32. Straßenköter

91 22 5
                                    

Ich hörte die Haustür knallen und schreckte hoch. Zur sehr war ich in Gedanken gewesen. Das durfte mir eigentlich nicht passieren. Ablenkung bedeutete, dass ich angreifbar war. Nur, wer sollte mich angreifen? Die Fliege, die schon die ganze Zeit gegen das Küchenfenster flog? Wohl kaum. Meiner Kehle entfloh ein leises Lachen.

„Ace?", hörte ich eine Stimme rufen.

Schnell machte ich einen Satz in den Flur und sah zur Tür. Dort stand Keno. Er hatte Adrian an der Hand und dieser war voller Schmutz. Was hatte der bitte gemacht? Mit Dreck gespielt?

„Könntest du dich kurz um ihn kümmern?", fragte er an mich gewandt und kniete sich währenddessen runter, um mit dem Kleinen auf Augenhöhe zu sein. Gerade wollte ich antworten, da sprach Keno einfach weiter. „Ace macht das schon, Kleiner. Ich bin dann gleich wieder da." Keno wuschelte ihm noch einmal durch die Haare, stand dann auf und verließ eilig das Haus.

Perplex sah ich ihm hinterher. Mein Blick traf den des kleinen Zwergs vor mir. Peinliche Stille herrschte.

Danke Keno! Das hatte der doch mit Absicht gemacht!

Seufzend fuhr ich mir durch die Haare und schloss für einen Moment die Augen. Ich war nun wirklich die letzte Person, bei der man ein kleines Kind abliefern sollte. Damals hätte ich ihn wohl einfach stehengelassen und mich um mich selbst gekümmert. Denn das sollte ich eigentlich tun. Der Mafiosi war mir näher denn je.

Aber ich hatte mich geändert. Ich rannte nicht mehr davon. Nicht vor meinen Problemen, meinen Eltern oder einem Mann, der mich zurecht töten wollte. Erstaunlich, was dieser Ort und seine Menschen mit mir angerichtet hatten.

Wenn ich ehrlich zu mir selber war, dann wäre es ohne Tai wohl nie so weit gekommen. Er hatte mich und Mors zusammengebracht und die Beziehung hergestellt.

Dennoch gab ich ihm nicht die Schuld dafür. Alles andere kam von allein. Das Geld war zu verlockend gewesen. Wir kamen von der Straße runter. Hatten eine eigene Wohnung, Essen und vorerst keine Geldsorgen mehr. Doch dann wurde der Lohn immer kürzer. Ich fühlte mich wie ein eingesperrtes Tier, wie ein Hund, der nach einem Leckerli bettelte und dafür immer mehr leisten musste. Und Austreten war nicht drin. Ich wusste einfach zu viel und Mors brauchte mich.

Der Mafiosi machte dies erst möglich. Er befreite mich indirekt davon und diese Chance sollte ich nutzen.

„Ace?", fragte Adrian kleinlaut.

Ah ja, der war ja auch noch da. Ich öffnete meine Augen wieder und musterte die kleine Gestalt vor mir. Er hatte echt Ähnlichkeit mit dem kleinen Cosmo von damals.

Unweigerlich musste ich lächeln. „Komm her", brummte ich und streckte die Arme widerwillig aus. Unsicher kam er auf mich zu. Doch bevor er mich in irgendeiner Art und Weise berühren konnte, packte ich seine kleine Hand. Mich musste er nicht auch noch einsauen.

„Was hast du vorhin gemacht?", wollte er nebenbei wissen.

Verwirrt zog ich die Stirn in Falten und lief mit ihm die Treppe hoch. „Was meinst du?"

„Du standst einfach so da"

„Sollte ich denn sitzen?", fauchte ich leicht genervt und zog ihn weiter. Adrian schien sofort eingeschüchtert und blieb still. Dies stellte mich erst zufrieden, doch dann meldete sich mein schlechtes Gewissen. Wieder seufzte ich. „Tut mir leid, ich hab nur nachgedacht."

„Und worüber?"

Hätte ich nur nichts gesagt! Abfällig schnaubte ich nur. Am Ende wurde ich noch weich und das konnte ich nicht gebrauchen. Auch, wenn ich mir die Wesensänderungen eingestehen musste. Ich war schon immer gut darin, mich selbst zu reflektieren und konnte nicht leugnen, dass ich ausgeglichener war. Nur wusste ich noch nicht so recht, wie ich das genau finden sollte.

„Wie ist das eigentlich passiert? Du siehst aus wie ein Straßenköter", meckerte ich und der kleine sah mich verwirrt an.

„Straßenköter?"

Ich öffnete die Badezimmertür und setzte ihn auf den Klodeckel. „Das ist Max in hässlich", murmelte ich. „Und in räudig", ergänzte ich noch kopfschüttelnd.

„Aber Max ist doch schön", protestierte Adrian und half mir dabei, seine dreckigen Klamotten loszuwerden.

„Er ist ein Hund. Das reicht." Unachtsam schmiss ich sein T-Shirt auf die Fliesen. „Wir kommen übrigens vom Thema ab, also?" Doch Adrian antwortete nicht. Sein Blick war starr zu Boden gerichtet und nervös zappelte er mit seinen kleinen Beinen. Ich hielt sie fest und wollte noch einmal bestimmend wissen, „Adrian?"

„Manuel hat mich geschubst", presste er heraus und klang leicht verstört.

Ich stockte. „Geschubst? Dich? Weswegen?"

„Weiß nicht. Er hat sich mit Keno gestritten und dann bin ich irgendwie im Dreck gelandet", meinte er. Adrian fühlte sich sichtlich schlecht gepetzt zu haben. Offenbar wollte Keno nicht, dass ich davon erfuhr. Aus gutem Grund. Denn ich ließ sowas nicht auf mir sitzen und die Tatsache, dass er Adrian da mit hineinzog, kratzte gewaltig an mir.

Mir entwich ein kleines Knurren. „Ich bin gleich wieder da."

„Aber sag Keno nichts", jammerte er und zog die Beine hoch.

Besänftigend schüttelte ich den Kopf und stand auf. „Mach ich nicht. Bleib einfach hier und warte auf mich, okay?"

Adrian nickte. Ich hingegen versuchte meinen Herzschlag wieder zu beruhigen und lief schnell zur Haustür. Wie sehr war ich vorhin abwesend gewesen? Was hatte ich denn noch alles verpasst?

Meine Frage beantwortete sich von selbst als ich die Haustür öffnete. Niemand war da. Offenbar fuhr Aarón noch ein paar Leute nach Hause. Die zusätzlichen Bänke waren weg und ich konnte weder Cosmo noch Keno sehen.

Dann vernahm ich Stimmen aus dem kleinen Geräteschuppen neben dem Haus. Stirnrunzelnd lief ich darauf zu und riss die Tür auf. Manuel drückte Keno an die Wand und beide waren laut am Diskutieren. Der Kerl war mir schon von Anfang an suspekt, aber er hatte eindeutig eine Grenze überschritten.

„Was regst du dich so auf, hm?", wollte er von Keno wissen und schien mich noch nicht bemerkt zu haben.

Keno schnappte nach Luft und fauchte, „Ich reg mich auf?!"

„Dem Kleinen gehts doch gut, was hast du denn?"

„Es geht mir nicht nur um Adrian! Sondern um deine selbstgefällige, arrogante Art!", warf Keno ihm an den Kopf und ich trat näher.

Manuel lachte. „Du kannst von Glück sprechen, dass Aarón so ein großes Herz hat und dich hier arbeiten lässt. Sonst wären deine Mutter und du doch schon längst unter der Erde. Er hat nur Mitleid mit dir, sieh es endlich ein."

Das war dann der Moment, indem Keno ihm ins Gesicht schlug. Manuel taumelte zurück und fiel gegen eines der Regale. Ungläubig hielt er sich den Kiefer und wollte sich dafür revanchieren, doch ich machte einen Satz nach vorn und schlug ihm gelernt gegen die Schläfe, woraufhin er zu Boden fiel und zum Glück liegenblieb.

Überrascht vorn mir selbst sah ich ihn an und dann Keno. Das würde noch Ärger geben. Mein Gegenüber sah mich nur sprachlos an und wollte gerade ansetzen zu sprechen, da unterbrach uns wer.

„Meinst du das mit Straßenköter?"

Erschrocken drehte ich mich um. Adrian stand in der Tür vom Schuppen und deutete leicht ängstlich auf Manuel. Keno blickte verwirrt drein und ich kratzte mich im Nacken. „So in etwa, Kleiner."

*****

Hey, ich hoffe natürlich, dass euch das Kapitel gefallen hat. Was mich mal interessieren würde, wäre Folgendes:

Ich bin seit längerem am überlegen, ob ich mal ein Flashback Kapitel machen soll, wie sich Ace und Cosmo überhaupt kennengelernt haben? Was haltet ihr davon?💗

Schreibt es gerne in die Kommentare.
Liebe Grüße❤️

Hope in the DarknessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt