mich mein Glas in der Spüle zu säubern, obwohl ich es einfach zu dem Teller in die Spülmaschine stellen könnte. Ich hörte leise Schritte, die mir langsam näherkamen und dann hallt machten. „Endschuldige mich, bei diesem Thema scheinst du wohl etwas empfindlich zu sein", ich wusch immer noch mein Glas und versuchte mich nicht zu ihm umzudrehen. Ich wusste, dass wenn ich in seine Augen blicken würde, die Wahrheit nur so aus mir heraussprudeln würde. Ich musste lernen mich mehr unter Kontrolle zu haben, wenn er in der Nähe war. „Ist doch nicht schlimm, ich frag dich doch auch ununterbrochen irgendetwas", sagte ich und hoffte, es klang halbwegs resigniert.

„Und wo ist dann dein Problem?" Fragte er mit etwas härtere Stimme und mich durchzog ein innerliches Zucken. Wie konnte seine Stimme von so sanft und lieb, zu so einer Kalten wechseln. Ich stoppte nun den Wasserhahn und stellte das Glas etwas zu fest ab und drehte mich zu ihm herum. „Weil ich es einfach nicht verstehe. Ich verlange nicht viel von dir, meine Fragen belasten in keiner Weise deine Privatsphäre, warum stören sie dich also so sehr?" Ich wusste das ich etwas übertrieb, aber wenn er mir gegenüber eine so Distanzierte Stimme anschlug, wollte ich mich nicht verletzt zeigen. Er runzelte die Stirn. „Hast du vergessen, ich bin nicht hier um mit dir zu plaudern, sondern dich zu beschützen", ein weiterer Stich durchfuhr mich und ich zog leicht die Schultern ein. Warum war er auf einmal so? Wir hatten uns heute so gut verstanden und jetzt blickte er mich wieder aus seinen eiskalten Augen an, die mich fast gefrieren ließen. Er stand nur wenige Meter von mir entfernt, aber es kam mir auf einmal viel zu nah vor. Ich ging einige Schritte zurück, um mehr Platz zwischen uns zu schaffen. „Naja, ich dachte...", begann ich, aber brach ab, da ich mir auf einmal lächerlich vorkam und senkte den Blick auf den Fußboden. „Du dachtest was?" Fragte er immer noch mit ernster Stimme, aber ich erkannte etwas Neugier in seinem Unterton. Ich schwieg wiederrum weiter und wollte mich schlagen, dafür das ich den Satz überhaupt begonnen hatte. „Evelyn, was dachtest du?" Hakte er ein weiteres Mal nach und erneut überwog die Neugier seine Stimme und ich blickte auf. Sein Gesichtsausdruck versetzte mir wiederum einen Schlag und ich wich zurück, als ich plötzlich mit dem Rücken gegen die Spüle stieß. Ich legte in meinem Kopf mehrere Sätze zurecht, aber jeder einzelne von ihnen klang lachhaft. Er kam ein paar Schritte auf mich zu, bis uns nur noch ein halber Meter trennte. „Nun ja...", stammelte ich. Ich wagte mir einen weiteren Blick in sein Gesicht und wie ich befürchtete, gaben mir seine Augen den Rest. „Ich dachte, wir könnten vielleicht so etwas wie Freunde werden", ich senkte sofort den Blick und röte schoss mir augenblicklich ins Gesicht. „Freunde?" Wiederholte Alec, jedoch nicht belustigt, sondern vielmehr etwas verwundert. „Evelyn, ich glaube nicht das ich der Ideale Freund für dich wäre, geschweige denn, dass dein Vater mich nicht umbringen würde wenn er das erfährt", seine Stimme hatte sich etwas gelegt und auch sein Gesichtsausdruck wurde wieder etwas weicher, jedoch wich keinerlei Kälte aus seinen dunklen Augen. „Apropo", fing er an und ich blickte zu ihm auf. „Es wäre echt nett, wenn du deinem Vater von den Abstecher nach Smithfield lieber nichts erzählst", ich nickte verständnisvoll, wiederrum hatte sich ein Klos in meinem Hals gebildet und hinderte mich am Sprechen.

Er hob eine Hand und umfasste eine Haarsträhne, die sich widerspenstig aus meinem Dutt gelöst hatte. Mein Herz fing an zu rasen und ich vergas ganz, dass ich eigentlich wütend auf ihn sein sollte. Er steckte sie zurück zu den anderen und räusperte sich leise. „Evelyn", begann er und ich genoss es, wie er meinen Namen aussprach. So sanft und leicht das sich mein Herz erwärmte. „Es fällt mir schwer mich in deiner Gegenwart zusammen zu reißen, aber glaub mir, es wäre sehr unverantwortlich von mir eine engere Bindung zu dir aufzubauen, oder gar eine Freundschaft", sagte er leise. Ich konnte ihn einerseits verstehen, aber mein Herz schmerzte jetzt schon an den Gedanken, ihn bald gehen lassen zu müssen. Durch ihn ist mein Leben erblüht und gleichzeitig hat es sich verdunkelt, aber auf eine merkwürdige, schöne Weise. Ihn durch meine Haustür gehen sehen zu müssen, mit dem Gewissen ihn nie wieder zu sehen, versetzte mir einen weiteren Schlag, der dieses Mal jedoch direkt ins Herzen traf. In meinen Augen stand nichts als Trauer und ich blickt ihn vorsichtig an. Wie ein Vorhang der hinunter viel, verschwand all das Eis aus seinem Gesicht, als er in meine Augen blickte und Kummer und Verzweiflung schlichen sich in seine eigenen. Er kam noch ein wenig näher, bis sich schließlich unsere Körper fast berührten. Mein Herz überschlug sich und mein Atem ging schneller. Sein Blick lag immer noch auf meinem Gesicht und es sah aus, als würde er mit sich selber ringen, was falsch und was richtig war. Er stütze seine Hände links und rechts neben meinen Körper ab und seufzte verzweifelnd aus. „Was soll ich nur mit dir machen", überlegte er laut und schien komplett verzweifelt zu sein. Fühlte er das gleiche wie ich? Wollte er das gleiche wie ich, am liebsten seine Lippen auf die des anderen zu legen. Ich blickte weg, bevor ich in falsche Versuchungen kam.

Ich konnte verstehen das er Angst davor hatte mein Vater könnte herausbekommen das zwischen uns etwas ist, schließlich würde er somit seien Job verlieren, dafür würde mein Vater sorgen.

„Aber du weißt, ich würde es niemanden erzählen", sagte ich kleinlaut und hoffte das es ihn ebenfalls beruhigen würde. Er strich zart über meine Wange und sah mich zärtlich an. „Und das glaube ich dir auch, aber nichtsdestotrotz ist das Risiko zu hoch", wir waren uns nun ganz nah, nur wenige Zentimeter würden fehlen und meine Lippen würden seine berühren. Wie konnte er mich nur auf so eine Folter spannen. Alec schien es ebenfalls nicht leicht zu fallen, denn sein Atem ging schnell und sein Blick lag auf meinen Lippen. Er ließ von mir ab und stellte sich ein paar Meter nach hinten, um ebenfalls nicht in Versuchung zu kommen. Er versuchte sich zu sammeln, schaute aber immer noch mit leichter Begierde auf mein Gesicht. Ich wollte ihn nicht länger unter Drucksetzten und auch für mich war dieser Tag voller verschiedener Emotionen gewesen und ich brauchte dringend eine Auszeit von alldem. „Es ist spät, ich sollte wohl mal besser ins Bett gehen", Alec verstand und nickte dankbar, worauf ich an ihm vorbei ging Richtung Treppen. Ich war fast angekommen, da hörte ich wieder Schritte hinter mir. „Gute Nacht", ertönte es noch hinter meinem Rücken und ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Ich drehte mich noch einmal um und erwiderte es mit einem „Dir auch", und ging die Treppenstufen nach oben in mein Zimmer.


Big Darkness and Little SunshineWo Geschichten leben. Entdecke jetzt