6. Kapitel

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Es war kalt und dunkel, aber ich wusste das ich in meinem Haus war. 

Ohne zu wissen das ich träumte, ging ich durch den oberen Flur entlang. Es war stockdunkel, so, dass ich kaum meine eigene Hand vorm Gesicht sehen konnte, nur ein leichter Lichtspalt, bohrte sich durch die Schlafzimmertür meiner Eltern. Barfuß tappte ich über den Holzboden, der lauter knirschte, als eigentlich der Fall sein dürfte, aber es viel mir nicht auf. Meine Hand schliff die Tapete und ich hielt die andere ausgestreckt, um nicht gegen irgendetwas zu stoßen. Ich kam den Lichtstreifen, der durch den Spalt der Tür fiel, immer näher und ich fragte mich wieso meine Eltern noch auf waren. Um diese Uhrzeit schliefen sie sonst immer, nur ich blieb meist noch wach, um mit Cally zu telefonieren oder eine Serie zu gucken. 

Ich blickte mich um, erkannte aber rein garnichts aus meinem Haus wieder und wunderte mich, warum ich mir trotzdem so sicher war, dass ich mich vor dem Schlafzimmer meiner Eltern befand. Ich ergriff die Türklinkte und zog die Tür in meine Richtung. Vorerst blendete mich das grelle Licht und ich hielt mir eine Hand vor die Augen. Meine Augen hatten sich noch nicht an die Helligkeit gewöhnt und ich sah nur den Umriss vom Bett und das dort jemand ausgestreckt drauf lag. Ich trat ein Schritt näher. „Mum, bist du das?" Fragte ich mit leiser Stimme, aber sie antwortete mir nicht. Vielleicht schläft sie, dachte ich und ging näher ans Bett ran. 

Mitlehrweile gewöhnten sich meine Augen an das Licht und ich konnte endlich sehen wer auf dem Bett lag. Ich ließ meine Hand vor meinen Augen fallen und erschrak beim Anblick meiner Mutter zurück. Mit weit geöffneten Augen lag sie auf dem Bett, ihre Arme fehlten und auch der Rest war verstümmelt und voller Blut. Galle kam mir hoch und ein Loch bildete sich in meinem Herzen. Der Boden wurde unter meinen Füßen weggerissen, so, dass ich auf die Knie viel. „Mum!" Schrie ich und meine Schreie ging zum Weinen über. Ich schrie immer noch, selbst als sich das Bild löste und ich in die Wirklichkeit zurückgeworfen wurde. 

Es war dunkel um ich herum und als mich jemand an den Schultern packte und leicht rüttelte, schlug ich mit meinen Armen um mich.

„Evelyn, ich bin es, Alexander. Beruhige dich", mit sanfter Stimme redete er auf mich ein aber mein Herz bebte von den Bildern, die in meinem Kopf herum kursierten und mein Atem ging stockend. Ich sah nur die Dunkelheit um mich herum und schlug weiter um mich herum, bis er meine Handgelenke nahm und nach unten drückte. Ich versuchte mich zu wehren aber seine Hände waren zu stark, dass meine Kraft nachließ und ich langsam zur ruhe kam.

Meine Augen erkannten langsam die Umrisse meines Zimmers und die Möbel kamen mir Sekunde zu Sekunde immer vertrauter vor. Alec saß halb auf meinem Bett und umfasste mit seinen Händen immer noch meine. 

„Hast du dich beruhigt?" fragte er. Es lag keinerlei Spott oder gar Ärger in seinem Ton, sondern ernsthafte Sorge. Ich nickte, war mir aber nicht sicher ober er es sehen konnte. Ich räusperte mich, um meine Stimme wieder zu finden. „Ja hab ich, tut mir leid das ich dich geschlagen habe", Röte schoss in mein Gesicht und ich versuchte von ihm abzurücken, aber sein Geruch hielt mich im Bann. Noch nie war er mir so nahe gewesen und sein angenehmer Duft zog sich durch meinen ganzen Körper. Ich zitterte immer noch leicht und er beugte sich in meine Richtung und streckte den Arm aus, um meine Nachttischlampe anzuknipsen. Ein leichter Lichtschein erhellte mein Zimmer und verschlang die Dunkelheit.

Ich schloss leicht die Augen und atmete ein paarmal tief ein und aus. Ich verharrte kurz in dieser Position, bis ich mich ein wenig beruhigt habe und machte die Augen wieder auf. Ich erschrak ein wenig. Nur Knapp ein halber Meter trennte mich von Alec, der mich immer noch leicht besorgt anblickte. Er hatte sich mit einer Hand auf mein Bett abgestützte und zum ersten Mal sah ich ihn ohne Jacke. Ein enganliegendes, schwarzes T-Shirt verdeckte seinen Oberkörper, ließ jedoch seine muskulösen Arme zum Vorschein treten, die bedeckt von Tattoos waren. Ich legte den Kopf schief, um sie besser in Augenschein zu nehmen. Schwarze Tinte zierte wirre Muster auf seinen Arm, die ich jedoch durchs schwache Licht nicht klar erkennen konnte. „Na, interessant?", Erschrocken fuhr ich hoch und legte eine Hand ans Herz. „Du bist aber schreckhaft", witzelte Alec und eine wärme breitete sich in mir aus, als sich seine hübschen Lippen zu einem kleinen Lächeln zogen.

„Sagt der, der sich beim Klingeln meiner Küchenuhr fast in die Hosen gemacht hätte", konterte ich und seine Miene wurde ernst, erhellte sich aber gleich wieder darauf. „Nicht frech werden Junge Dame", warnte er und erneut wurde ich rot und war froh, dass mein Zimmer nur so schwach erleuchtet ist. „Ach komm, als wenn du der höflichste Mensch auf Erden wärst", ich verdrehte die Augen, war mir jedoch nicht sicher, ob er sehen konnte. Die Nähe zwischen uns machte mich immer nervöser und die Wärme, die von ihm ausging, war so angenehm, dass ich mich am liebsten in seine Arme gelegt hätte. Ich kniff mich unauffällig in den Arm, als Strafe für diesen Gedanken. Er war unhöflich und mochte mich höchst wahrscheinlich nicht mal, also durfte ich solche Gedanken auf keinen Fall zulassen. 

Ich gähnte in meine Hand hinein und bereute es sofort. Alec löste sich aus seiner Position und stand von meinem Bett auf. „Meinst du, du kannst wieder einschlafen?" Fragte er immer noch mit Sanfter Stimme und ich fragte mich, woran es lag das er so freundlich zu mir war. Ich wollte nicht das er geht, einerseits weil ich durch meinen Albtraum Angst vor der Dunkelheit hatte und anderseits, weil ich ihn in meiner Nähe haben wollte. Für den zweiten Gedanken kniff ich mir wieder in den Unterarm.

„Ja, ich denke schon, lass aber bitte das Licht an", er nickte und sah auf mich hinunter. Mein Körper zitterte immer noch leicht, was jedoch nicht nur am Albtraum lag. „Willst du drüber reden?" Fragte er leise, als wäre er nicht ganz sicher ob er das hätte sagen sollen. 

Am liebsten würde ich mit jemanden über meine Träume reden, weil ich oft so schreckliche Dinge träumte, aber lag es tatsächlich in jemand Interesse davon zu hören? Alec hatte mich sicherlich nur aus Höflichkeit gefragt, aber ich bezweifelte das er sich tatsächlich dafür interessierte, also schüttelte ich den Kopf. „Nein, schon gut, so schlimm war es nicht. Vielleicht bin ich wirklich nur etwas schreckhaft", sagte ich, aber Alec schien mir nicht ganz zu glauben. Mit gerunzelter Stirn guckte er mich an und ich sah eine leichte Enttäuschung in seinem Gesicht. Interessierte er sich vielleicht doch für meinen Traum?

„Wie du meinst. Wenn was ist, sag Bescheid", er schien kurz zu überlegen. „Oder Schrei einfach, dann komme ich ja auch, wie man sieht", er sagte es mit einem spaßigen Unterton und ich musste kurz Lachen, ehe ich wieder ernster wurde. Ich war mir sicher, dass morgenfrüh nichts mehr von seiner guten Laune übrig geblieben sein wird und ich sollte es nicht zu sehr genießen.

„Wenn ich dir jetzt gute Nacht sage, ignorierst du es dann wieder?" Fragte ich und musste an den gestrigen Abend denken, als er einfach gegangen war, ohne es zu erwidern. 

Er zuckte mit den Schultern. „Vielleicht. Ein versuch ist es jedoch Wert", er verschränkte die Arme vor der Brust und lächelte schief. Vielleicht hatte mein Vater ihm ja eine Gehaltserhöhung versprochen und er war deswegen so gut gelaunt, dachte ich. Sein lächeln war ansteckend und ich musste ebenfalls grinsen. „Na dann, gute Nacht Alec", ich erwartete nicht, dass er mir ebenfalls eine Wünschte, aber völlig ungehemmt beugte er sich leicht zu mir herunter, so, dass unsere Gesichter fast auf derselben Höhe waren und hauchte ein „Gute Nacht Evelyn", und ließ mich verdattert auf dem Bett sitzen, ehe er durch meinen Türrahmen verschwand und die Tür hinter sich zuzog. Völlig berauscht, von dem was gerade passiert war, saß ich Kerzengerade in meinem Bett. Dieser Stimmungsumschwung in dieser Nacht, war echt zu viel für mich dachte ich und legte mich hin. Ob ich jetzt noch einschlafen könnte?

Big Darkness and Little SunshineWo Geschichten leben. Entdecke jetzt