54. Auftrag

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Mein Atem war in der kalten Luft als Nebelhauch sichtbar, verdeutlichte mir damit, dass es viel zu kalt war. Die Nacht brachte einen unwirklichen Frost mit sich. Nicht nur die Kälte, die für Mexiko untypisch war. Auch die Straßen wirkten heute besonders düster.

Die Dunkelheit verschluckte mich komplett. Meine schwarze Kleidung machte mich quasi unsichtbar.

In meiner Hand ein angerissenes Foto. Ein junger Mann mit braunen Augen, der wahrscheinlich noch sein ganzes Leben vor sich hatte. Ich kannte ihn nicht. War ihm noch nie begegnet. Kannte nicht einmal seinen Namen. Und dennoch sollte ich noch heute Nacht sein Leben beenden. Der Grund war mir ebenfalls unbekannt, interessierte mich mittlerweile aber auch nicht mehr.

Ein Klingeln ließ mich zusammenzucken und genervt fischte ich mein Handy aus meiner Tasche. Was wollte der denn jetzt?

„Ja?"

„Nicht so unfreundlich", knurrte mir Mors mit einem amüsierten Unterton entgegen und der Drang, einfach aufzulegen, wuchs. „Wo bist du?"

Ich zog die Augenbrauen hoch und sah mich um. „Gleich da, wie abgemacht. Wieso?"

„Wollte nur sichergehen, dass du keinen Rückzieher machst", murmelte er und klang leicht abwesend. Papiere raschelten im Hintergrund und eine Tür wurde laut zugeschlagen. „Du weißt, was zu tun ist, nehme ich an. Am Plan hat sich nichts geändert, nur..."

„Was?"

Gestresst stieß Mors die Luft aus. „Unser Zeitfenster ist etwas kleiner geworden. Du musst dich beeilen."

„Wie viel hab ich?", wollte ich wenig begeistert wissen und konnte nicht verhindern, dass mein Herz schneller schlug. Ich hasste Stress. Zwar musste so eine Aktion immer schnell gehen, aber dieses Mal war es anders. Die Gegend war besser abgesichert und das Haus kameraüberwacht. Es war so schon schwer, noch mehr zeitlichen Druck konnte ich nicht gebrauchen.

„Vielleicht 20 Minuten."

Mein Herz setzte für eine Sekunde aus. „20 Minuten?!"

„Ich weiß, es ist wenig, geht aber nicht anders. Beeil dich einfach und sei gefälligst vorsichtig. Ich will nicht einen Schuss in den Straßen hören!", wies er mich an.

Sauer rollte ich mit den Augen und setzte meine Schritte fort. „Schon klar, ich mach das nicht zum ersten Mal."

Ich hörte meinen Auftraggeber am anderen Ende noch Etwas murmeln, ehe er einfach auflegte. Gut so. Ich hatte eh keine weitere Zeit und konnte seine Stimme nicht länger ertragen. Seine unfreundliche Art war mir schon bekannt, aber diese permanente Anspannung stresste mich vollkommen. Als wäre eines seiner Geschäfte versaut. Seinen Ärger ließ er dann meist an uns aus.

Mit schwitzigen Händen fuhr ich mir durch die Haare. Es fühlte sich heute einfach anders an.

Beschreiben konnte ich es nicht, aber ich fühlte mich unwohl. Beobachtet und nicht so überlegen wie sonst. Normalerweise war ich der Jäger. Derjenige, der die Entscheidungsmacht hatte über diejenigen, die Mors am liebsten tot sehen wollte. Doch heute spürte ich dies nicht. Nicht mal ansatzweise.

Durch den erhöhten zeitlichen Druck wollte ich die Sache nur noch hinter mich bringen. So schnell wie möglich.

Und eben deshalb kletterte ich unachtsam den Zaun hinüber. Gäbe es hier einen dieser beschissenen Köter wäre ich schon längst ausgeliefert. Zeit hatte nicht, um mögliche Spuren verschwinden zu lassen oder möglichst leise zu sein. Stattdessen lief ich über den gepflegten Rasen, brach die Haustür auf und schlich ins Haus.

Licht brauchte ich keins. Ich würde mich auch so zurechtfinden. Vor zwei Tagen war ich schon einmal hier, um mich umzusehen.

Mitleid hatte ich mit Mors Opfern selten. Mein Herz war mit der Zeit irgendwie verhärtet. Zu kalt waren die Zeiten, die ich erlebt hatte. Und auch, wenn es moralisch nicht vertretbar war, so hatte Mors meistens einen Grund, wenn er mir einen Auftrag gab. Selbst wenn es dabei nur ums beliebte Geld ging.

Mit leisen Schritten schlich ich über den Holzboden. Das Opfer musste zuhause sein. Also ging ich ins Schlafzimmer.

Dafür musste ich die Küche durchqueren und blieb augenblicklich stehen. Eine grölende Stimme ließ mich zusammenzucken und sofort erstarren. Bereit zum Angriff drehte ich mich um, stoppte aber als mein Blick ins Wohnzimmer ging. Der Fernseher lief noch. Irgendeine Sportschau. Beinahe hätte ich über mich selbst gelacht und kopfschüttelnd wollte ich meinen Weg fortsetzen, als hinter mir der Boden knarzte.

Was- Ein Schlag auf den Hinterkopf brachte mich zu Fall.

Mein Sichtfeld wurde schwummriger und die Kopfschmerzen brachten meinen Kopf fast zum Explodieren. Fluchend drückte ich meinen Handballen gegen die Stirn und blinzelte in die Dunkelheit.

Doch ein Schlag ins Gesicht hinderte mich daran. Mein Angreifer kniete sich auf meinen Oberkörper und schlug auch schon auf mich ein. Und obwohl mein Kopf was anderes sagte, seine Schläge waren nicht wirklich fest. So, als hätte er sich noch nie im Leben geprügelt oder verteidigen müssen. Auch traf er kaum. Meine Nase blieb unversehrt.

Aufgrund meiner Erfahrung gelang es mir ziemlich schnell, seine Arme festzuhalten und uns zu drehen.

Nun lag er unter mir und stieß dabei erschrocken die Luft aus, hatte mit dieser plötzlichen Wendung wohl nicht gerechnet. Mit seinen Beinen trat er unkoordiniert nach mir und fluchend machte ich einen Satz zurück als er mich im Bauchbereich traf. Dieser Kleine-

Ich wollte es nur noch beenden. Zwar war die Küchenuhr in meinem Rücken, doch ich wusste, dass mir die Zeit davonlief.

Also zog ich meine Waffe. Entsicherte sie und richtete sie auf ihn. Den Schuss würde man durch den Schalldämpfer nicht hören. Und so drückte ich ab. Erwischte ihn auch, denn sein Schmerzensschrei hallte durchs gesamte Haus. Doch scheinbar hatte ich nicht das getroffen, was ich wollte, denn als ich von oben Schritte hörte und erschrocken nach oben blickte, kickte er mir die Waffe aus der Hand.

Ich konnte gar nicht so schnell reagieren, wie er sie nahm und auf mich richtete. Wollte sie ihm nur abnehmen. Und da geschah es.

Es erklang kein Knall, aber in meinen Ohren piepte es dennoch als die Kugel mein Fleisch durchbohrte und ich erstickt auf keuchte. Der Schmerz setzte erst später ein, ebenso wie das Brennen. Als würden meine Organe verätzen. So taumelte ich benommen nach hinten, versuchte verzweifelt mich zu sammeln. Ich durfte nicht schlappmachen!

Mein Gegenüber war ebenso fassungslos wie ich. Sah geschockt zu der Waffe in seiner Hand, ehe er sie von sich stieß. War wohl das erste Mal, dass er jemand anschoss.

Von oben ertönte eine Stimme. Laut und hektisch. Sie rief einen Namen, doch ich hörte nicht zu. Schnappte mir nur meine Pistole, stand wackelig auf, während ich mir die Seite hielt, und zielte erneut auf mein Opfer. Der Fernseher wurde heller und warf Licht in die Küche, zeigte damit das ganze Blut auf dem Boden und die angebrochene Skulptur, die er mir wahrscheinlich drübergezogen hatte.

Seine braunen Augen waren panisch aufgerissen, sein Brustkorb hob sich unglaublich schnell und vor Angst erstarrt, sah er zu mir hinauf.

Bei all meinen Morden hatte ich der Person nie in die Augen gesehen. Aus einem einfachen Grund. Mitleid mochte ich vielleicht wenig haben, aber ich konnte so kaum abdrücken. Zögerte deshalb unglaublich lange. Erst als ich entfernte Sirenen hörte, drückte ich mit einem entschuldigenden Lächeln ab und mein Gegenüber kippte nach hinten auf den Boden. Tot.

Ohne groß darüber nachzudenken oder meine Umgebung nochmal zu mustern, rannte ich wieder nach draußen. Zog mich mühevoll den Zaun nach oben und rannte los. Hörte Schritte hinter mir, ignorierte das Pochen meiner Verletzung und verschwand in der Dunkelheit.

Hope in the DarknessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt