Ich war erst ziemlich verwirrt, weil keiner anfing mit essen, doch dann begriff ich es. Aarón betete. Das war sowohl mir als auch Cosmo fremd. Und auf eine Art und Weise war es doch auch etwas lächerlich, oder? Immerhin wurde das Essen dadurch nicht leckerer.
Nachdem er fertig war, fingen die anderen mit essen an und auch ich griff zögerlich nach einem Brötchen. Trotzdem, die Stimmung am Esstisch war irgendwie seltsam. Nicht schlecht, sondern einfach nur ungewohnt. Keine Ahnung, wie ich das beschreiben sollte. Jedenfalls sprachen alle miteinander und planten zusammen den Tag, verteilten Aufgaben. Nur mit uns sprach irgendwie niemand, da sie nicht wussten was sie sagen sollten. Immerhin waren wir Fremde.
Vor allem die Kinder sahen uns unsicher an. Aaróns Tochter Helena hingegen schien Gefallen an uns gefunden zu haben, doch traute sich nicht Kontakt mit uns aufzubauen.
„Und woher kommt ihr?", fragte uns Julia, die uns integrieren und besser kennenlernen wollte, denn ich konnte an ihrem Gesicht vorhin sehen, dass sie nicht ganz einer Meinung war mit ihrem Mann.
Cosmo und ich hatten uns vorher nicht absprechen können, wie viel wir von uns preisgeben wollten. Dementsprechend war er etwas überfordert mit der Frage, weswegen ich das Antworten übernahm.
„Aus Mexiko", gab ich knapp von mir, in dem Wissen, dass ich dadurch nicht unbedingt sympathisch wirkte.
Julia schien überrascht. „Von so weit? Was verschlägt euch denn hierher?"
„Ähm..." Unsicher wich ich Julias Blick aus. Meiner Meinung nach hatte ich schon alles Wichtige vorgetragen und wollte auch nicht alles wiederholen. Zudem waren alle weiteren Infos hier nicht wirklich für uns förderlich.
Hilflos ging mein Blick zum Oberhaupt der Familie. Er gab mir ein Gefühl, was ich nicht kannte. War es Sicherheit? Akzeptanz? Jedenfalls ging er normal mit mir um, ohne mich auszufragen und wenn, dann hatte ich nicht das Gefühl ihm zu irgendetwas verpflichtet zu sein. Er ließ mich in meiner Freiheit und das war auch gut so.
„Jetzt lass dem Junge doch mal Luft zum Atmen", besänftigte Aarón seine Frau und ich war mir sehr sicher, dass er noch ein hartes Gespräch mit ihr vor sich hatte wegen uns.
„Es gab in unserer Heimat ein paar familiäre Probleme und deswegen sind wir nun hier. Aarón hat uns mitgenommen und dafür sind wir ihm auch sehr dankbar. Ich hoffe es ist kein Problem, dass wir für kurze Zeit bleiben?", fragte Cosmo und sah Julia mit Welpenblick an. Ob er sich bewusst einschleimte und das arme Kind spielte?
Und tatsächlich, sie gab sich geschlagen. „Nein, das ist natürlich kein Problem. Ein paar Tage könnt ihr bleiben, immerhin haben wir genug Platz."
Allerdings warf sie ihrem Mann einen bestimmten Blick zu und dieser schien mit ihr darüber still zu kommunizieren. Na, dann viel Spaß beim Erklären, Aarón, dachte ich mir und grinste leicht.
Schweigend aßen wir weiter, nur die Zwillinge brabbelten hin und wieder etwas. Dann plötzlich setzte Aarón seine Tasse ab und faltete die Hände zusammen.
„Es gibt aber ein paar Regeln in diesem Haushalt, die ihr einhalten müsst, wenn ihr hierbleiben wollt", meinte er mit ernster Stimmt und wir nickten. „Erstens, ihr müsst euch mit einbringen. Wie ist mir egal, sucht euch etwas aus oder ich schlage euch etwas vor, aber wir können keine Faulenzer gebrauchen." Wieder nickten wir. „Zweitens, ihr verlasst nachts nicht das Grundstück und gebt Bescheid, wenn ihr wegmüsst oder andere, nicht regulären Sachen vorhabt. Zudem ist im Stall und im Haus Rauchverbot", erklärte er weiter.
Kein Problem, keiner von uns beiden rauchte und wir hatten, bis auf uns zu verstecken eh nichts vor. Die Nachtsperre war zwar sinnlos, aber okay.
„Und Drittens, ihr geht sonntags mit uns in unsere Gemeinde", fuhr er fort.
Irritiert verzog ich das Gesicht. Damit waren wir nicht unbedingt einverstanden. Sahen wir aus wie Gläubige? So etwas konnte er uns doch nicht vorschreiben!
„Wieso?", stieß ich fragend aus. Ich hatte keine Lust darauf und wollte auch so wenig wie möglich Leute sehen. Und mal ehrlich, wer steht schon Sonntagvormittag so früh auf? „Cosmo und ich gehen nicht in die Kirche."
Doch der Mann ließ nicht mit sich reden. „Das ist in unserer Familie eben so und da gibt es keinen Kompromiss. Wenn ihr bei uns leben wollt, dann müsst ihr euch eben anpassen und drei Stunden an einem Tag der Woche sind nun wirklich nicht viel." Da wir keine Wahl hatten, stimmten wir eben widerwillig zu. „Gut, heute habt ihr noch frei. Erholt euch erstmal von der Reise und schaut, wie es hier so läuft und morgen Vormittag geht es dann los. Frühstück gibt es immer zwischen sieben und acht Uhr." Wieder ein Nicken von uns. „Helena, zeigst du ihnen bitte das Gästezimmer?"
Das Mädchen nickte und stand auf. Da wir fertig mit essen waren, folgten wir ihr und Julia räumte den Tisch ab. Zusammen liefen wir durch den Flur und Helena erklärte uns noch, wo alles war und, dass wir bei Fragen zu ihr kommen konnten. Ich hingegen hoffte einfach, dass sich die Sache bald beruhigt hatte und wir hier wegkonnten.
„Hey Helena, ich bin Cosmo!", stellte sich mein Halbbruder noch einmal vor und lächelte sie breit an. Zwar lächelte sie zurück, doch man sah ihr an, dass sie von Cosmo nichts wollte und auch kein Interesse an einem längeren Gespräch hatte.
Als sie dann endlich die Tür des Gästezimmers öffnete, hatten wir unsere Ruhe. Sie selbst musste Schularbeiten machen, da sie noch Ferien hatte, die aber bald vorbei waren.
Deutlich entspannter sah ich mich um. Das Zimmer war nicht wirklich modern eingerichtet, aber immer noch besser, als das was ich sonst so gesehen hatte. Allein die Vorstellung in einem richtigen Bett zu schlafen, ließ mein Herz höherschlagen.
Cosmo testete Dieses mal eben und warf sich drauf. „So weich!", schrie er und wälzte sich über das Doppelbett. Es war für mich kein Problem mit ihm ein Bett zu teilen, denn wir hatten jahrelang auf der Straße zusammen verbracht und Schlafplätze geteilt. Das Einzige, was mir nicht gefiel, war sein Sexleben. Hoffentlich hatte ich hier Ruhe!
„Ob jetzt alles besser wird?", warf der Silberhaarige die Frage in den Raum.
Ich zuckte mit den Schultern. „Schlechter wird's jedenfalls nicht."
Mein Blick glitt zu dem Fenster und dessen Vorhang. Draußen schien die Sonne und ich konnte bereits die anderen Arbeiter auf dem Hof sehen. Ob es Angestellte waren oder Bauern von nebenan war mir nicht bekannt, aber auch egal. Aber eins wusste ich! Wenn ich mich hier einbringen würde, dann könnte die nächste Zeit definitiv besser werden als unser bisheriges Leben.
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Hope in the Darkness
ActionAls Auftragskiller und ehemaliger Obdachloser hatte Ace es nicht immer einfach. Seine Weltansicht ist dementsprechend negativ. Doch als er eines Nachts einen entscheidenden Fehler macht und sich unbewusst mit der Mafia anlegt, wird der Jäger zur Fl...