5. Seltsame Begegnung

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Zwei Flüge und einige Stunden später saßen Cosmo und ich auf der Ladefläche eines alten Jeeps. Wir hatten einen Umweg genommen, um unsere Spuren zu verwischen.

Da wir die Sprache beherrschten, hatten wir uns für Spanien entschieden. Im Norden wurde das Land von den Pyrenäen begrenzt und dort war auch unser Ziel. Eine Aneinanderreihung von Dörfern, die abseits großer Städte in den Bergen lagen. Und das abgelegene Aribe Village sollte für nächste Zeit unser neues zuhause sein.

Schon seit einer Weile konnten wir die hohen Berge der Gebirgskette sehen. Cosmo schien das extrem zu begeistern, schließlich hatte er so etwas noch nie im Leben gesehen. Meine Begeisterung hielt sich allerdings in Grenzen. Mexiko war mir lieber. Das Klima und die Kriminalität, sowie die Armut war nicht sonderlich einladend, aber es war meine Heimat. Und die würde es auch immer bleiben!

Auch, wenn man uns unsere Herkunft nicht einmal ansah. Unsere Mutter war ursprünglich aus Amerika eingewandert und da wir unser Aussehen größtenteils von ihr hatten, würde man uns nicht direkt für Mexikaner halten.

Das Dorf, welches wir ausgewählt hatten, war ziemlich ab vom Schuss und viele Menschen würden wir hier definitiv nicht sehen. Das war eine Tatsache, die mir ganz gut gefiel. Cosmo eher weniger. Sein Sexleben würde wohl sehr darunter leiden.

„Schau mal, Ace, da liegt Schnee drauf!", rief er plötzlich fasziniert aus und mein Blick wanderte zu der weißen Bergspitze.

„Toll", gab ich eintönig von mir. 

Die Angst, dass der Mafiosi uns finden würde, nagte noch zu sehr an mir. Zudem war es eisig kalt hier hinten auf der Ladefläche, die wir uns mit einigen braunen Kisten teilten. Per Anhalter waren wir so weit gekommen und es war Glück, dass der alte Mann uns mitnahm. Cosmo wollte erst nicht einsteigen, da er meinte alte Männer in großen Autos wären Perverse und der würde uns am Ende noch vergewaltigen und uns anschließend im Wald aussetzen. Deswegen saßen wir aus Sicherheitsgründen auch hier hinten und nicht vorn. Und das Alles nur, weil er bereits graue Haare hatte. 

Da musste ich ihm erstmal klar machen, dass nicht jeder Mensch nur an Sex dachte, wie er, und selbst wenn er etwas dergleichen vorgehabt hätte, hätte ich uns schon verteidigt. Die Tatsache, dass er selber graue Haare hatte, hatte ich nicht angesprochen, weil er dann mit Sicherheit einen Streit vom Zaun gebrochen hätte, da er ja silberne Haare hatte.

„Wie lang noch?", riss mich mein Halbbruder aus meinen Gedanken.

Man, woher sollte ich denn das wissen?! „Keine Ahnung, versuch zu schlafen. Es wird wahrscheinlich noch ne Weile dauern."

„Geht nicht! Ist zu kalt!", klagte er.

Ich fragte mich selber warum ich das tat, doch ich breitete meine Arme aus und sah ihn auffordernd an. Ohne zu zögern, rutschte er zu mir und drückte sich an mich. So hatten wir es früher auf der Straße oft gemacht, wenn uns kalt war. 

Auch, wenn ich müde war, so konnte ich nicht einschlafen. Das Wackeln des Wagens nervte, die Kälte war beißend und mein Misstrauen dem Fremden gegenüber ließ mir keine Ruhe. Ganz im Gegensatz zu Cosmo. Der Silberhaarige schlief tief und fest, wobei er von meiner Körperwärme profitierte und mir augenscheinlich sehr vertraute.

Mein Blick wanderte den Bergen entlang und ich studierte die einzelnen Risse, Bergspitzen und vereinzelte Bäume. Die Sonne tauchte alles in ein schönes Orange und als der Schnee das grelle Licht reflektierte, drehte ich mich blinzelnd weg. Ich wäre vermutlich beinahe eingenickt, wenn der Wagen nicht eine Vollbremsung gemacht hätte. Gings noch unsanfter?! Der Fahrer knallte die Tür zu und mein kleiner Bruder schreckte auf.

„So Jungs, Endstation!", rief er uns in viel zu hoher Lautstärke zu und öffnete die Ladefläche, um einige Kisten rauszuholen.

Ich wartete bis Cosmo sich erhob, ehe ich vom Auto sprang. Er tat es mir gleich und landete sanft wie eine Katze mit seinen Turnschuhen auf dem Asphalt.

„Danke fürs Mitnehmen", meinte er zu dem Älteren und schien froh zu sein, dass er wohl doch kein Perverser war. Woher wohl die plötzliche Erkenntnis kam?

„Ach, nicht der Rede wert. Ich musste sowieso hier her, da ich zurück zu meiner Familie wollte und in Bilbao hatte ich nur eine Lieferung abzuholen. Aber sagt doch mal, was ihr hier eigentlich wollt?", fragte er uns mit einem so freundlichen Lächeln, dass mir fast der Würgereiz kam. Cosmo wollte ihm gerade antworten, doch ich bezweifelte, dass ihm eine glaubhafte Lüge einfallen würde und außerdem ging es ihn überhaupt nichts an, also unterbrach ich ihn schneidend.

„Nichts was irgendjemanden etwas angehen würde!", knurrte ich drohend und sah ihn warnend an.

Doch er lächelte nur, schien sich nicht mal im Ansatz bedroht zu fühlen. Sauer war er auch nicht auf mich, was mich nur noch mehr aufregte! Stattdessen sah er mich fast schon mitleidig an.

„Ich bin übrigens Aarón, solltet ihr Hilfe brauchen, sagt einfach Bescheid." Er sah uns beide wissend an und ich war zu perplex, um zu antworten.

„Machen wir. Ich bin jedenfalls Cosmo und das ist Ace", stellte mein Nebenmann uns vor und schüttelte dem alten Mann die Hand. „Danke nochmal."

Aaróns Lächeln wurde breiter. „Vielleicht sehen wir uns ja nochmal." Dabei sah er ganz besonders mich an und mir blieb nichts anderes übrig als den Blick zu erwidern. Wobei in meinem mit Sicherheit einiges an Feindseligkeit lag. Sein freundliches und hilfsbereites Aussehen widerte mich einfach an! Ich wusste selbst nicht warum. Er strahlte so viel Positives aus und in seinen braunen Augen glitzerte Glückseligkeit.

„Ja, vielleicht", sagte Cosmo und zog mich an der Schulter weg. „Wieso bist du immer so unhöflich?!", meckerte er mich später an und ich verdrehte die Augen.

„Der war einfach zu freundlich. Da stimmt was nicht! Niemand ist einfach so grundlos glücklich und hilft anderen! Zumindest nicht ohne eine Gegenleistung." Das Letzte murmelte ich nur. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass der Mann mit dieser Lebensweise etwas im Leben erreichen konnte.

„Hm." Cosmo konnte dazu nicht wirklich was sagen. Als Dieb war er auch nur auf seinen Vorteil aus und würde mit solch einer Einstellung nicht weit kommen.

So schlenderten wir also durch das kleine Dorf und betrachteten die alten Häuser, die vielen Gärten und die großen Weideflächen vor den Bergen. Zwischen dem Dorf und den angrenzenden Bergen lag eine Waldkette, durch die viele Wanderwege führten und leichter Nebel lag zwischen den Bäumen. Von irgendwo hörte ich auch einen Fluss und als wir weiterliefen, sah ich ihn als Wasserfall an einem der Berge hinabsausen.

Nach einer Stunde hatten wir aber nichts anderes gesehen und kehrten wieder um. Immerhin mussten wir uns um wichtigere Dinge kümmern, als das Dorf zu besichtigen! 

Cosmo und ich wussten uns in der Vergangenheit zwar immer zu helfen, doch im Moment standen wir planlos vor einem kleinen Laden und starrten auf das Schild. Wir hatten schnell im Stillen eine Vereinbarung getroffen, dass Cosmo uns etwas zu trinken besorgen sollte.

Also betrat er schmerzfrei das kleine Geschäft und sah sich neugierig um.

Ich folgte ihm ein paar Minuten später. Geld hatten wir keines, der Rest war beim Flughafen draufgegangen und somit war es klar, dass Cosmo seine Fähigkeiten nutzen musste. Sollte ihm dabei etwas passieren würde ich eingreifen. Das war nicht gerade die feine Art in ein neues Dorf zu kommen, doch wir hatten keine andere Option.

Durch die Regale beobachtete ich Cosmo, der gerade nach einer Wasserflasche greifen wollte. Jetzt bemerkte ich auch, wie durstig ich war und gierig lag mein Blick auf der durchsichtigen Flüssigkeit. Wir waren nicht weit voneinander entfernt, höchstens drei Meter. Doch für Fremde wirkte es, als würden wir uns nicht kennen.

„Das willst du doch nicht wirklich, oder?", ertönte auf einmal hinter mir eine Stimme und ich schreckte hoch. Cosmo ebenfalls, wobei ihm die Flasche herunterfiel.

Ich rechnete schon mit dem Ladenbesitzer oder so in der Art. Doch als ich mich umdrehte, stand ich Aarón gegenüber. Tadelnd sah er erst zu mir und dann zu Cosmo.

Hope in the DarknessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt