11. Alles okay?

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Am späten Abend hatte Aarón uns zu sich gerufen. Ich konnte es an seinem Blick sehen, dass er uns gerne etwas gefragt hätte. Doch aus irgendeinem Grund stellte er sie nicht.

Stattdessen führte er uns an den gedeckten Tisch und wir beäugten die Speisen mit Augen so groß wie Autoreifen. Die Düfte waren herrlich und übertrumpften das Frühstück beinahe. Überfordert sah ich nach dem Tischgebet mir alles an. Von den meisten Sachen wusste ich gar nicht wie sie schmeckten oder was das überhaupt war. Also versuchte ich mein Glück und griff einfach mal zu.

„Guten Appetit!", wünschte uns Aarón, was mich nun wieder etwas verwirrte. 

Von den ganzen Sachen auf dem Tisch konnte ich nur zwei Dinge erkennen, Ei und Erbsen. Den Rest des bunten Tellers sah ich neugierig an und roch erst an allem, bevor ich es mir in den Mund steckte. Am Geruch erkannte ich noch Knoblauch. Cosmo hingegen war zwar auch hin und weg, überspielte das aber weitaus besser als ich. Er tat nicht so als würde er von einem anderen Planeten kommen und war auch nicht so zaghaft.

„Das ist Migas, ein altes, traditionelles Bauerngericht mit Spiegelei, Knoblauch, Minzblättern, geriebenen Parmesan, Bohnen, Brotwürfeln, Erbsen und Schalotten", erklärte uns Julia, die meinen Blick richtig gedeutet hatte.

„Schalotten?", fragte Cosmo mit vollem Mund, woraufhin ich schmunzelnd die Augen verdrehte.

„Zwiebeln", antwortete Helena für ihre Mutter. 

Cosmo nickte verstehend. Sogar ich kannte Zwiebeln und das musste was heißen! 

Das Essen, oder eben Migas, war wirklich unglaublich lecker. Man hatte von allem etwas dabei, es war vielfältig und vor allem gesund. Das war auch der Grund, weswegen davon nichts übrigblieb und ich am Ende satt und zufrieden auf meinem Stuhl saß und die Knie anwinkelte. Meinem Halbbruder ging es da nicht anders.

„Ich glaub wir sollten jetzt ins Bett. Zumindest ihr zwei", bestimmte der Hausherr, da die Zwillinge bereits gähnten. 

Ich selbst war nicht müde, trotzdem schaffte ich meinen Teller weg und lief dann nach oben. Dort warf ich mich aufs Bett und verschränkte, wie vor wenigen Stunden, die Hände hinter dem Kopf.

„Alter, war das lecker!", rief Cosmo aus, der sich ohne Rücksicht neben mich fallen ließ und ich so dessen Ellenbogen abbekam.

„Hast recht", gab ich zu und schloss müde meine Augen. 

Plötzlich machte sich ein unangenehmes Stechen an meiner Flanke bemerkbar. Meine Schussverletzung.

Schmerzhaft verzog ich das Gesicht. Wie sollte ich denn so morgen arbeiten? Aarón wusste nicht, dass ich verletzt war und das sollte auch so bleiben. Vielleicht wurde es besser, wenn ich mich aufrecht hinsetzte? Ich versuchte meinen Oberkörper aufzurichten, doch meinen Lippen entkam nur ein schmerzliches Keuchen und ich sank zurück.

Alarmiert riss Cosmo den Kopf herum. „Alles okay?"

„Nein, nicht wirklich." Normalerweise gab ich das nie zu, doch jetzt hielt ich es mal für angebracht. Nur wieso schmerzte sie ausgerechnet jetzt? Die ganze Zeit ging es doch!

„Deine Verletzung! Darf ich mal sehen?" Cosmo wartete nicht auf eine Antwort, sondern zog einfach mein Oberteil nach oben. Scharf zog er die Luft ein, ehe er den Verband ganz vorsichtig löste. Dabei beobachtete er mich und meine Reaktion, um mir keine unnötigen Schmerzen zu bereiten.

Als die weiß rote Schicht ab war, kam Luft an die Wunde und das war alles andere als angenehm. 

„Scheiße, Ace, es fängt wieder an zu bluten! Und es hat sich glaube ich... entzündet oder so", murmelte er mit misstrauischem Blick, während er näher ranging. Ich hob meinen Kopf und warf selbst einen Blick drauf. Wodurch es wieder schmerzte, durch die Anspannung. Tatsächlich, die Wunde war rot, dick und vor allem warm. Zusätzlich floss an meinen Seiten etwas Blut auf das Laken. 

Eilig lief Cosmo aus dem Raum und ich bekam Panik. Was, wenn er es Aarón sagte? Er würde wissen wollen, woher die Verletzung kam, und das würde alles nur unnötige Aufmerksamkeit verursachen. Scheiße!

Doch zu meinem Glück kam der Silberhaarige mit zwei Handtüchern wieder. Eins davon war nass und ziemlich kalt. Und genau das legte er mir auf den Bauch! Das andere, noch trockene, legte er unter mich, wobei ich meine Hüfte heben musste. So wurde das Laken nicht mehr so voll. 

Nur wie sollten wir die blutigen Handtücher nachher entsorgen? 

Verzweifelt legte ich meinen Kopf wieder nach hinten. Es konnte ja nicht einmal einfach laufen. Draußen war es bereits dunkel. Der Mond war hoch am Himmel. Ob es eigentlich ein Leben nach dem Tod gab? Was würde passieren, wenn ich doch früher abkratzte als gedacht?

„Ace?", riss mich Cosmos Stimme wieder ins hier und jetzt. „Du musst wach bleiben, bitte. Wenigstens dieses Mal! Du hast schon das letzte Mal zu viel Blut verloren und das ist nicht einmal drei Tage her!" Als er das Handtuch zusätzlich noch sachte raufdrückte zischte ich auf. „Sorry."

Mir tat Cosmo in dem Moment einfach nur leid. Immer wieder bereite ich ihm Schwierigkeiten und er musste sich Sorgen um mich machen. Jetzt schon wieder... Aber andererseits war ich ihm unfassbar dankbar. Dafür, dass er hier war, mich nicht allein ließ und trotz allem zu mir hielt.

Ein Rütteln an meiner Schulter holte mich zurück und ich sah in Cosmos erleichtertes Gesicht. „Ich brauch irgendetwas, womit ich dich verbinden kann." Fragend sah Cosmo an mir vorbei und dachte nach. 

Ich hoffte einfach mal, dass er die Tür abgesperrt hatte, wenn das überhaupt ging. Sollte jemand reinkommen, würde diese Person ein schönes, blutiges Bild sehen. 

Offenbar hatte mein Halbbruder eine Idee, denn er verließ schon wieder eilig den Raum. Dieses Mal blieb er länger fort. Beunruhigt glitt mein Blick zur Decke und meine eisblauen Augen musterten genauestens das Holz. Ob Cosmo jetzt vielleicht doch Aarón holte? Die Tür öffnete sich erneut und Cosmo stürmte herein. Doch kurz bevor er die Tür schließen konnte, rief jemand nach ihm. Ne, oder? 

Schnell drehte er sich um. „Helena, was gibt's?"

„Nichts, ich wollte dir eigentlich nur eine gute Nacht wünschen", entgegnete sie.

„Oh danke, dir auch eine gute Nacht." Cosmos Schauspielkünste waren grottig, man merkte einfach, wie gehetzt und gestresst er war. Konnte er sich nicht beeilen?! Dann kam mir plötzlich in den Sinn, dass er noch mein Blut an den Klamotten und den Händen hatte. Na toll! Im Flur war zwar kein Licht an, aber vielleicht bemerkte Helena ja doch etwas.

„Kann ich noch mal mit reinkommen und Ace gute Nacht sagen?", fragte nun Paula. Die war ja auch da!

„Ähm nein, lieber nicht! Ace schläft schon", antwortete Cosmo viel zu schnell und demonstrativ hielt er die Tür zu.

„Schade", kam es nun von Adrian. Wer stand eigentlich noch alles vor der Tür?!

„Ja, kann man wohl nichts machen", entgegnete Cosmo, doch seine Tonlage klang eher erleichtert. 

Ich vernahm Schritte, die sich entfernten und mein Bruder kam wieder herein, der mich entschuldigend ansah. Aus seiner Hosentasche holte er Verbandszeug, was er wohl aus dem Bad geklaut hatte. In dem Moment war ich froh, dass er so etwas konnte.

„Tut mir leid, aber das wird jetzt weh tun", warnte er. Anschließend desinfizierte er die Verletzung, was unglaublich brannte, aber auszuhalten war. 

Als letztes verband er alles und räumte auf. Mir egal, was er mit den Handtüchern machte, ich wollte nur noch schlafen. War wohl doch zu viel Blut. Ich merkte nur noch, wie Cosmo mich zudeckte, sich neben mich legte und mir etwas Beruhigendes zuflüsterte, ehe ich einschlief.

Hope in the DarknessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt