44. Kuschelkurs

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„Himmel, ist das süß!", erklang eine Stimme am nächsten Morgen und müde drückte ich mein Gesicht in den weichen Untergrund.

„Definitiv", vernahm ich eine zweite. „Hast du mal ein Handy?"

„Warte, ich hol meins." Schritte entfernten sich und eine Tür wurde geschlossen. Dann endlich Stille.

Seufzend entspannte ich mich wieder und legte meinen Kopf wieder seitlich, damit ich genug Luft bekam. Die Nacht war immerhin anstrengend genug! Der Traum war lebhafter als jeder andere bisher und als ich mitten in der Nacht schweißgebadet aufgewacht war, hatte ich Schwierigkeiten wieder einzuschlafen. Vielleicht wollte ich das auch gar nicht. Stattdessen war ich stocksteif und mit schnell schlagendem Herzen liegengeblieben und lauschte den Atemgeräuschen meiner Bettnachbarn.

Da hatte ich es nach dieser Schreckenstour doch verdient auszuschlafen!

Doch ein Hieb in den Bauch ließ mich nach oben fahren und mit aufgerissenen Augen, die unangenehm brannten und wahrscheinlich rötlich angelaufen waren, sah ich mich in unserem Zimmer um.

„Na, gut geschlafen?", fragte eine bekannte Stimme und mürrisch blickte ich zu Keno, der lächelnd am Türrahmen lehnte.

„Hm."

„Wusste bisher noch gar nicht, dass du so gern kuschelst", grinste er. Irritiert verzog ich das Gesicht und mit seiner rechten Hand deutete er aufs Bett. „Sieht aber sehr gemütlich aus."

Ich hatte noch immer keine Ahnung, wovon er da eigentlich sprach, also drehte ich meinen Kopf verschlafen zur Seite und sah auf die Matratze. In einem Wirrwarr aus Decken, Kissen und zwei Kuscheltieren lagen Cosmo und die Zwillinge. Und bis eben auch ich. Adrian lag eindeutig auf meiner Hälfte und er war wahrscheinlich auch der Übeltäter, der mich wachgetreten hatte. Die Enge des Bettes sorgte nochmal extra für sehr viel Körperkontakt zwischen uns vieren.

„Ich hab es!", rief eine weibliche Stimme und die Tür flog krachend auf, wodurch Cosmo leicht murrte.

Alarmiert drehte ich meinen Kopf zur Tür und wollte Helena gerade anfauchen, da machte es klick und entzückt sah sie Jugendliche auf ihr Display.

„Das müssen wir sofort Mum zeigen!", meinte sie freudig.

Keno grinste mich hämisch an, ehe er lachend hinzufügte, „Und Aarón."

Knurrend warf ich Adrians Kuscheltier nach ihm, welches große Ähnlichkeit mit einem Esel hatte. Vielleicht war es auch ein Elefant, keine Ahnung. Doch er fing es nur mit einer Hand auf und lachte. Um meine Ehre zu retten, machte ich einen hoffnungslosen Versuch aus dem Bett, um Helena das Handy wegzunehmen, doch sie machte einen Satz nach hinten und verschwand kichernd aus dem Zimmer.

Frustriert stöhnend ließ ich mich wieder aufs Bett fallen und schloss die Augen. Innerlich grinste ich in mich hinein. Was war nur aus mit geworden? Vom Obdachlosen zum Auftragskiller zum Familienmensch. Was eine Kariere.

„Wir wollten euch eigentlich zum Frühstück holen. Ihr solltet also langsam runter kommen", erklärte Keno versöhnlich.

„Ist gut", kommentierte ich das nur. Wieder lachte er auf. Was hatte der heute für ekelhafte gute Laune?

Wartend, bis Keno das Zimmer verließ, biss ich mir auf die Unterlippe und sah an die Decke. Der Traum hatte meinen Körper vergangene Nacht ganz schön strapaziert. Meine Muskeln waren verspannt und meine Kleidung war ordentlich durchgeschwitzt. Deswegen weckte ich Cosmo auch schnell auf und huschte dann mit frischen Klamotten ins Bad, um als erster duschen zu können.

Als das warme Wasser auf meine Haut traf, schloss ich genießend die Augen. Regelmäßig duschen war keine Selbstverständlichkeit für mich. Das würde es wohl auch nie werden.

Aarón kümmerte sich gut um seine Familie. In jeder Hinsicht. Finanziell, menschlich und auch in allen anderen Lebensbereichen. Zwar mussten Cosmo und ich auf dem Hof aushelfen, was auch verständlich war, aber wir wurden deswegen nicht anders behandelt. Julia versorgte und sorgte sich um uns fast wie ihre eigenen Kinder. Innerlich hatte sie uns wahrscheinlich schon adoptiert. Nun, vielleicht eher Cosmo, ich war dafür wohl zu alt.

Und dennoch würde das Luxusleben, welches wir hier führten, nie eine normale Sache werden. Zumindest ich würde immer an meine Herkunft denken. Die kalten Nächte, hungernden Phasen und von Krankheit und Angst geprägten Jahre würde ich nie vergessen.

Doch all das war nicht einmal ansatzweise ein so düsterer Fleck in meinem Leben wie die Sache, die damals in meinem Elternhaus passiert war.

Ich hatte schon vor meiner Begegnung mit Mors getötet. Vielleicht nicht absichtlich, aber das tat nichts zur Sache. Notwehr konnte einen Mord vor Gott doch unmöglich rechtfertigen. Ohne die Bibel je gelesen zu haben, wusste ich, dass Töten eine Sünde war. Und ich hatte mehr als einmal getötet. Und selbst eine gerechtfertigte Notwehr konnte meine Taten nicht ungeschehen machen. Jemanden kaltblütig erschießen, wenn dieser schon am Boden liegt, das war keine Notwehr. Es war eine Entscheidung.

Ich wollte mir gar nicht ausmalen wie oft ich schon gegen die Gesetze Gottes verstoßen hatte. Mord, Betrug und Diebstahl waren da nicht alles. Ich hatte meinen Vater getötet! Da sagte doch schon der normale Menschenverstand, dass das falsch war!

Frustriert entwisch mir ein kleiner Schrei und meine Faust landete auf der kalten Wand in der Dusche.

Mich hatte es bisher doch auch nicht gekümmert! Klar, das war alles nicht schön und es gab theoretisch immer eine andere Option, die man wählen konnte, aber ich tat damals in meinen Augen das Richtige! Niemand gönnte mir jemals etwas, warum sollte ich also auf etwas verzichten? Ich handelte, um Cosmo und mich am Leben zu halten. Auch, wenn es dafür andere Möglichkeiten gab.

Mein Brustkorb zog sich zusammen und ich hatte keine Ahnung was plötzlich mit mir los war. Der Traum konnte mich unmöglich so aufgewühlt haben. Doch woher kam das jetzt so plötzlich? Vielleicht war auch das Gespräch mit Aarón daran schuld.

Fühlte sich so Reue an? Vielleicht auch Scham? Vor Gott?

Ich sank auf meine Knie, was in der Dusche nicht sonderlich angenehm war, und ließ den Kopf nach unten sacken, wodurch meine nassen Haare ins Gesicht fielen. Ich fühlte mich entblößt. Nicht, weil ich nackt war. Entblößt, weil ich zu Gott wollte und dabei doch genau wusste, was ich alles mit mir herumtrug. Aarón meinte zwar, dass Vergebung jedem theoretisch möglich wäre, aber würde er das auch noch sagen, wenn er wüsste, wen er da eigentlich in sein Haus gelassen hatte?

Innerlich überkam mich plötzlich der Drang Gott, um Vergebung anzuwinseln. Die Last auf meinen Schultern war unerträglich und der Druck in meinem Brustkorb so groß, dass ich nichts sehnlicher wollte als die Sachen aus der Welt zu schaffen.

Nur ging das nicht so einfach. Nicht sofort. Und ich wusste auch gar nicht wie.

Nach Luft ringend wartete ich bis der Druck auf mir kleiner wurde und ich wieder aufstehen konnte. Ich atmete auf. Ja, vielleicht war ich damals zu jung, zu dumm und zu verletzt. Aber jetzt konnte ich es besser machen. Und eins hatte mir der Traum und meine Reaktion eben gezeigt, ich brauchte Vergebung und würde nicht eher friedlich schlafen können, bis ich reinen Tisch gemacht hatte.

*****

Hey, Ace scheint gerade von seinen Schuldgefühlen erdrückt zu werden, was nicht zuletzt an vergangener Nacht liegt.💗

Ich wollte euch einfach mal zum Thema Flashback fragen, ob ihr noch eventuell Wünsche habt? Planmäßig würde jetzt noch ein Flashback kommen. Wenn ihr gerne mehr hättet oder zu einer bestimmten Situation, dann schreibt es einfach in die Kommis❣️

Hope in the DarknessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt